Titel: Ausschluss wegen Schlechtleistung und rechtliches Gehör
Behörde / Gericht:
Oberlandesgericht München (mit Außenstelle in Augsburg) (Bayern)
Datum: 29.01.2021
Aktenzeichen: Verg 11/20
Gesetz: GWB
Artikeltyp:
Rechtsprechung
Kategorien:
Vergaberecht
Dokumentennummer:
21006246
Ausschluss wegen Schlechtleistung und rechtliches Gehör
OLG München, Beschluss vom 29.01.2021 – Verg 11/20
Leitsätze der Redaktion:
- Entspricht eine Ausschlussentscheidung des Auftraggebers nicht den Anforderungen das § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, ist das Verfahren in das Stadium vor der Entscheidung über den Ausschluss zurückzuversetzen.
- Gemäß § 124 Abs. 1 GWB kommt ein Ausschluss eines Bieters nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht. Daraus folgt die Pflicht des Auftraggebers, dem Unternehmen vor seinem Ausschluss rechtliches Gehör zu verschaffen, damit es unter anderem die Möglichkeit erhält, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Nachbesserungsmaßnahmen darzulegen. Zudem ist die vorherige Anhörung auch im Hinblick auf die erforderliche Prognoseentscheidung von erheblicher Bedeutung.
- Vor einem Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen und zu dokumentieren, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten ist, dass er den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob die zu beauftragenden Leistungen von dem gleichen Personal wie bei einem gekündigten früheren Vertrag ausgeführt werden würde.
- Der Ausschluss eines Bieters nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB liegt im Ermessen des Auftraggebers. Die Ermessensentscheidung ist von den Nachprüfungsinstanzen allerdings nur daraufhin zu überprüfen, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt wurde (Ermessensausfall), ob eine Maßnahme getroffen wurde, die sich nicht mehr in dem durch die Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen hält (Ermessensüberschreitung) und ob eine Ermessensfehlgebrauch vorliegt. Dies ist der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber relevante Aspekte nicht berücksichtigt, sich auf sachfremde Erwägungen stützt oder Aspekten ein Gewicht beimisst, das ihnen nicht zukommt.
- Es liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, wenn der öffentliche Auftraggeber relevante Aspekte wie eine über 12 Jahre beanstandungsfreie Zusammenarbeit nicht berücksichtigt. Der Wunsch nach einem anderen Auftragnehmer ist per se noch kein Grund für den Ausschluss eines Bieters.
- Eine Stellungnahme des ausgeschlossenen Unternehmens in einem etwaigen Nachprüfungsverfahren zu seinem erfolgten Ausschluss ersetzt ebenfalls keine Anhörung mit nachfolgender ergebnisoffener Prognose- und Ermessensentscheidung durch den Auftraggeber.
Bitte den Beschluss über unten stehenden Link öffnen.