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Titel: Außerhalb der Grundversorgung stets Sonder-KA bei Erdgas
Behörde / Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe (BGH)
Datum: 06.11.2012
Aktenzeichen: – KVR 54/11 – Gasversorgung Ahrensburg –
Gesetz: KAV, EnWG, GWB
Artikeltyp: Rechtsprechung
Kategorien: Energie(wirtschafts)recht, Konzessionsabgaberecht, Wettbewerbs-/Kartellrecht
Dokumentennummer: 13001965

Außerhalb der Grundversorgung stets Sonder-KA bei Erdgas

- Beschluss des BGH vom 6.11.2012 - KVR 54/11 - Gasversorgung Ahrensburg1 -

- Anmerkung von RA Michael Brändle, Freiburg -

Mit Beschluss vom 11.9.2009 gab das Bundeskartellamt der Gasversorgung Ahrensburg GmbH (GAG), deren sämtliche Geschäftsanteile von der Stadt Ahrensburg gehalten werden, auf, gegenüber Drittlieferanten höchstens den in der Konzessionsabgabenverordnung vorgesehenen Höchstsatz für die Belieferung von Sondervertragskunden gem. § 2 Abs. 3 Nr. 2 KAV (damals und derzeit 0,03 Cent/kWh) zu berechnen und die seit 1.1.2007 diesen Betrag übersteigenden Entgelte an die Drittlieferanten zurückzuerstatten. Die gegen den Beschluss des BKartA gerichtete Beschwerde zum OLG Düsseldorf war erfolglos, der Kartellsenat des BGH wies die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG zurück.

Im Konzessionsvertrag war vereinbart, dass die GAG für Lieferungen von Dritten an die Stadt Konzessionsabgabe in derselben Höhe zahlen wird, wie für eine Versorgung durch die GAG zu zahlen wäre. Haushaltskunden bis zu einem jährlichen Verbrauch von 100.000 kWh versorgt die GAG ausschließlich im Wege der Grundversorgung gemäß einem einzigen, nach Verbrauch gestaffelten Tarif. Demgemäß berechnete die GAG ihren Kunden, aber auch Drittlieferanten, die deutlich höhere Tarif-KA nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 KAV mit 0,61 Cent/kWh (Kochgaskunden) bzw. 0,27 Cent/kWh (Heizgaskunden).

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf war das BKartA für den angefochtenen Beschluss nicht zuständig (was allerdings wegen nicht erfolgter Rüge im Verwaltungsverfahren in der Beschwerde nicht mehr gerügt werden konnte, § 55 GWB). Durch die Regelungen des § 130 Abs. 3 GWB i.V.m. § 111 Abs. 1 EnWG werde, so das Beschwerdegericht, eine Doppelzuständigkeit von BKartA und BNetzA vermieden. Für den konkreten Fall sieht der BGH das anders, denn hier werde nicht der Netzbetreiber angesprochen, vielmehr beanstande die Verfügung des BKartA einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung auf dem sachlichen Markt für die entgeltliche Gestattung der Nutzung von öffentlichen Wegen zu Zwecken der Gasversorgung. Die wirtschaftliche Verwertung des Wegerechts durch die Gemeinde sei nicht Gegenstand der Regelung des Netzzugangs nach §§ 11 ff. EnWG, sondern der Bestimmungen in §§ 46, 48 EnWG, die außerhalb des dritten Teils des Energiewirtschaftsgesetzes stehen. Jedenfalls in Bezug auf diesen Markt bleibe § 19 GWB anwendbar. Die GAG werde „als verlängerter Arm der Kommune in Anspruch genommen“, so der BGH wörtlich und könne deshalb auch Adressatin des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots sein. Auch wenn es dadurch zu einer Doppelzuständigkeit von BKartA und BNetzA kommt, ist den Argumenten des BGH de lege lata letztlich zuzustimmen. Konsequenterweise gilt das aber auch dann, wenn der Netzbetreiber nicht kommunal beherrscht wird, sich aber gleichwohl, aus welchen Gründen auch immer (z.B. um seine Chancen zu erhöhen bei der Konzessionsvergabe den Zuschlag zu bekommen), zu unzulässig überhöhten KA-Zahlungen an die Gemeinde verpflichtet und diese an Lieferanten weitergibt und weiterhin weitergeben will, weil er sich nicht bei der Gemeinde unbeliebt machen möchte. Die Doppelzuständigkeit könnte nur de lege ferenda durch Änderungen in § 65 EnWG und ggf. in § 111 EnWG beseitigt werden, was sich ohnehin empfehlen würde, das es wenig zielführend ist, wenn zwei Behörden für Fragen der Konzessionsvergabe und der zulässigen Höhe der Konzessionsabgaben zuständig sind2. Besser wäre hier eine gesetzliche Klarstellung dahingehend, dass diese Fragen ausschließlich in die Zuständigkeit des BKartA fallen.

Mit ausführlicher Begründung kommt der BGH zum Ergebnis, dass für Gasdurchleitungen Dritter, die mit ihren Kunden Sonderverträge abgeschlossen haben, nur die im Konzessionsvertrag vereinbarte und nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 KAV beschränkte Konzessionsabgabe für die Belieferung von Sondervertragskunden erhoben und auf den Netznutzer umgelegt werden darf. Der BGH gesteht zu, dass die Bestimmung des zum 31.07.1999 eingeführten § 2 Abs. 6 KAV mehrdeutig sei. Nach der zweiten grundlegenden Novellierung des Energiewirtschaftsrechts 2005 sei indessen der Charakter des jeweiligen Liefervertrags auch im Rahmen des Vergleichs nach § 2 Abs. 6 KAV unabhängig von der Gestaltung der Versorgungstarife des Netzbetreibers entscheidend. Die Vorschrift des § 2 Abs. 6 KAV behalte auch bei dieser gewandelten Auslegung einen sinnvollen, dem Willen des Normgebers entsprechenden Inhalt. Sie diene zunächst der Klarstellung, dass Konzessionsabgaben auch in Bezug auf Durchleitungen Dritter vereinbart werden können. Darüber hinaus beschränke sie zusätzlich zu § 2 Abs. 2 und 3 KAV solche Konzessionsabgaben auf die für eigene Lieferungen des Netzbetreibers vereinbarten Sätze. Sie verwirkliche im neuen rechtlichen Rahmen die Gleichbehandlung der Netznutzer im Verhältnis zum Netzbetreiber und Konzessionsnehmer sowie die Wettbewerbsneutralität der Konzessionsabgaben. Dem Grundversorger stehe es schließlich frei, Haushaltskunden auch Sonderkundenverträge anzubieten. Die unterschiedliche Höhe der Konzessionsabgabe benachteilige ihn daher im Wettbewerb nicht. Würde hingegen § 2 Abs. 6 KAV vertikal integrierten kommunalen Grundversorgern ermöglichen, ohne eigenen Nachteil durch einen Verzicht auf Sonderkundenangebote das Kostenniveau aller Netznutzer anzuheben, liefe dies dem gesetzgeberischen Ziel zuwider, eine preisgünstige Energieversorgung bei wirksamem Wettbewerb zu fördern. Auf die Tarifstruktur des Konzessionsnehmers und damit Netzbetreibers kann es im Übrigen alleine deshalb schon nicht ankommen, weil dieser keineswegs zwingend der Grundversorger sein muss.3 Dies ist nicht nur bei der zwischenzeitlich abgeschlossenen rechtlichen Entflechtung nach § 7 EnWG der Fall, vielmehr kommt es bei „kommunalen Netzübernahmen“ vom bisherigen Regionalversorger regelmäßig dazu, dass der Regionalversorger Grundversorger bleibt, da er auch weiterhin die meisten Kunden im Netzgebiet hat.

Man könnte das vom BGH gefundene Ergebnis vielleicht auch einfacher auf den Punkt bringen: Tarifkunden im Sinne der KAV sind Kunden, die in der Grund- oder Ersatzversorgung (§§ 36 und 38 EnWG) sind, wie es § 1 Abs. 3 KAV unmissverständlich anordnet. Alle anderen Kunden sind Sonderkunden (§ 1 Abs. 4 KAV). § 2 Abs. 6 ändert an diesem Grundsatz nichts und hat lediglich die Bedeutung, dass Dritte nicht diskriminiert werden dürfen. Er verbietet insbesondere, von Dritten eine höhere Sonder-KA zu verlangen, als vom „eigenen“ Vertrieb, was ansonsten (von §§ 19, 20 GWB abgesehen) nicht von vornherein ausgeschlossen wäre, sind doch die Beträge in § 2 Abs. 2 und 3 KAV lediglich Höchstbeträge.

Zu Recht bejaht der BGH schließlich durch das Verhalten des Gasversorgers eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs in einer auf dem Markt erheblichen Weise (§ 19 Abs. 4 GWB), sodass der Entscheidung im Ergebnis und in der Begründung zuzustimmen ist.

1 Die Entscheidung, welche am 22.4.2013 auf der Webseite des BGH veröffentlicht wurde, finden Sie im vollen Wortlaut auf unserem Portal unter DokNr 13001964; vorgehend OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2011 - VI-3 Kart 1/11 V, VW-DokNr 12001217 mit Anm. Wolf VW-DokNr 12001376 = Versorgungswirtschaft 2012 (Heft 2), 53; vorgehend Beschluss des BKartA vom 11.09.2009 - B 10 - 11/09

2 Siehe für den umgekehrten Fall der problematischen Zuständigkeit, hier der BNetzA: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2012 - VI-3 Kart 137/12 (V), DokNr. 13001937 mit Anm. Brändle in Versorgungswirtschaft 2013, 159; VW-DokNr. 13002368

3 BGH, a.a.O. Tz 35, wobei die Argumentation ab dem viertletzten Satz nicht mehr so recht nachvollziehbar ist.

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