Kein Einwand der Unbilligkeit von Preisen bei Wahl zwischen mehreren Gasanbietern
- Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 10.9.2009 - 2 HK O 90/09 -
Wer trotz bestehender Kündigungsmöglichkeit an einem Versorgungsvertrag festhält, handelt treuwidrig, wenn er den Vertragspartner zu einem Nachweis der Billigkeit seiner Preise zwingen will. (Leitsatz der Redaktion)
Aus den Gründen:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten gern. § 433 Abs.2 BGB die vollständige Bezahlung des Kaufpreises für das von ihr für den Verbrauchszeitraum vom 5. Dezember 2007 bis 2. Dezember 2008 aus dem klägerischen Netz abgenommene Erdgas gem. Rechnung vom 12. Dezember 2008 verlangen.
Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung der Rechnung um 147,26 € im Hinblick auf ihren Widerspruch gegen die im Verbrauchszeitraum erfolgten Gaspreiserhöhungen zum 1. Juli und 1. Oktober 2008 durch die Klägerin ist zu Unrecht erfolgt. Sie hat für das von ihr verbrauchte Gas die von der Klägerin ihrer Rechnung zugrunde gelegten Verbrauchspreise und nicht nur die bis zum 1. Juli 2008 geltenden Preise zu bezahlen.
Dabei konnte dahinstehen, ob es sich bei dem Gasbezugsverhältnis der Parteien um ein Tarifvertragsverhältnis oder ein Sondervertragsverhältnis handelt; in beiden Fällen gilt nämlich mangels ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarung der Parteien die GasGVV (Gasgrundversorgungsverordnung), welche die Klägerin zu einseitigen Preisanpassungen, also auch zu Preiserhöhungen, berechtigt.
Mit ihrem Einwand, die von der Klägerin nach den Erhöhungen von Juli und Oktober 2008 geforderten Gaspreise seien unbillig (§ 315 Abs.3 BGB), kann die Beklagte nicht gehört werden.
Wie die Klägerin unbestritten ausgeführt hat, bieten seit dem Jahre 2007 in ihrem Versorgungsbereich eine Vielzahl anderer (Konkurrenz-)Unternehmen den Verbrauchern Gas an, von denen sich die Beklagte hätte versorgen lassen können, was sie indessen ungeachtet ihres gem. § 5 Abs. 3 GasGVV bestehenden Sonderkündigungsrechtes im Falle von Preiserhöhungen nicht getan hat. Vielmehr hat sie an dem Versorgungsvertrag mit der Klägerin festgehalten.
Wer aber, wie die Beklagte, an einem Versorgungsvertrag trotz bestehender Kündigungsmöglichkeit festhält, handelt treuwidrig (§ 242 BGB), wenn er den Vertragspartner zu einem Nachweis der Billigkeit seiner Preise zwingen will (vgl. LG München II, Urteil vom 24.05.07 - 8 S 6848/06 - so auch Kammerurteil vom 15.06.09 - 2 HK 0 34/09 - betreffend einen Stromlieferungsvertrag, rechtskräftig).
Soweit die Beklagte im Zusammenhang mit der Öffnung der Gasmärkte die Auffassung vertritt, es bestehe auf den Märkten der leitungsgebundenen Energieversorgung kein funktionsfähiger Wettbewerb, und das Netzentgelt und auch die Erzeugerpreise seien auf Grund verfestigter Marktstrukturen überhöht, bedarf diese Frage im Streitfall keiner Klärung durch die Kammer. Entscheidend ist, dass die Beklagte die Wahl zwischen mehreren Gasanbietern hatte und ungeachtet dessen an der Klägerin als Versorger festhalten hat.
Wenn die Preise aller Anbieter überhöht sind, wie die Beklagte meint, ist es Aufgabe der Kartellbehörden, dagegen einzuschreiten. Als Einwand gegenüber einer Kaufpreisforderung aus einem Gasliefervertrag kann dieses Argument keine Geltung beanspruchen.
Nach alledem war der Klage stattzugeben.