Bundeskartellamt rügt Macht der Energiekonzerne
13.01.2011 Das Bundeskartellamt hat im Januar den Abschlussbericht seiner im März 2009 eingeleiteten Sektoruntersuchung Stromgroßhandel veröffentlicht. Gegenstand der Untersuchung sind die Wettbewerbssituation und die Preisbildung auf den deutschen Stromerzeugungs- und Stromgroßhandelsmärkten in den Jahren 2007 und 2008.
Nach Auffassung von Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes habe man durch die Sektoruntersuchung entscheidende Fragen zu den Markt- und Wettbewerbsprozessen auf den Stromgroßhandelsmärkten klären können. Das Bundeskartellamt habe damit eine wichtige Grundlage, um möglichen Missbrauch von Marktmacht aufzudecken und zu verhindern.
Die Untersuchung habe gezeigt, dass die Wettbewerbssituation auf dem Markt für den erstmaligen Absatz von Strom weiterhin unbefriedigend sei. Nach wie vor teilen sich lediglich vier Unternehmen gut 80% des Erstabsatzmarktes. Die wettbewerblichen Analysen der Sektoruntersuchung legen das Ergebnis nahe, dass diese Anbieter (RWE, E.ON, Vattenfall und gegebenenfalls auch EnBW) in Deutschland jeweils individuell über eine marktbeherrschende Stellung verfügen. Denn diese Unternehmen waren - jedes für sich - in einer signifikanten Anzahl von Stunden im untersuchten Zeitraum für die Deckung der Stromnachfrage in Deutschland unverzichtbar.
Auf der Grundlage umfangreicher Ermittlungen zum Angebotsverhalten an der Strombörse sowie zur Einsatzsteuerung von mehr als 340 Kraftwerksblöcken hat das Bundeskartellamt untersucht, ob es Hinweise dafür gibt, dass Unternehmen Kraftwerkskapazitäten zurückgehalten haben, um den Preis an der Strombörse nach oben zu treiben. Eine systematische und gravierende Zurückhaltung von Erzeugungskapazitäten ließ sich auf Grundlage der untersuchten Daten zur Kraftwerkseinsatzsteuerung und zur Kostensituation der einzelnen Kraftwerke nicht nachweisen. Gleichwohl hat die umfassende empirische Analyse des Marktgeschehens gezeigt, dass die großen Erzeugungsunternehmen Anreiz und Möglichkeiten haben, den Strompreis durch missbräuchliche Kapazitätszurückhaltungen erheblich zu beeinflussen. Die Sektoruntersuchung hat die zentralen Ansatzpunkte für eine kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht in diesem hoch komplexen Markt zu Tage gefördert. Es wurde eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen, die einer weiteren Diskussion und der Klärung durch die Stromerzeuger bedürfen.
Es erscheint daher auch für die Zukunft geboten, das Angebotsverhalten an der Strombörse wie auch die Kraftwerkseinsatzsteuerung einer effektiven Aufsicht durch die Wettbewerbsbehörden zu unterstellen. Das vom Bundeskartellamt verwendete Berechnungsmodell kann hierbei auffällige Handlungsweisen identifizieren. Die Sektoruntersuchung stellt damit für zukünftige Verfahren einen analytischen Rahmen bereit, Missbräuche durch Kapazitätszurückhaltung aufzuspüren.
Ergänzt werden muss dieser analytische Rahmen durch einen verbesserten Zugang zu den Kraftwerkserzeugungsdaten. Die durch die Untersuchung aufgeworfenen Fragen können am effektivsten unter dem Dach einer Markttransparenzstelle bearbeitet werden, die zeitnah und direkt Zugriff auf die erforderlichen Daten hat. Das Bundeskartellamt unterstützt daher die von der Bundesregierung geplante Einrichtung einer Markttransparenzstelle. Mit einer Markttransparenzstelle kann auch die Abschreckungswirkung einer effektiven Missbrauchsaufsicht wirksam erhöht werden.
Das Bundeskartellamt ist an einem Dialog mit den Marktteilnehmern, Verbänden und politischen Kreisen interessiert. Hierzu erhalten alle Beteiligten die Gelegenheit, zu dem Bericht der Sektoruntersuchung Stromgroßhandel bis zum 15.März 2011 schriftlich Stellung zu nehmen.
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