CO2-Sondergutachten: Marktwirtschaftliche Instrumente
12.07.2019 Die »Wirtschaftsweisen« haben das mit Spannung erwartete Gutachten zum CO2-Preis »Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik« an die Bundesregierung übergeben. Die Entscheidungen dazu sollen im September fallen. Die Wirtschaftsweisen empfehlen eine Neuausrichtung der deutschen Klimapolitik. Dabei soll die einer kleinteiligen Zielsetzung folgende Detailsteuerung durch ganzheitliche marktwirtschaftliche Instrumente ersetzt werden. Der Bundesregierung biete sich aktuell die große Chance für eine Neuausrichtung der Klimapolitik, die Wirksamkeit und volkswirtschaftliche Effizienz verbindet und international anschlussfähig ist, so der Sachverständigenrat. Kernelement dieses Neuaufbruchs sollte die Entscheidung für einen CO2-Preis als zentrales klimapolitisches Instrument sein.
Tanken und Heizen mit Öl und Gas muss nach Ansicht der Regierungsberater für den Klimaschutz teurer werden. Die »Wirtschaftsweisen« empfehlen der Bundesregierung, einen Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen bei Verkehr und in Gebäuden einzuführen. Ähnliche Pläne hatte das Umweltministerium auch vorgelegt. Der Preis müsse den Klimaschutz in Deutschland und international wirkungsvoll voranbringen, zugleich aber sozial ausgewogen sein und die Wirtschaft nicht zu stark belasten, raten die Experten. Eine Empfehlung, wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann, vermeiden sie jedoch. Wichtig ist aus Sicht der »Wirtschaftsweisen « vor allem, dass die Bepreisung von Treibhausgasen in den Mittelpunkt der klimapolitischen Anstrengungen gestellt wird. Die Berater halten dabei übergangsweise sowohl einen neuen nationalen Emissionshandel für Heizen und Verkehr für möglich als auch eine CO2-Steuer.
Die Kernaussagen des Sachverständigenrates lauten:
- Globale Koordination
Zur Eindämmung des Klimawandels ist ein global koordiniertes Vorgehen unverzichtbar. Deutschland kann dazu beitragen, indem es als Vorbild wirkt und zeigt, dass die vereinbarten klimapolitischen Ziele auf volkswirtschaftlich effiziente Weise und ohne größere gesellschaftliche Verwerfungen zu erreichen sind. Nicht sinnvoll ist es, über die europäisch vereinbarten Ziele hinaus weitere nationale oder gar sektorale Ziele anzustreben. Die Bereitschaft, noch größere Anstrengungen zu unternehmen, sollte Deutschland als Hebel in europäischen und globalen klimapolitischen Verhandlungen einsetzen, um andere Staaten im Sinne einer Reziprozität auf ambitioniertere Ziele zu verpflichten.
- Umfassender Emissionshandel
Spätestens bis zum Jahr 2030 sollte der europäische Emissionshandel (EU-ETS) in allen Mitgliedstaaten auf die Sektoren Verkehr und Gebäude ausgeweitet und somit ein über alle Sektoren einheitlicher CO2-Preis etabliert werden. Auf europäischer Ebene könnten damit die getrennten sektoralen Ziele entfallen, zusätzliche nationale Klimaziele sollten bereits jetzt fallengelassen werden. Der Weg zu diesem integrierten System muss umgehend eingeleitet werden, indem in den bislang nicht vom EU-ETS erfassten Sektoren Verkehr und Gebäude ein separater CO2-Preis etabliert wird. Dies ist als Übergangslösung in den integrierten Emissionshandel aufzusetzen und muss im Zuge der Integration wieder abgeschafft werden.
- Separater Emissionshandel
Ein separater Emissionshandel für den Nicht-EU-ETS-Bereich ist einfacher zu kommunizieren und später leichter in den integrierten Emissionshandel zu überführen. Die Umsetzung wird allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen. Die politische Herausforderung besteht darin, durch rasche Schritte glaubwürdig zu signalisieren, dass diese Wahl keine Verzögerungstaktik darstellt. Zudem müssen die Marktteilnehmer von der langfristigen Verbindlichkeit der Mengenbeschränkung überzeugt werden.
- CO2-Steuer
Eine CO2-Steuer ließe sich in den Nicht-EU-ETS-Sektoren auf Grundlage der bestehenden Energiebesteuerung rasch einrichten. Allerdings kann es nicht darum gehen, zu Beginn einen durch eine CO2-Steuer vorgegebenen Preispfad zu fixieren. Vielmehr sind die in den Sektoren Verkehr und Gebäude vorliegenden Vermeidungskosten und Nachfrageelastizitäten unbekannt, sodass die Steuer regelmäßig angepasst werden muss. Entscheidend ist, dass die Politik es durchhält, bei Verfehlung der klimapolitischen Ziele nachzusteuern. Es liegt nahe, sich zunächst am aktuellen Preis im EU-ETS zu orientieren und bei einem zwischen 25 und 50 Euro angesiedelten Wert einzusteigen. Doch je niedriger der Einstieg, desto schärfer müssen die künftigen Steuererhöhungen ausfallen. Zudem wird eine CO2-Steuer wohl nur dann in der Bevölkerung akzeptiert werden, wenn ausgeschlossen werden kann, dass die CO2-Steuer für andere Ziele als die Klimapolitik genutzt wird.
- Wettbewerbsfähigkeit
Angesichts hoher Vermeidungskosten in den Sektoren Verkehr und Gebäude dürfte die Erweiterung des EU-ETS zu einem Preisanstieg führen. Bislang verhindert eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten Nachteile der Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Falls dieser Carbon-Leakage-Schutz nicht ausreicht, könnte ein Grenzausgleich erwogen werden. Dieser birgt allerdings handelspolitisches Konfliktpotenzial.
- Begleitende Maßnahmen
Sollen die EU-Klimaziele erreicht werden, sind zielgerichtete begleitende Maß nahmen erforderlich, um Verhaltensanpassungen zu erleichtern und somit den notwendigen CO2-Preis zu begrenzen, beispielsweise eine Förderung der Anschaffung emissionsarmer Ausstattung und Infrastrukturinvestitionen. Außerdem könnten das Steuersystem überarbeitet und so die Anreize zur CO2-Reduktion gesteigert werden.
- Rückverteilung der Einnahmen
Ausschließliches Ziel einer CO2-Bepreisung in Deutschland sollte sein, Emissionen effizient zu reduzieren und nicht, zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren. Für eine Akzeptanz in der Bevölkerung sollten die staatlichen Einnahmen zurückverteilt werden. Dies kann etwa über eine pauschale Rückgabe je Einwohner oder eine Senkung der Stromsteuer gestaltet werden.
- Quelle: Sachverständigenrat -