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Titel: Verfassungswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen und Mieten
Behörde / Gericht: Finanzgericht Hamburg
Datum: 29.02.2012
Aktenzeichen: 1 K 138/10
Gesetz: GewStG
Artikeltyp: Rechtsprechung
Kategorien: Gewerbesteuer
Dokumentennummer: 12001475

Verfassungswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen und Mieten

- Beschluss des FG Hamburg vom 29.02.2012 - 1 K 138/10 -

Das Finanzgericht Hamburg hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die ab dem Jahr 2008 wesentlich geänderte gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen und Mieten mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist (Beschluss vom 29.2.2012, 1 K 138/10). Im Bereich des Steuerrechts, so das Finanzgericht, fordere der allgemeine Gleichheitssatz eine gleichmäßige Belastung aller Steuerpflichtigen nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Werden bei einer Besteuerung nicht die Aufwendungen des Betriebs berücksichtigt, liege ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vor, soweit dies nicht durch besondere Umstände gerechtfertigt sei.

Bei der Ermittlung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage werden im Rahmen des § 8 Nr. 1 GewStG unter anderem Zinsaufwand, Miet- und Pachtzinsen, aber teilweise auch Konzessions- und Lizenzzahlungen hinzugerechnet. Unter Berücksichtigung des anhängigen Verfahrens können betroffenen Unternehmen gegen Gewerbesteuerfestsetzungen Rechtsmittel einlegen und das Ruhen des Verfahrens beantragen.

Zugrunde liegendes Verfahren

In dem zugrunde liegenden Verfahren pachtete die Klägerin die für ihren Tankstellenbetrieb wesentlichen Wirtschaftsgüter. Die Pachtzinsen wurden im Rahmen der Einkommen- beziehungsweise Körperschaftsteuer als Betriebsausgaben berücksichtigt und minderten den zu versteuernden Gewinn. Anders verhielt es sich jedoch bei der Gewerbesteuer, bei der die Beträge dem Gewinn wieder hinzugerechnet werden, um die Gewerbesteuer zu berechnen.

Verfassungswidrigkeit gewerbesteuerlicher Vorschriften

Das FG hält die zugrundeliegenden Vorschriften des § 8 Nr. 1a, d und e GewStG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig. Im Bereich des Steuerrechts fordere der allgemeine Gleichheitssatz eine gleichmäßige Belastung aller Steuerpflichtigen nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Letztere sei unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts zu bestimmen, so das FG. Erwirtschafte der Gewerbetreibende mit seinem Betrieb einen Ertrag und werde dieser besteuert, ohne Aufwendungen - wie etwa im Streitfall die Pachtzinsen - zu berücksichtigen, sei das sogenannte Ist-Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt.

Keine Rechtfertigungsgründe

Der 1. Senat führt in seinem Beschluss aus, dass eine Verletzung zwar gerechtfertigt sein könne oder auch eine Besteuerung der bloßen Soll-Leistungsfähigkeit bzw. des Eigentumsbestandes möglich sei. Voraussetzung seien jedoch Rechtfertigungsgründe, die dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip mindestens gleichrangig seien. Der 1. Senat hält die bisher angenommenen Rechtfertigungsgründe (z.B. Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer, Äquivalenzprinzip, Gleichstellung des Fremdkapitaleinsatzes mit dem Eigenkapitaleinsatz) für unzureichend. Gleiches gelte für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen.

Gewerbesteuer selbst keine abziehbare Betriebsausgabe

Die 2008 in Kraft getretene Regelung, nach der die Gewerbesteuer selbst keine bei der Gewinnermittlung abziehbare Betriebsausgabe mehr ist, hält der 1. Senat hingegen trotz verfassungsrechtlicher Zweifel für anwendbar.

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