Bürgerbegehren »Energie- und Wasserversorgung Stuttgart«: Eilantrag auch in zweiter Instanz erfolglos
Das Bürgerbegehren »Energie- und Wasserversorgung Stuttgart« ist voraussichtlich unzulässig. Sein Ziel, dass die Landeshauptstadt Stuttgart Konzessionen und Netzbetrieb für Strom und Gas spätestens ab Januar 2014 übernimmt, verstößt gegen die gesetzliche Pflicht, ein diskriminierungsfreies und transparentes Auswahlverfahren zur Vergabe der Konzessionen für Stromnetz und Gasnetz durchzuführen. Seine Begründung erweckt zudem den unzutreffenden Eindruck, die Stadt könne mit Übernahme des Stromnetzes maßgeblich beeinflussen, ob in ihrem Gebiet Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken bezogen wird. Das hat der VGH Baden-Württemberg mit unanfechtbarem Beschluss vom 22.8.2013 - 1 S 1047/13 entschieden.
Mit dem im Februar 2012 eingereichten Bürgerbegehren »Energie- und Wasserversorgung Stuttgart« wird ein Bürgerentscheid zu der Frage beantragt: »Sind Sie dafür, dass die Stadt Stuttgart die Konzession und den Betrieb der Netze für Wasser, Strom, Gas und Fernwärme spätestens ab 1.1.2014 selbst übernimmt? Und sind Sie gegen einen Gemeinderatsbeschluss, der dem nicht entspricht?«. Die letzten drei Sätze der Begründung lauten: »Wenn die Stadt die Netze für Strom, Gas und Fernwärme selbst betreibt, kann verstärkt Energie dezentral und umweltfreundlich vor Ort erzeugt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss jegliche Beteiligung oder Einflussnahme von Atomenergiekonzernen ausgeschlossen sein. Auf diese Weise wird die Möglichkeit geschaffen, von Atom- und Kohlestrom wegzukommen.« Die Landeshauptstadt Stuttgart (Antragsgegnerin) stellte im Januar 2013 die Unzulässigkeit des beantragten Bürgerentscheids fest. Hierauf haben der Antragsteller und weitere Unterzeichner des Bürgerbegehens beim Verwaltungsgericht Stuttgart beantragt, der Stadt einstweilig zu untersagen, vor rechtskräftiger Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Konzessionen an Dritte zu vergeben, den Betrieb auf Dritte zu übertragen und jegliche verbindliche Maßnahmen zu unterlassen, die den Zielen des Bürgerbegehrens widersprechen. Das Verwaltungsgericht lehnte die Eilanträge ab. Das Bürgerbegehren sei auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und damit unzulässig. Die Beschwerde des Antragstellers blieb erfolglos.
Auch nach Auffassung des VGH ist das Bürgerbegehren voraussichtlich auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet. Die angestrebte ausschreibungsfreie Übernahme der Konzessionen und des Betriebs für Gas- und Stromnetze verstoße gegen die Pflicht, insoweit ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchzuführen. Diese Pflicht folge aus dem Energiewirtschaftsgesetz, dem Unionsrecht und aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Sie gelte nach dem Energiewirtschaftsgesetz auch bei der Vergabe einer Wegekonzession an einen von der Gemeinde kontrollierten Eigenbetrieb (»Inhousevergabe«). Das solle sicherstellen, dass auch bei der Vergabe einer Wegekonzession an einen Eigenbetrieb spätestens alle zwanzig Jahre ein Wettbewerb stattfinde. Dies sei unions- und verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine Rekommunalisierung sei auch bei Beachtung dieser Anforderungen rechtlich zulässig und möglich. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht davon abgesehen, dem Eilantrag teilweise, beschränkt auf Fernwärme und Wasser, stattzugeben. Denn mit dieser Beschränkung würde das Bürgerbegehren erheblich verändert.
Zudem entspreche die Begründung des Bürgerbegehrens nicht den Anforderungen der Gemeindeordnung. Die letzten drei Sätze stellten die Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten der Stadt als mögliche Betreiberin des Stromnetzes in wesentlichen Punkten falsch dar. Insoweit würden eindeutige gesetzliche Vorgaben verschwiegen und der vollkommen unzutreffende Eindruck erweckt, die Stadt könne mit Übernahme des Stromnetzes maßgeblich beeinflussen, ob in ihrem Gebiet in Atom- und Kohlekraftwerken erzeugter Strom bezogen werde. Denn das Energiewirtschaftsgesetz schreibe für Energieversorgungsunternehmen, an deren Elektrizitätsverteilungsnetz mehr als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar angeschlossen seien, die Trennung zwischen Netzbetrieb und Energieerzeugung vor. Außerdem wäre die Stadt verpflichtet, jedermann diskriminierungsfreien Zugang zum Stromnetz zu gewähren, so dass Einwohner selbst bei Übernahme des Stromnetzes durch die Stadt frei wären, Strom auch von Unternehmen zu beziehen, die diesen in Atom- oder Kohlekraftwerken erzeugt hätten.
- VGH Baden-Württemberg -