Eckpunkte der Regierungsparteien für eine Umsetzung der Energiewende
01.07.2015 In ihrer politischen Vereinbarung vom 1. Juli 2015 (VW-DokNr. 15003350) haben die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD auf 12 Seiten »Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende« festgehalten. Es ginge jetzt um die konkreten Weichenstellungen für die Weiterentwicklung des Strommarkts. Ziel sei eine optimale Verzahnung (Systemintegration) der verschiedenen Bereiche. Die Themen Strommarkt, KWK-Förderung, CO2-Minderungsbeitrag des Stromsektors und der Netzausbau seien fachlich eng miteinander verknüpft. Deshalb sollen die Grundsatzentscheidungen zu diesen Vorhaben im Zusammenhang getroffen werden. Die noch offenen Fragen zur Realisierung und Finanzierung des Rückbaus der Kernkraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle sollen ebenfalls gelöst werden. Auf der Basis dieser energiepolitischen Beschlüsse sollen nach der Sommerpause die legislativen und sonstigen notwendigen Maßnahmen umgesetzt werden. Die Bundesregierung möchte noch in diesem Jahr den Entwurf für ein Strommarktgesetz und eine Novelle der Reservekraftwerksverordnung vorlegen.
Stromversorger in die Pflicht nehmen
Hinsichtlich des Strommarkts sollen insbesondere die verantwortlichen Stromversorger und -händler (die sog. »Bilanzkreisverantwortlichen«) konsequent verpflichtet werden, für ihre Kunden ausreichend Strom einzukaufen. Wer weniger Strom eingekauft hat als er tatsächlich benötige, trage verursachergerecht die Kosten, um seine Versorgungslücke auszugleichen, auch wenn diese in Zeiten von Knappheit hoch sein können. Die Akteure am Strommarkt, so die Schlussfolgerung der Eckpunkte, werden sich gegen dieses Risiko mit langfristigen Lieferverträgen und Lastmanagement absichern. Damit sollen verlässliche Grundlagen für Investitionen geschaffen werden. Anderseits müsse die Preisbildung frei bleiben, weil nur so angezeigt werde, wie knapp Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt ist. Die freie Preisbildung soll rechtlich abgesichert werden: Der Grundsatz, dass die Politik und die Regulierungsbehörde in die Preisbildung am Markt nicht eingreifen, werde im Energiewirtschaftsrecht klar festgelegt.
Kapazitätsreserve und Reservekraftwerksverordnung
Ausdrücklich hebt die Vereinbarung die Kapazitätsreserve als zusätzliche Absicherung hervor: »Im Unterschied zum ›Kapazitätsmarkt‹ umfasst die Kapazitätsreserve nur Kraftwerke, die nicht am Strommarkt teilnehmen und den Wettbewerb und die Preisbildung nicht verzerren.« Bis die Übertragungsnetze ausgebaut und Netzengpässe beseitigt sind, geht die Vereinbarung davon aus, dass sich in Süddeutschland Kapazitäts- und Netzreserve ergänzen. Mit einer Novelle der Reservekraftwerksverordnung werde dabei eine verlässliche Grundlage für die Vergütung von Kraftwerken in der Netzreserve geschaffen. Dabei soll ein Kraftwerk, das vorübergehend stillgelegt wird, seine Betriebsbereitschaftsauslagen nicht erst ab seiner Stilllegung, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem die Bundesnetzagentur die Systemrelevanz des Kraftwerks feststellt, erhalten. Kraftwerke, die noch nicht abgeschrieben sind, erhielten darüber hinaus in Zukunft als Ausgleich für ihren Werteverbrauch auch die anteilige Jahresabschreibung. Außerdem sollen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, damit Kraftwerke, die nur vorübergehend stillgelegt werden, in Zukunft bereits nach vier (anstelle von bislang fünf) Jahren wirtschaftlich an den Markt zurückkehren können.
Förderung der Kraft-Wärme-Koppelung
Anhand der in der Vereinbarung beschlossenen Eckpunkte soll das KWK-Gesetz novelliert werden. So ist u.a. vorgesehen, hoch effiziente mit Gas gefeuerte KWK-Anlagen der öffentlichen Versorgung, die in ihrer Existenz gefährdet sind, für einen begrenzten Zeitraum zu fördern, um ihren Bestand zu sichern. Insgesamt soll das künftige Ausbauziel für KWK als ein Anteil von 25% an der thermischen Stromerzeugung festgelegt werden, und nicht wie bisher an der gesamten Stromerzeugung. Bei gleichbleibenden Fördersätzen ist auch geplant, das förderfähige Investitionsvolumen in Wärmenetze und Wärmespeicher zu erhöhen.
CO2-Minderungsbeitrag des Stromsektors
Um das nationale Klimaschutzziel von 40% CO2-Minderung in 2020 gegenüber 1990 nicht zu verfehlen, sollen die Maßnahmen im Aktionsprogramm Klimaschutz (u.a. in den Bereichen Energieeffizienz, Gebäude und Verkehr) umgesetzt werden. Als zusätzliche Alternative zur Einführung des Klimabeitrags sind verschiedene Maßnahmen vorgesehen, insbesondere die schrittweise Stilllegung von Braunkohlekraftwerksblöcken. Sie sollen auf vertraglicher Basis mit einem Anteil von 2,7 GW im Jahr 2020 in die Kapazitätsreserve überführt werden. Dabei ist geplant, Kraftwerksblöcke in der Reserve nach vier Jahren stillzulegen. Die Betreiber bekämen eine kostenbasierte Vergütung auf Basis der zum Zeitpunkt der Verhandlungen verfügbaren Marktdaten.
Bürgerfreundlicher Netzausbau
Beim Netzausbau sollen Erdkabel bei neuen Gleichstromtrassen in der Bundesfachplanung Vorrang erhalten. Bisher hatten Freileitungen den Vorrang und Erdkabel waren die Ausnahme. Die Mehrkosten seien gerechtfertigt, da die Maßnahme zu mehr Akzeptanz und zu einem schnelleren Ausbau führe. Mit zusätzlichen Pilotprojekten soll der erheblich schwierigere und teurere Einsatz von Erdkabeln bei Wechselstrom die technische Entwicklung vorantreiben.
Sicherer Ausstieg aus der Kernenergie
Es ist erklärtes Ziel der Parteivorsitzenden, in Deutschland die Sicherheit des Restbetriebes der Kernkraftwerke, ihre Stilllegung und ihren Rückbau sowie die Zwischen- und Endlagerung der radioaktiven Abfälle technisch und finanziell zu gewährleisten. Die finanzielle und in weiten Teilen auch die operative Verantwortung liege bei den kernkraftwerkebetreibenden Energieversorgungsunternehmen.
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