Gemeinsames Positionspapier von BMWi und den kommunalen Spitzenverbänden zu TTIP
11.06.2015 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und die kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund) sowie der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) haben sich am 11.06.2015 auf ein gemeinsames Positionspapier zu den Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) verständigt und vereinbart, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge keine neuen Marktzugangsverpflichtungen einzugehen. Bundesminister Gabriel bekräftigte: »Die Aufgaben der Daseinsvorsorge müssen wie bisher durch Städte, Landkreise, Gemeinden und ihre Unternehmen vor Ort wahrgenommen werden können.« Die Daseinsvorsorge sei ein Eckpfeiler für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und, so Gabriel weiter: »Wir brauchen Bildungseinrichtungen, Gesundheitsvorsorge, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, ein möglichst breites Kulturangebot und vieles andere mehr, das allein unter Gesichtspunkten der Marktrationalität häufig nicht flächendeckend bereit gestellt werden kann.« Folgende gemeinsame Positionen wurden vereinbart:
»1. Das europäische und nationale Recht gewährleistet einen weiten Handlungsspielraum der Kommunen bei der Organisation der Dienstleistungen der Daseinsvorsorge [Fn.: Dienstleistungen von all gemeinem Interesse/Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Art. 14 AEUV in Verbindung mit dem Protokoll Nr. 26]. Freihandelsabkommen dürfen diesen Handlungsspielraum der Kommunen nicht einengen. Deshalb muss jedenfalls für Deutschland der gleiche Vorbehalt gegen Marktöffnungsverpflichtungen im Bereich der Daseinsvorsorge aufgenommen werden, der auch im WTO-Dienstleistungsabkommen von 1995 (GATS) enthalten ist.
Für Marktzugangsverpflichtungen im Dienstleistungssektor wird die Verwendung einer Positivliste bevorzugt, weil damit sichergestellt werden kann, dass für den Bereich der Daseinsvorsorge keine neuen Marktöffnungsverpflichtungen übernommen werden und der Handlungsspielraum der Kommunen erhalten bleibt. Im Falle der Verwendung eines Negativlistenansatzes für Marktöffnung im Dienstleistungsbereich in TTIP muss wie in CETA sichergestellt werden, dass für den Bereich der Daseinsvorsorge keine neuen Marktzugangsverpflichtungen übernommen werden [Fn.: Vorbehalte gegen Marktöffnungsverpflichtungen im Dienstleistungssektor dürfen nicht durch die Digitalisierung der Dienstleistungserbringung aus gehebelt werden] und der Handlungsspielraum der Kommunen auch für eine Rekommunalisierung von Dienstleistungen erhalten bleibt. Der Negativlistenansatz darf auch nicht zu einer automatischen Marktöffnung für neue Dienstleistungen führen.
2. Für öffentliche Auftraggeber in Deutschland dürfen durch TTIP keine Verpflichtungen übernommen werden, die über die Bestimmungen des reformierten europäischen Vergaberechts hinausgehen. Die in den neuen EU-Vergaberichtlinien verankerten Möglichkeiten für Inhouse- Vergaben und die interkommunale Zusammenarbeit sowie insbesondere auch die Bereichsausnahmen für Rettungsdienste und für die Trinkwasserversorgung sowie Abwasserbeseitigung oder -behandlung dürfen durch TTIP nicht in Frage gestellt werden.
3. In TTIP werden die bisherigen speziellen Investitionsschutzregelungen mit ad hoc-besetzten Schiedsgerichten nicht befürwortet. Sofern solche Regelungen auf Wunsch der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten in TTIP Eingang finden sollen, müssen sie nach rechtstaatlichen Grundsätzen ausgestaltet sein und insbesondere gewährleisten, dass die Verfahren auch für die Zivilgesellschaft transparent durchgeführt werden, die Unabhängigkeit und hinreichende Qualifikation der Schiedsrichter sichergestellt ist sowie eine Berufungsmöglichkeit vorgesehen und die Schaffung eines Schiedsgerichtshofs angestrebt wird.
Es muss sichergestellt werden, dass nicht diskriminierende Maßnahmen der Gesetzgebung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen keine Schadensersatzansprüche für Investoren begründen können. Ein einklagbares Recht auf einen Marktzugang darf es nicht geben.
4. Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz dürfen durch TTIP nicht abgesenkt werden. Vielmehr soll ein hohes Umwelt-und Verbraucherschutzniveau im Einklang mit dem Besitzstand der EU und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten gefördert werden. Bei unterschiedlichen Schutzniveaus dürfen Schutzstandards nicht herabgesetzt werden mit dem Ziel eines Abbaus von Handelshemmnissen.
5. Der von Bundeswirtschaftsminister Gabriel einberufene Beirat für die TTIP-Verhandlungen trägt zur Verbesserung der Transparenz bei. Darüber hinaus werden im Verlauf der weiteren Verhandlungen regelmäßige Informationsgespräche des BMWi mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände und dem VKU vereinbart.
6. Mit Blick auf die TiSA-Verhandlungen und auch auf andere Freihandelsverhandlungen besteht die übereinstimmende Auffassung, dass auch in diesen Abkommen keine weitergehenden Marktöffnungsverpflichtungen für den Bereich der Daseinsvorsorge vorgenommen werden sollen.«
- ba -