Negatives Eigenkapital in der Anreizregulierung – wie wird es behandelt?
Abstract
Die Autoren Claudio Di Gaudio und Franklin Hünger stellen die Frage: Negatives Eigenkapital in der Anreizregulierung - wie wird es behandelt? Betrachtet man ein Gesamtunternehmen, so ist negatives Eigenkapital bei Kapitalgesellschaften Ausdruck einer Überschuldungssituation, die in aller Regel auf unzureichende Geschäftserfolge zurückzuführen ist. Negatives Eigenkapital im Kontext der Netzkostenermittlung nach GasNEV ist hingegen zumeist das Ergebnis notwendiger Zuordnungs- und Schlüsselungsentscheidungen, die bei der Ableitung von Teilbilanzen für einzelne Geschäftsbereiche zu treffen sind. Der Umgang mit negativem betriebsnotwendigen Eigenkapital im Rahmen der Netzkostenprüfung erfährt durch die zurzeit von den Regulierungsbehörden vorgenommene Ermittlung des Ausgangsniveaus für die Bestimmung der Erlösobergrenzen in der Anreizregulierung eine besondere Aktualität. Der BGH hat die Kosten mindernde Berücksichtigung einer negativen Eigenkapitalverzinsung dem Grunde nach bestätigt. Die Frage, in welcher Höhe das negative Eigenkapital einer Verzinsung zuzuführen ist, untersuchen die Autoren anhand eines mit Zahlenberechnungen unterlegten Fallbeispiels.
Leseprobe
- von Dipl.-Kfm. Claudio Di Gaudio und Dipl.-Vw. WP, StB Franklin Hünger, Duisburg -
1. Einleitung
Mit Beschluss vom 3. März 2009 hat der BGH (Az.: EnVR 79/07)1 die Kosten mindernde Berücksichtigung einer negativen Eigenkapitalverzinsung dem Grunde nach bestätigt und insoweit die Entscheidung des OLG Düsseldorf aus 2007 (Az.: VI-3 Kart 8/07 (V)) revidiert. Im Rahmen der Begründung beziehen sich die obersten Richter auf die Regelung des § 4 Abs. 5 GasNEV. Demnach kann für den vorliegenden Fall einer rechtlichen Entflechtung durch das sog. Pachtmodell der Pachtzins als aufwandsgleiche Kostenposition nur dann in voller Höhe berücksichtigt werden, wenn die Verpachtung für den Netznutzer nicht zu einer Erhöhung der Netzentgelte führt. Diese ergäbe sich aber, wenn durch die fehlende Verzinsung negativen Eigenkapitals Teile des Abzugskapitals unberücksichtigt blieben.
Mit dem in 2010 eingeführten § 4 Abs. 5a GasNEV hat der Verordnungsgeber den für Pachtentgelte vorgesehenen Anerkennungsvorbehalt auch auf Entgelte für die Dienstleistungserbringung durch Dritte erweitert. Auch in Dienstleistungsbeziehungen ist folglich von einer Berücksichtigung negativen Eigenkapitals auszugehen, das jedoch - anders als in der durch den BGH entschiedenen Konstellation - vielfach bereits beim Leistungssender entsteht.
Der Umgang mit negativem betriebsnotwendigen Eigenkapital im Rahmen der Netzkostenprüfung erfährt durch die zurzeit von den Regulierungsbehörden vorgenommene Ermittlung des Ausgangsniveaus für die Bestimmung der Erlösobergrenzen der zweiten Anreizregulierungsperiode eine besondere Aktualität.
Dem BGH-Beschluss Rechnung tragend wird es dabei regelmäßig nicht mehr auf die Frage ankommen, ob im Einzelfall negatives Eigenkapital einer angemessenen Verzinsung zuzuführen ist, sondern vielmehr in welcher Höhe. Hierzu gibt das Gericht jedoch keine ausdrücklichen Hinweise, so dass die Entscheidung interpretationsbedürftig ist. Als Interpretationshilfen können gleichwohl die weiteren Entscheidungsgründe herangezogen und mit den Kalkulationsvorschriften der GasNEV sowie allgemeinen regulatorischen und betriebswirtschaftlichen Überlegungen sachlogisch verknüpft werden.
Die Frage nach der angemessenen Höhe einer Verzinsung negativen Eigenkapitals soll im Folgenden anhand eines Zahlenbeispiels vertieft werden. Der hier gewählte Fall einer rechtlich entflochtenen, sog. kleinen Netzgesellschaft, die das Gasnetz auf der Grundlage umfassender Pacht- und Dienstleistungsverträge betreibt, wurde aus Gründen der Anschaulichkeit gewählt. Die abzuleitenden Aussagen lassen sich aber auch auf andere Strukturen der Entflechtung übertragen.
1 vkw-online.eu DokNr. 11001068