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Europäische Rat beschließt Änderung der Gasrichtlinie

15.04.2019 Die Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt der EU gelten künftig auch für Leitungen nach und aus Drittländern. Der Rat hat eine Änderung der sogenannten Gasrichtlinie förmlich angenommen, um eine Gesetzeslücke im EU-Rechtsrahmen zu schließen und mehr Wettbewerb auf dem Gasmarkt zu schaffen. Dies ist der finale Schritt im Gesetzgebungsverfahren.

Mit dieser Anpassung der Gasrichtlinie soll vor allem sichergestellt werden, dass die Regeln des Gasbinnenmarktes der EU auch für Gasfernleitungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland bis zur Grenze des Hoheitsgebiets und Küstenmeers des Mitgliedstaats gelten. Zu den wichtigsten Elementen der Gasmarktregeln der Union, die in der sogenannten Gasrichtlinie von 2009 festgelegt sind, gehören die Entflechtung der Eigentumsverhältnisse, der Netzzugang Dritter, nichtdiskriminierende Tarife und Transparenzanforderungen. In der jetzt verabschiedeten Änderung sind Ausnahmen für bestehende Leitungen nach und aus Drittländern vorgesehen, ebenso wie klar festgelegte Verfahren für Verhandlungen mit Drittländern und Ausnahmeregelungen in Bezug auf neue Leitungen. So sollen eventuell bestehende Konflikte zwischen dem Recht des EU-Staats und dem Drittstaat aufgelöst werden. Deutschland kann daher mit Russland über den regulatorischen Rahmen für Nord Stream 2 verhandeln.

Die Europäische Kommission muss die Aufnahme von Verhandlungen genehmigen. Als Gründe für einen Widerspruch der Kommission kann etwa ein »Konflikt mit EU-Recht« oder Probleme des Funktionierens des Erdgasbinnenmarkts, des Wettbewerbs oder der Versorgungssicherheit in einem Mitgliedsstaat sein. Abschließend muss auch das Verhandlungsergebnis von der Europäischen Kommission bestätigt werden.

Weiter kann die Regulierungsbehörde - in Deutschland die Bundesnetzagentur - neue Gasinfrastruktur von bestimmten Regeln des Erdgasbinnenmarkts wie das Unbundling, Zugang Dritter, etc. ausnehmen. Eine solche nationale Entscheidung muss jedoch von der Kommission bestätigt werden und ist an Bedingungen geknüpft. So muss nachgewiesen werden, dass die Investition ohne die Ausnahmeregeln nicht getätigt werden würde. Zudem muss die neue Leitung den Wettbewerb auf dem Gasmarkt stärken und die Versorgungssicherheit erhöhen.

Die Europäischen Kommission hatte die Änderungen der Gasrichtlinie bereits im November 2017 vorgeschlagen. Der rumänische Ratsvorsitz hat am 12.02.2019 eine Einigung mit dem Europäischen Parlament über die Vorschläge erzielt. Das Plenum des Europäischen Parlaments hat am 04.04.2019 für die Änderung gestimmt. Die aktuelle förmliche Annahme durch den Rat ist der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens.

Die neue Richtlinie wird 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten müssen die Vorschriften innerhalb von neun Monaten nach ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umsetzen.

Neuerungen der Gasrichtlinie waren innerhalb des Rats äußerst umstritten. Insbesondere die Debatte um Nord Stream 2, die durch die Ostsee verlaufende, zweite Erdgaspipeline zwischen Deutschland und Russland, spaltete die Mitgliedstaaten. Kritiker halten die Ausweitung der Kompetenzen der EU-Kommission, die dann ausschließlich für die Vereinbarungen über neue EU-Gasleitungen zuständig ist, für rechtlich fragwürdig und politisch falsch. So wird die Auffassung vertreten, dass die geografische Ausweitung des Anwendungsgebietes der Richtlinie nicht mit internationalem Recht vereinbar ist und Teile des Vorschlags allgemeinen EU-Rechtsprinzipien wie der einheitlichen Anwendung widersprechen. Weiter wird die Gefahr gesehen, dass die Vorschläge von EU-Kommission und -Parlament zur Ausdehnung der EU-Kompetenz Europa für Investitionen in große Pipeline- Projekte unattraktiv machen.

In den nächsten zwei Jahrzehnten ist mit einem Rückgang der heimischen Gasproduktion um rund 50 Prozent zu rechnen. Dies und weitere zu erwartende Produktionsrückgänge etwa in den Niederlanden werden die derzeitige aktuell noch sehr komfortable Versorgungssituation nachteilig verändern und den Importbedarf ansteigen lassen, um die Nachfrage von Unternehmen und privaten Haushalten zu decken. Nennenswerte neue Förderstätten, die mit Fracking- Technologie operieren, sind aktuell in vielen EU-Ländern keine Option.

Dabei sind die Erwartungen, wonach der Gasbedarf in den kommenden Jahren abnimmt, wohl nicht gerechtfertigt. Jahrelang war Konsens unter Experten, dass der Gasbedarf bis 2030 signifikant sinkt. Inzwischen erscheinen diese Prognosen überholt. So tragen die europaweit ins Rollen kommende Reduzierung der Kohleverstromung, das Wiedererstarken der europäischen Industrie und die robuste private Nachfrage nach Heizenergie die Verbräuche von Erdgas wieder nach oben. Europa braucht daher eine funktionierende und erweiterbare Infrastruktur. Für ein Infrastrukturprojekt wie Nord Stream 2 sind die neuen Regelungen eher ein Hemmnis. Viele Kritiker raten daher zu einer Reform des Gasmarktes, die den Binnenmarkt stärkt und eine wettbewerbsfähige und sichere Gasversorgung gewährleistet.

- MS -

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