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BVerfG: BReg muss Entschädigungen für KKW-Betreiber neu regeln

12.11.2020 Die juristischen Auseinandersetzungen um den deutschen Atomausstieg gehen weiter. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärte die Ausgleichsregelungen der 16. AtG-Novelle für verfassungswidrig. In seinem Beschluss vom 29.09.2020 - 1 BvR 1550/19 stellt das Gericht klar, dass die 16. AtG-Novelle vom 10.07.2018 nicht den Anforderungen genügt, die es in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2016 aufgestellt hatte. Damals hatte das BVerfG mit seinem Urteil vom 06.12.2016 - Az. 1 BvR 2821/11 die 13. AtG-Novelle für im Wesentlichen verfassungsgemäß erklärt. Allerdings verletze das Gesetz insoweit das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG, weil es nicht sicherstelle, dass die Betreiber jene Elektrizitätsmengen erzeugen könnten, die ihnen das Ausstiegsgesetz aus dem Jahre 2002 zugebilligt hatte, oder aber einen angemessenen Ausgleich dafür gewährte. Darin wurden für alle deutschen Atomkraftwerke fixe Reststrommengen festgelegt. Um diese Eigentumsverletzung zu beheben, fügte der Gesetzgeber mit Art. 1 der 16. AtG-Novelle vom 10.07.2018 unter anderem Vorschriften über den Ausgleich nicht verstromter Elektrizitätsmengen (§ 7f AtG) und das diesbezügliche Verwaltungsverfahren (§ 7g AtG) in das Atomgesetz (AtG) ein. Auch diese Regelungen sind aus Sicht des BVerfG noch immer nicht verfassungskonform, die Gesetzesänderung von 2018 sei unzumutbar und die Novelle außerdem wegen formaler Mängel nie in Kraft getreten. Das Gericht stützt dabei seine Argumentation zentral auf ein formales Defizit im Verfahren: Das Gesetz sei nicht wirksam in Kraft getreten, weil es an der beihilferechtlichen Genehmigung der Regelung durch die EU-Kommission bzw. der verbindlichen Mitteilung der Kommission über die Entbehrlichkeit einer Genehmigung fehle. Der Gesetzgeber sei damit »weiterhin zur alsbaldigen Neuregelung verpflichtet«, wie es im Beschluss heißt. Die Vorschrift § 7 f. Abs. 1 AtG regelt u.a., dass sich die Kernkraftwerkbetreiber zunächst bemühen müssen, ihre durch die Laufzeitverlängerung zugewiesenen Strommengen »zu angemessenen Bedingungen« zu vermarkten, bevor sie einen Ausgleichsanspruch geltend machen können. Nach Auffassung des Gerichts entstehe so aber eine unzumutbare Situation für die Unternehmen, weil sie nicht wissen könnten, auf welche Bedingungen sie sich einlassen müssten. Die Regelung bürde ihnen auf, entweder potenziell unangemessene Konditionen zu akzeptieren oder aber zu riskieren, kompensationslos auszugehen. Weiter erklärte das BVerfG auch eine Regelung für verfassungswidrig, nach der ein Ausgleich für die Kernkraftwerke Brunsbüttel auf zwei Drittel beziehungsweise Krümmel auf die Hälfte der Reststrommengen beschränkt ist. Diese sei jedenfalls zu unbestimmt, weil der Gesetzgeber die unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen unberücksichtigt lasse. Ein Ausgleichsanspruch sei jedenfalls nicht »hinreichend klar« geregelt. Das dürfte einem der betroffenen Unternehmen wohl auch an anderer Stelle helfen. Wegen des Atomausstiegs hat Vattenfall beim internationalen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) eine Milliardenschwere Klage wegen der dauerhaften Stilllegung von Krümmel und Brunsbüttel eingereicht. Klar ist allerdings auch: Der Atomausstieg selbst steht nicht in Frage, sondern hier geht es um seine verfassungsgemäße Abwicklung. - MS -

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