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EU: Kapazitätsmarkt in Polen beihilferechtlich problematisch?

09.04.2019 Deutsche Energieversorgungsunternehmen haben vor dem EuG geklagt und gefordert, das polnische Kapazitätsmarktmodell beihilferechtlich zu untersuchen. Sie vertreten die Auffassung, dass die Kommission keine ausreichende Prüfung der Vereinbarkeit des polnischen Kapazitätsmarktes mit EU-Regeln vorgenommen hat. Sie folgt damit dem ähnlich gelagerten Fall einer entsprechenden Klage vor dem EuG betreffend Großbritannien, (EuG-Urteil vom 15.11.2018, Rs. T-793/14).

Bereits im Februar 2018 hatte die Europäische Kommission Kapazitätsmechanismen zur Sicherheit der Stromversorgung in sechs EU-Ländern nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt. Die Kommission stellte dazu fest, dass die Maßnahmen einen Beitrag zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit leisten und der Wettbewerb im Binnenmarkt gewahrt würde. Zweifel an der Vereinbarkeit des polnischen Modells hatte sie nicht und daher auch kein Hauptprüfverfahren eingeleitet. Im Fall Großbritannien prüft die Kommission seit Februar 2019 den UK-Kapazitätsmarkt im Hauptprüfverfahren.

In Polen erhalten im Rahmen des sog. Kapazitätsmarktes insbesondere Kraftwerksbetreiber Zahlungen dafür, dass sie Leistungen vorhalten, die dann bei Bedarf von dem polnischen Übertragungsnetzbetreiber abgerufen werden können. Teilnehmen am Kapazitätsmarkt dürfen die Kraftwerke, die sich über Auktionen dafür qualifiziert haben. Dabei dürfen sowohl Betreiber neuer konventioneller Kraftwerke mit jahrelangen Vergütungsgarantien als auch Betreiber alter Kohlekraftwerke mit geringer Effizienz und hohen Emissionen teilnehmen.

Das verstößt nach Ansicht anderer Kraftwerksbetreiber gegen das Gesetzesvorhaben »Clean Energy Package«, das ein generelles Verbot staatlicher Beihilfen für Kraftwerke, die mehr als 550g CO2/kWh emittieren, enthält - ein Vorschlag, der weitere Subventionszahlungen für Kohle- und einige ineffiziente Gaskraftwerke praktisch ausschließt. Es gibt jedoch eine Übergangsregelung von diesem Grundsatz, von der Polen profitiert.

Kritisiert wird weiter, dass die Versorgungssicherheit nur von der Erzeugungsseite, also Kohle- und Gaskraftwerken geleistet wird, das Marktdesign schließe die Verbrauchsseite im Prinzip aus. Die angebotenen Kurzfristverträge sind für die Unternehmen, die sog. Demand Side Management (DSM - Demand Side Response/DSR) anbieten, wenig effektiv. Kostensenkungspotentiale durch flexibles Lastmanagement, die den Neubau von Kraftwerken ggf. überflüssig macht, werden dadurch ggf. nicht gehoben.

Das Ende der staatlichen Förderung von Kohlekraftwerken wird von Seiten Polens als Ausdruck der »Doppelmoral« in Europa abgelehnt mit dem Hinweis, dass beispielsweise deutsche Kohlekraftwerke weitgehend unangefochten bleiben. Der Vorschlag des Europäischen Parlaments, zwischen »strategischen Reserven« (die für staatliche Beihilfen in Frage kommen würden) und »Kapazitätsmärkten« (für die Subventionen letztlich auslaufen sollen) zu unterscheiden, ist für den polnischen Energiesektor inakzeptabel. Polen ist für 84 Prozent seines Stroms auf Kohlekraftwerke angewiesen und gerät mit Blick auf die Verpflichtungen der EU im Rahmen des Pariser Klimaabkommens unter immer stärkeren Druck, auf kohlenstoffarme Energiequellen umzusteigen. Im Gegensatz dazu emittiert die Kernenergie nahezu kein Kohlendioxid und könnte daher im Rahmen der neuen EU-Regelungen neben anderen kohlenstoffarmen Stromquellen gefördert werden. Auch dieses Ergebnis wird teilweise heftig kritisiert.

- MS -

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