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Die Energiepläne der neuen Bundesregierung

Im Koalitionsvertrag fasste die neue Regierung ihre Pläne für die Energiewende zusammen. Sie will den Anteil der Alternativenergie in 15 Jahren verdoppeln, bis 2022 alle Kernkraftwerke abschalten und damit folgende Ziele erreichen:

  • Schutz von Umwelt und Klima, Verringerung der CO2-Emissionen
  • Wirtschaftlichkeit, um die Verbraucher und die Wirtschaft nicht durch steigende Kosten zu belasten und die Arbeitsplätze in der Exportindustrie zu schützen
  • Versorgungssicherheit, um längere »Blackouts« zu vermeiden.

Diese Ziele gelten ihr als gleichrangig. Um sie zu erreichen, will sie das Energie- Einspeisegesetz (EEG) reformieren und Maßnahmen in folgenden Bereichen ergreifen:

  • Speichertechnologien: Bau von neuen Pumpspeicherkraftwerken, um die starken Schwankungen bei der Erzeugung von Wind- und Solarstrom auszugleichen
  • Sicherung der Reservekapazitäten, damit bei Windflaute konventionelle Kraftwerke die Versorgung übernehmen können.
  • Erhöhung der Effizienz bei Stromerzeugung und Verbrauch.

Pumpspeicherkraftwerke

Diese sind bewährte Technik. Nachts wird mit überschüssigem, billigem Strom Wasser von einem tieferen in ein höheres Becken gepumpt. Über Tag wird das Wasser über eine Turbine zurückgeführt und erzeugt dabei etwa 4 Stunden lang zur Spitzenlastzeit hochwertigen Strom. Wegen der Reibungsverluste muss jedoch 1/3 mehr Strom eingesetzt werden als zurückgewonnen wird.

Betrieb, Wartung, Verschleiß und Kapitaldienst verursachen weitere Kosten. Aber der »Stromveredelungseffekt« macht die Werke trotzdem rentabel.

Für den Ausgleich von Sonnen- und Windstrom sind sie aber ungeeignet. Denn überschüssiger, aber hochsubventionierter Strom muss für viele Tage gespeichert und danach längere Zeit wieder in das Netz eingespeist werden.

Dabei wird überwiegend niedrig vergüteter Grundlaststrom erzeugt. Weil das Wasser nicht für einen 4-stündigen, sondern für einen mindestens 10-tägigen Betrieb ausreichen soll, müssen die Speicherbecken etwa 50mal so groß sein wie sonst üblich. Um die Leistung der insgesamt 17 abzuschaltenden Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 17.000.000 kW zu ersetzen, wären mehr als 400 Pumpspeicherwerke von der Größe des Walchensee-Pumpspeicherwerks erforderlich, jedoch mit erheblich größeren Speicherbecken.

Reservekapazitäten: Ohne Vorhalten von Kohle- oder Gaskraftwerken mit hoher Leistung ist Versorgungssicherheit nicht erreichbar. Denn die Jahresverfügbarkeit der Alternativen ist gering:

Jahresverfügbarkeit in Prozent:

Solar (Dachanlage) 10 - 12

Windkraft auf dem Land 18 - 25

Windkraft auf See 45 - 55

Kohle- oder Braunkohlekraftwerk 87 - 92

Kernkraftwerk 90 - 94

Bei den geringen Ausfallzeiten der konventionellen Kraftwerke handelt es sich im Wesentlichen um die jährlichen Inspektions- und Wartungsarbeiten. Diese sind - im Gegensatz zu den Ausfallzeiten bei Solar- und Windkraft - planbar, können also in die nachfrageschwachen Sommermonate verlegt werden.

Um mit Solarenergie eine zuverlässige Grundlast zu sichern, müssen für jede kWh Solarstrom 9 kWh aus anderen Kraftwerken eingespeist werden. Bei Windkraftanlagen auf dem Land sind es 4 kWh, bei Offshore-Windparks immerhin noch 1 kWh. Die Bezeichnung »Reservekapazitäten« ist daher irreführend: konventionelle Kraftwerke bleiben die »Arbeitspferde« der Energiewende.

Wegen des wachsenden Anteils von Wind- und Solarenergie entstehen am »freien Markt« Überkapazitäten, daher sinken dort sowohl die Strompreise als auch die Laufzeiten der Kohle- und Gaskraftwerke. Das macht deren Betrieb unrentabel. Die Folge: Immer mehr Kohle- und Gaskraftwerke werden zur Stilllegung angemeldet. Die Netzagentur kann diese zwar verbieten, aber auf Dauer wird sie die Vorhaltekosten vergüten müssen. Wenn, wie von der Regierung beabsichtigt, Wind- und Solarkraft weiter ausgebaut werden, wachsen auch die Zahl der unrentabel werdenden »Arbeitspferde« und die Kosten zum Erhalt ihrer »Leistungsbereitschaft«. Das erhöht - im Widerspruch zum Koalitionsvertrag - die Stromkosten und den CO2-Ausstoß.

Vermeiden von CO2-Ausstoß

Über den Einsatz von Kohle- oder Gaskraftwerken entscheiden die variablen Kosten. Je niedriger diese sind, umso mehr Fixkosten lassen sich abdecken, um Verluste zu begrenzen oder Gewinne zu steigern. Die variablen Kosten (Brennstoff, Verschleiß, Emissionszertifikate etc.) und die Fixkosten (fixe Betriebskosten, Kapitaldienst, Versicherungen etc.) für moderne Kraftwerke sind in untenstehender Tabelle aufgeführt:

Tabelle

Die Stromerzeuger bevorzugen daher Kohlekraftwerke. Weil deren CO2-Ausstoß höher ist, fordert der Koalitionsvertrag, 900 Millionen CO2-Zertifikate aus dem Handel zu nehmen, damit Kohlestrom teurer wird. Das würde - im Widerspruch zum Koalitionsvertrag - den Strompreis weiter erhöhen.

Senkung des Energieverbrauchs

Höhere Effizienz beim Verbrauch mildert die Kostenbelastung der Verbraucher und Betriebe. Die in den letzten Jahren ständig steigenden Strompreise haben die meisten Betriebe schon dazu angespornt, ihren Stromverbrauch zu senken. Je höher der Strompreis, umso mehr lohnen sich Energiespar-Investitionen. Andererseits gibt es gute wirtschaftliche Gründe zum Einsatz von Anlagen mit höherem Stromverbrauch, z.B. um Lohnkosten oder Ölverbrauch zu senken. Dem Stromsenkungsziel widersprechen zwei Programme der Regierung: Im Energiesparprogramm für den Wohnungsbau fördert sie den Einbau von Wärmepumpen. Bald werden 1 Million davon im Einsatz sein und im Winter, wenn die Kraftwerke an ihren Kapazitätsgrenzen arbeiten, den Stromverbrauch zusätzlich erhöhen. Zweitens sollen bis 2020 1 Million Elektroautos über unsere Straßen rollen. Diese müssen nachts, wenn kein Solarstrom fließt, aufgeladen werden. Ein nennenswerter Rückgang des Stromverbrauchs ist daher nicht zu erwarten. Es wäre schon ein Erfolg, wenn dieser nicht weiter wächst.

Der Weg aus der Sackgasse?

Die drei als »gleichwertig« bezeichneten Ziele Kostenbegrenzung, Umweltschutz und Versorgungssicherheit kann die Regierung nicht erreichen. Denn Kernkraftwerke lassen sich nicht durch Wind- und Solarstrom ersetzen, sondern nur durch neue Kohle- und Gaskraftwerke. Die Energiepolitik steckt in einer Sackgasse. Der neue Energie- und Wirtschaftsminister Siegmar Gabriel wird voraussichtlich nur einige Retuschen anbringen können: den Ausbau von Biogas-, Solar- und Windkraftanlagen etwas bremsen; die bisher vom Verbraucher und Gewerbe getragenen hohen Kosten der Energiewende stärker der Großindustrie auferlegen und die Erzeuger von Solar- und Windstrom an den »Bereitschafts-Subventionen« der Kohle- und Gaskraftwerke beteiligen. Dadurch kann der weitere Anstieg der Kosten für die Verbraucher zwar kurzfristig gedämpft werden. Danach werden sie jedoch wieder schneller steigen.

- Dr.-Ing. Bruno Hake, Wiesbaden -

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