Deutschland muss illegale Beihilfen von den großen Stromverbrauchern zurückfordern
Netzentgeltbefreiung 2012-2013
29.06.2018 Wie die Europäische Kommission Ende Mai 2018 mitteilte, verstoßen die Befreiung von Netzentgelten, die in Deutschland bestimmten großen Stromverbrauchern in den Jahren 2012 und 2013 gewährt worden war, gegen die EU-Beihilferegeln. Es gebe keine Gründe dafür, diese Verbraucher von der Zahlung der Netzentgelte zu befreien. Deutschland hat die illegalen Beihilfen zurückzufordern.
Von 2011 bis 2013 konnten stromintensive Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von mehr als 10 Gigawattstunden und sehr konstantem Stromverbrauch nach § 19 Abs. 2 S. 2 Strom-NEV vollständig von den Netzentgelten befreit werden. Wie die EU-Kommission mitteilt, ersparten sich die Nutzer 2012 Schätzungen zufolge 300 Mio. EUR an Netzentgelten. Gegen diese 100%ige Befreiung gingen nach ihrer Einführung 2011 mehrere Drittbeschwerden bei der Europäischen Kommission ein.
Die in den Jahren 2012 und 2013 gewährte vollständige Befreiung stelle eine staatliche Beihilfe für die befreiten Stromverbraucher dar, da die Kosten aus der § 19 StromNEV-Umlage - also aus staatlichen Mitteln - gedeckt wurden. Die Stromendverbraucher seien nach deutschem Recht verpflichtet, diese Umlage zu zahlen und der deutsche Staat übe die Kontrolle über die Mittel aus. Selbst bei konstantem Stromverbrauch gebe es keine objektive Rechtfertigung für eine vollständige Befreiung von Stromverbrauchern von Netzentgelten. Alle Verbraucher sollten für die Kosten aufkommen, die sie dem Netz verursachen. Große Stromverbraucher mit konstanter Abnahme verursachen ebenfalls Netzkosten und nutzen Netzdienste. Die Kosten dafür müssen laut Kommission von ihnen getragen werden. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu, wenn bestimmte große Stromverbraucher von diesen Entgelten befreit werden, stelle dies eine unfaire Bevorteilung dar. Zudem werde die Last für die übrigen Verbraucher erhöht.
Nach Angaben der Kommission wies Deutschland jedoch nach, dass die Großverbraucher und Abnehmer mit konstantem Verbrauch in den Jahren 2012 und 2013 aufgrund ihres konstanten und vorhersehbaren Verbrauchs geringere Kosten verursachten als andere Verbraucher. Dies rechtfertigt angesichts der vorherrschenden Marktbedingungen eine teilweise Verringerung der Netzentgelte für diese beiden Jahre. Jetzt müsse Deutschland nach der im Beschluss der Kommission festgelegten Methode für jeden Begünstigten der Befreiung die Höhe der von ihm in den Jahren 2012 und 2013 verursachten Netzkosten ermitteln. Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt seien, werde die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb unter der Nummer SA.34045 zugänglich gemacht.
In einem weiteren Schritt ist die Bundesrepublik nun verpflichtet, die illegalen Beihilfen von den einzelnen Begünstigten zurückzufordern. Die Bundesregierung teilte in ihrer Presseerklärung vom 28.05.2018 mit, zugunsten der betroffenen Unternehmen die höchstmögliche Begrenzung der Rückforderungssumme erreicht zu haben. Der konkrete Rückforderungsbetrag sei im Einzelfall zu bestimmen und abhängig vom Verbrauchsverhalten, von der Höhe des jeweiligen Netzentgeltes und vor allem davon, wie viel Netzentgelte die Unternehmen hypothetisch nach dem sog. physikalischen Pfad hätten zahlen müssen.
Die Befreiung im Jahr 2011 ist, wie die Kommission mitteilt, hingegen nicht als staatliche Beihilfe anzusehen, weil die Kosten von den Netzbetreibern selbst getragen wurden. Die Befreiung wurde somit nicht vom Staat finanziert. 2014 schaffte Deutschland die Befreiung (§ 19 Abs. 2 der StromNEV) ab. Seitdem können Verbraucher mit konstantem Verbrauch beantragen, dass ihnen individuelle Netzentgelte auf der Grundlage der Kosten, die sie jeweils für das Netz verursachen, berechnet werden. Diese neue Regelung war nicht Gegenstand der Untersuchung der Kommission.
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