Titel: Zuordnung eines Stromliefervertrags durch Netzbetreiber
Behörde / Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen)
Datum: 02.03.2023
Aktenzeichen: 5 U 1/22
Gesetz: EnWG, UWG
Artikeltyp:
Rechtsprechung
Dokumentennummer:
23078012
Zuordnung eines Stromliefervertrags durch Netzbetreiber
– OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.03.2023 – 5 U 1/22 –
Leitsätze des Gerichts:
- Bei Ausfall des vertraglichen Lieferanten im Rahmen der Versorgung in einer höheren Spannungsebene und damit außerhalb der Ersatz- und Grundversorgung setzt eine Weiterbelieferung eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zwischen dem Letztverbraucher und dem Versorger voraus. Der Letztverbraucher kann entweder vorsorglich einen (aufschiebend bedingten) Ersatzbelieferungsvertrag oder nach Eintritt der Zuordnungslücke unverzüglich einen neuen Stromliefervertrag schließen.
- Kann der Strombezug eines solchen Letztverbrauchers dagegen keinem bestimmten Lieferanten oder Liefervertrag zugeordnet werden, darf er grundsätzlich nicht dem Bilanzkreis des örtlich zuständigen Grund- und Ersatzversorgers zugeordnet werden, weil § 38 EnWG weder direkt noch entsprechend anwendbar ist und es an einer zivilrechtlichen Anknüpfung für die bilanzielle Zuordnung der Marktlokation zu dessen Bilanzkreis fehlt. Eine gleichwohl erfolgende Zuordnung zum Grund- und Ersatzversorger verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 EnWG und die GPKE. Ist der Grund- und Ersatzversorger mit dem Netzbetreiber konzernrechtlich verbunden, liegt in der Weitergabe der Daten des Letztverbrauchers zusätzlich ein Verstoß gegen die Regelungen zur sogen. informatorischen Entflechtung (Unbundling), insbes. gegen das Vertraulichkeitsgebot des § 6a Abs. 1 EnWG.
- Eine lediglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Netzbetreibers vorbehaltene Ermächtigung, die Entnahmestelle eines Letztverbrauchers im Falle des Auftretens einer Versorgungslücke an den zuständigen Grund- und Ersatzversorger zu melden und sie dessen Bilanzkreis zuzuordnen, ist diskriminierend und verstößt gegen § 20 Abs. 1 EnWG, da Grund- und Ersatzversorgern außerhalb des Anwendungsbereichs der Grund- und Ersatzversorgung keine besseren Rechte zukommen als ihren Wettbewerbern.
- §32 EnWG enthält für Zuwiderhandlungen gegen das Energiewirtschaftsgesetz im Zusammenhang mit dem Netzanschluss (§§ 17–19a EnWG) und dem Netzzugang (§§ 20–28a EnWG) spezialgesetzlich zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen auf Unterlassung, (Folgen-) Beseitigung und Schadensersatz, und zwar auch für Marktbeteiligte, gegen die sich der Verstoß nicht gezielt richtete, so dass ein Rückgriff auf die Sanktion der §§ 8, 9 UWG ausscheidet.
- Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch nach §32 Abs.1 S.2 EnWG gegenüber dem Rechtsnachfolger setzt voraus, dass in der Person der betreffenden Mitarbeiter oder Beauftragten Erstbegehungsgefahr besteht. Knüpft diese an den Netzbetrieb an, entfällt sie, wenn der Netzbetrieb nach Rechtshängigkeit ausgegliedert wird. Bei der sich aus dem Handelsregister ergebenden Ausgliederung handelt es sich um eine offenkundige Tatsache i.S.d. § 291 ZPO, die das Berufungsgericht – nach Gewährung rechtlichen Gehörs – seiner Entscheidung zugrunde legen kann.
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