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Titel: Finanzgerichte
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Ausgewählte Änderungen im Umsatzsteuerrecht durch das »Kroatiengesetz« (StÄndAnpG-Kroatien)

- von Dipl.-Bw.(FH)/Dipl.-Vw./Dipl.-Hdl. Martin Kronawitter, Untergriesbach -

Das »Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften« (StÄndAnpG-Kroatien) - Beschluss des Bundestages am 3.7.2014, Zustimmung des Bundesrates am 11.7.2014 - umfasst etliche materielle und redaktionelle Korrekturen im Steuerrecht, die bei weitem nicht nur mit dem EU-Beitritt Kroatiens zusammenhängen. Für öffentliche Betriebe und Versorgungsbetriebe sind insbesondere die umsatzsteuerrechtlichen Anpassungen von Interesse; dazu zählt die Mindestbemessungsgrundlage bei nahe stehenden Personen oder die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen (z.B. bei der Erstellung von Wasserhausanschlüssen).

1. Mindestbemessungsgrundlage bei nahe stehenden Personen

Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) und beim innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger (oder ein Dritter) aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 1 bis 3 UStG). Gleichwertig brauchen sich Leistung und Gegenleistung nicht gegenüberstehen.1 Das bedeutet, dass das Entgelt selbst dann die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bildet, wenn der Preis für die Lieferung oder Leistung offensichtlich zu niedrig oder überhöht ist.

Bei unentgeltlich erbrachten Lieferungen oder Leistungen gewährleistet § 10 Abs. 4 UStG eine angemessene Umsatzversteuerung. Bspw. wird der Umsatz bemessen

  1. bei Lieferungen i.S.d. § 3 Abs. 1b UStG (Entnahme eines Gegenstands für Zwecke außerhalb des Unternehmens; unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands) nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
  2. bei sonstigen Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG (Verwendung eines Gegenstands für Zwecke außerhalb des Unternehmens oder für den privaten Bedarf des Personals) nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit es dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 €, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG (fünf Jahre bei beweglichen Gegenständen; zehn Jahre bei Gebäuden) entspricht;
  3. bei sonstigen Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG (unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung für Zwecke außerhalb des Unternehmens oder für den privaten Bedarf des Personals) nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gilt es wiederum einmalig oder auf den fünf- bzw. zehnjährigen Berichtigungszeitraum mit einzubeziehen.

Nach § 10 Abs. 5 UStG bemisst sich der Wert einer entgeltlichen, aber verbilligten Lieferung oder sonstigen Leistung an eine dem Unternehmer nahe stehende Person oder an sein Personal oder dessen Angehörige grundsätzlich nach den Kosten i.S.d. § 10 Abs. 4 UStG, wenn diese das tatsächliche Entgelt übersteigen (Mindestbemessungsgrundlage). Es muss sich um einen steuerbaren Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG handeln.2 Bislang berücksichtigt die Regelung dabei nicht, dass die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 UStG die Gefahr von Steuerhinterziehung oder zumindest von Steuerumgehungen voraussetzt. Die obersten Gerichte3 erkennen diese Gefahr nicht, wenn das vereinbarte Entgelt dem marktüblichen Entgelt entspricht, der Unternehmer seine Leistung i.H.d. marktüblichen Entgelts versteuert oder die Kosten nach § 10 Abs. 4 UStG höher wären als das marktübliche Entgelt.4

Das FG München5 geht noch einen Schritt weiter und verneint - anders als (noch) der BFH6 und die Verwaltung7 - generell die Gefahr der Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung, wenn die Leistung an einen zwar nahe stehenden, aber vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer erfolgt. In Kürze wird sich der BFH im Revisionsverfahren XI R 44/12 mit dieser Frage erneut befassen, wobei der Senat die Ausführungen des EuGH in den Rs. Balkan and Sea Properties/Provadinvest bewerten muss. Im Urteil vom 26.4.20128 hat der Gerichtshof angemerkt, dass keine Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung stattfinden könne, wenn die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen zu einem künstlich niedrigen oder hohen Preis erfolgt, der zwischen den Beteiligten vereinbart wird, und die Beteiligten jeweils zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind. Erst beim Endverbraucher oder bei einem eine »Mischung« von Umsätzen bewirkenden Steuerpflichtigen, der nur zu einem Prorata-Abzug berechtigt ist, kann ein künstlich hoher oder niedriger Preis zu einem Steuerausfall führen.

Bei verbilligten Lieferungen oder sonstigen Leistungen an fremde Dritte geht der Gesetzgeber von unternehmerischen Motiven aus, die aus umsatzsteuerlicher Sicht nachvollziehbar und nicht mit Hilfe von § 10 Abs. 5 UStG zu korrigieren sind.

Infolge der Anpassung des § 10 Abs. 5 UStG durch das »Kroatiengesetz« wird der Umsatz künftig höchstens nach dem marktüblichen Entgelt bemessen, d.h. nach der Gegenleistung, welche ein fremder Dritter üblicherweise am Ort der Leistungserbringung für vergleichbare Leistungen aufzubringen hat. Die Einfügung des Satzes 2 dient der Klarstellung, dass sich der Umsatz bei Zahlungen eines überhöhten Entgeltes nach den umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen des Entgeltbegriffes gemäß § 10 Abs. 1 UStG zu richten hat.9 Die Änderungen treten hierbei am Tag nach der Verkündung im BGBl in Kraft (Art. 28 Abs. 1 StÄndAnpG-Kroatien).

§ 10 Abs. 5 UStG erhält nach dem StÄndAnpG-Kroatien folgende Fassung, wobei die Änderung hier fett und kursiv dargestellt ist:

»Absatz 4 gilt entsprechend für

  1. Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahe stehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahe stehende Personen ausführen,
  2. 2. Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige (i.S.d. § 15 AO) aufgrund des Dienstverhältnisses ausführt,

wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

Im Ergebnis wird durch die Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 UStG) erreicht, dass verbilligte Lieferungen oder sonstige Leistungen an nahe stehende Personen zumindest in der Höhe umsatzversteuert werden wie unentgeltliche Wertabgaben (§ 10 Abs. 4 UStG). Es gilt zu verhindern, dass die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe durch die Vereinbarung eines unbedeutend niedrigen Entgelts umgangen werden kann. Beispielhaft sind folgende Sachverhalte für die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage zu nennen:

  • Aus dem Zusammenspiel zwischen Abs. 5 und Abs. 4 des § 10 UStG resultiert, dass verbilligte Lieferungen z.B. einer Eigengesellschaft (GmbH) gegenüber ihrem Anteilseigner (jPdöR) mit dem Einkaufspreis zzgl. Nebenkosten oder - falls kein Einkaufspreis feststellbar ist - mit den Selbstkosten (jeweils netto) der Umsatzsteuer unterworfen werden, es sei denn, im Vergleich mit einem fremden Dritten ergibt sich ein niedrigeres marktübliches Entgelt; in diesem Fall wäre das niedrigere marktübliche Entgelt Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG).
  • Verbilligte sonstige Leistungen z.B. einer Eigengesellschaft gegenüber ihrem Anteilseigner (jPdöR), insbesondere in Form der Überlassung von Gegenständen, werden nach den entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, bemessen. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts sind voll oder zeitlich gestreckt über den Berichtigungszeitraum des § 15a UStG mit einzurechnen (§ 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG).
  • Lieferungen und sonstige Leistungen, welche aufgrund des Dienstverhältnisses an das Personal oder dessen Angehörige ausgeführt werden, sind ausgehend von den entstandenen Ausgaben Umsatz zu versteuern (§ 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 UStG).

In Zahlen ausgedrückt, führen das vereinbarte Entgelt, das marktübliche Entgelt und die entstandenen Ausgaben nach einer Erörterung durch die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zu folgenden Bemessungsgrundlagen:10

Kommt die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG zur Anwendung, muss diese sowie der darauf entfallende Steuerbetrag in der jeweiligen Rechnung ausgewiesen werden (A 14.9 Abs. 1 UStAE).

Betriebe gewerblicher Art von jPdöR (BgA; § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) zählen weder zu den »Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes« noch zu den nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen oder Gemeinschaften, die von der Mindestbemessungsvorschrift des § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UStG erfasst sind. Somit kann ein BgA seine Lieferungen oder sonstigen Leistungen gegenüber der Trägerkörperschaft zu verbilligten Preisen abrechnen, ohne dass dies - umsatzsteuerlich - zu einer Korrektur führen würde. Die gesetzliche Regelung ist insoweit eindeutig und auch keiner entgegengesetzten Auslegung zugänglich.11 Den Mitgliedstaaten steht es nach Art. 80 MwStSystRL frei, eine Besteuerung nach einer Mindestbemessungsgrundlage vorzusehen. Eine Pflicht, Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu treffen, besteht laut der EU-Richtlinie nicht. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber bewusst nur die Leistungen privater Rechtsträger in die Sonderregelung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG einbezogen.12

2. Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen

Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG wird durch das »Kroatiengesetz« in den Sätzen 2 und 7 des § 13b Abs. 5 UStG neu geregelt. § 13b Abs. 5 Satz 5 UStG betrifft den im öffentlichen Bereich selten anzufindenden Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger bei Reinigungsleistungen.

Für Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen, schuldet der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer, wenn er ein Unternehmer ist, der selbst solche Leistungen erbringt (§ 13b Abs. 5 Satz 2 UStG). Dem bisherigen Wortlaut des Gesetzes nach wären davon bspw. auch Wasserversorgungsunternehmen betroffen gewesen, wenn sie für die Kunden den Hausanschluss legen.

Allerdings ging die Finanzverwaltung (A 13b.3 Abs. 2 und 3 UStAE i.d.F. vor dem BMF-Schreiben v. 5.2.2014) davon aus, dass ein Unternehmer nur dann nachhaltig Bauleistungen erbringt, wenn die Summe seiner Umsätze im vorangegangenen Kalenderjahr zu mehr als 10% aus Bauleistungen besteht oder im Zeitpunkt der Leistungsausführung eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorliegt.

Mit Urteil vom 22.8.201313 hat der BFH entschieden, dass es auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten bauwerksbezogenen Werklieferungen oder sonstigen Leistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 UStG an den insgesamt von ihm erbrachten steuerbaren Umsätzen nicht ankommt. Gegen die einschränkende 10%-Regel der Finanzverwaltung spricht, dass es auch hierdurch dem Leistenden nicht ermöglicht wird, zuverlässig zu beurteilen, ob er oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner für die erbrachte Leistung ist. Des Weiteren hat das oberste Finanzgericht die Leistung eines Bauträgers als Grundstücklieferung und nicht als Bauleistung angesehen.

Das BMF hat mit Schreiben vom 5.2.201414 auf das erwähnte BFH-Urteil reagiert und die 10%-Regel - ohne Übergangsfrist - gestrichen. Bei Umsätzen, die nach dem Tag der Veröffentlichung des Schreibens im BStBl (14.2.2014) ausgeführt werden, gibt es somit keine Ausschlussgrenze mehr. Der Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten Bauleistungen an den insgesamt von ihm erbrachten steuerbaren Umsätzen ist belanglos. Eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft erfolgt schon, falls der Leistungsempfänger die empfangene Leistung seinerseits zur Erbringung einer Bauleistung verwendet. Die Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG des Leistungsempfängers gilt bloß noch als Indiz dafür, dass dieser Bauleistung ausführt.

Wie Bottner in Heft 6/201415 thematisch aufbereitete, hat die geänderte Verwaltungspraxis durchaus Auswirkungen auf Versorgungsunternehmen. Diese erbringen mit dem Legen von Hausanschlüssen Bauleistungen (Erdarbeiten, Mauerdurchbruch, Installation der Hausanschlüsse, Verlegung der Hausanschlussleitungen vom Netz des Versorgungsunternehmens zum Hausanschluss), die - nach fehlgeleiteter Ansicht des BMF16 - in den Anwendungsbereich des § 13b UStG fallen.

Mit dem StÄndAnpG-Kroatien wird die vom BMF angewandte BFH-Rechtsprechung 17ausgehebelt . Nunmehr soll sich schon aus dem Gesetz ergeben, dass der Leistungsempfänger ausschließlich dann Steuerschuldner für eine an ihn erbrachte Bauleistung ist, wenn er selbst nachhaltig Bauleistungen ausführt. Das Nachhaltigkeitskriterium gilt hierbei als erfüllt, sofern das zuständige Finanzamt dem Leistungsempfänger eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige entsprechende Bescheinigung erteilt hat. Jene weicht von der Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG ab und wird zeitgleich mit der Gesetzesänderung herausgegeben. Hat das Finanzamt dem Unternehmer eine Bescheinigung ausgestellt, ist er als Leistungsempfänger sogar Steuerschuldner, falls er die Bescheinigung gegenüber dem leistenden Unternehmer nicht verwendet.18 Gegen die Rechtsprechung muss der Leistungsempfänger die erbrachte Dienstleistung nicht zur Ausführung einer Bauleistung verwenden.

§ 13b Abs. 5 Satz 2 UStG erhält folgende Fassung:

»In den in Absatz 2 Nummer 4 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 4 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt.«

Die 10%-Regel der Finanzbehörden ist im Gesetzestext - anders als im Regierungsentwurf - nicht enthalten. Vielmehr heißt es in der letztlich angenommenen Beschlussempfehlung des Finanzausschusses:19 »Ein Unternehmer erbringt jedenfalls dann nachhaltig Bauleistungen, wenn er zumindest zehn Prozent seines Weltumsatzes als Bauleistungen erbringt. Dies bedarf allerdings keiner gesetzlichen Festschreibung, da Rechtssicherheit für die Beteiligten durch die festgelegte Bescheinigungspraxis erreicht wird. Diese Regelung sieht vor, dass die zuständige Finanzbehörde dem Leistungsempfänger eine Bescheinigung ausstellt, aus der sich die nachhaltige Tätigkeit des Unternehmers ergibt. Bei Erteilung dieser Bescheinigung kann aus Vereinfachungsgründen auf den Weltumsatz des im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung abgelaufenen Besteuerungszeitraums abgestellt werden, für den dem Finanzamt bereits Umsatzsteuer-Voranmeldungen bzw. Erklärungen für das Kalenderjahr vorliegen. Hat ein Unternehmer zunächst keine Bauleistungen ausgeführt oder nimmt er seine Tätigkeit in diesem Bereich erst auf, stellt das Finanzamt dem Unternehmer eine Bescheinigung aus, wenn er nach außen erkennbar mit ersten Handlungen zur nachhaltigen Erbringung von Bauleistungen begonnen hat und die Bauleistungen voraussichtlich mehr als zehn Prozent des Weltumsatzes betragen werden. Eine entsprechende Regelung ist nach der Gesetzesänderung im Umsatzsteuer-Anwendungserlass aufzunehmen.«

Die vom Bundesrat gewünschte Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für Bauleistungen an Bauträger wird nicht aufgegriffen. Unternehmer die nachhaltig eigene Grundstücke nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG steuerfrei veräußern, sind hinsichtlich der bezogenen Bauleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.20

Um eine rechtssichere Abwicklung zur Verlagerung der Steuerschuld zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Leistungsempfänger zu erreichen, wird in § 13b Abs. 5 UStG folgender Satz 7 eingefügt:

»Sind Leistungsempfänger und leistender Unternehmer in Zweifelsfällen übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b, Nummer 7 bis 11 ausgegangen, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen.«

Zu Steuerausfällen kommt es nicht, falls der Leistungsempfänger den an ihn erbrachten Umsatz in zutreffender Höhe versteuert hat.21

Die Änderungen an der Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen treten am 1.10.2014 in Kraft (Art. 28 Abs. 4 StÄndAnpG-Kroatien). Unternehmer als auch die Finanzämter benötigen für die Beantragung und Ausstellung der neu eingeführten Bescheinigung einen zeitlichen Vorlauf.22 Für Versorgungsunternehmen bleibt zu hoffen, dass das BMF eine Nichtbeanstandungsregelung findet, wonach Umsätze im Zusammenhang mit Bauleistungen, die zwischen dem Tag der Veröffentlichung des Schreibens vom 5.2.201423 im BStBl (14.2.2014) und Inkrafttreten der Neuregelung (1.10.2014) ausgeübt werden, nicht nach § 13b UStG besteuert werden, falls ein Unternehmer weniger als 10% seiner gesamten Umsätze mit Bauleistungen erwirtschaftet.

Der neue § 27 Abs. 19 UStG befasst sich mit den Folgen, wenn der Leistungsempfänger im Glauben an die Umkehr der Steuerschuld die Umsatzsteuer für Bauleistungen entrichtet hat und eine nachträgliche Erstattung der Steuer fordert:

»(19) Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. § 176 der Abgabenordnung steht der Änderung nach Satz 1 nicht entgegen. Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt kann auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt. Die Abtretung wirkt an Zahlung statt, wenn

  1. der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt,
  2. die Abtretung an das Finanzamt wirksam bleibt,
  3. dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis angezeigt wird, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat, und
  4. der leistende Unternehmer seiner Mitwirkungspflicht nachkommt.«

Nach dem BMF-Schreiben vom 5.2.2014,24 mit dem das BFH-Urteil V R 37/1025 allgemein angewandt wird, brauchen der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger hinsichtlich der bis zum 14.2.2014 ausgeführten Umsätze ihre Umsatzsteuerfestsetzungen nicht mehr ändern, falls sie einvernehmlich die seinerzeitigen geltenden Verwaltungsanweisungen berücksichtigt haben. Eine Notwendigkeit von Rechnungsberichtigungen besteht nicht.

Macht der Leistungsempfänger für vor dem 15.2.2014 an ihn erbrachte Leistungen von dieser »Nichtbeanstandungsregelung« keinen Gebrauch (mehr), wird die gesetzlich entstandene Umsatzsteuer sodann gegen den leistenden Unternehmer festgesetzt. Dieser kann jedoch die Steuerschuld durch Abtretung seiner Forderung gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer erfüllen.26

3. Vorsteuerabzug bei teilunternehmerisch genutztem Grundstück

Vor dem 1.1.2011 konnten teilunternehmerisch genutzte Grundstücke (einschließlich Gebäude) zu 100% dem umsatzsteuerlichen Unternehmen zugeordnet werden. Entsprechend der EuGH-Urteile »Ambrecht«27 und »Seeling«28 durften - sofern kein Vorsteuerausschluss (§ 15 Abs. 2 UStG) greift - sämtliche Vorsteuern in Abzug gebracht werden. Im Gegenzug war die unternehmensfremde Nutzung des gemischt-genutzten Grundstücks als unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 1b und 9a UStG) zu versteuern. Durch die Einfügung des § 15 Abs. 1b UStG ist das Zuordnungswahlrecht zugunsten des Unternehmers für Neuinvestitionen nach dem 31.12.2010 entfallen. Zugleich wurde mit § 27 Abs. 16 UStG ein Bestandsschutz für Altfälle vor dem 1.1.2011 gewährt.

Mit dem Gesetzentwurf war in § 27 Abs. 16 Satz 2 UStG insofern eine Klarstellung geplant, dass Leistungen, die keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind und nach dem 31.12.2010 bezogen werden, nicht unter die Übergangsregelung fallen. Vorgesehen war die hier kursiv gedruckte Änderung:

»§ 3 Absatz 9a Nummer 1, § 15 Absatz 1b, § 15a Absatz 6a und 8 Satz 2 in der Fassung des Artikels 4 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) sind nicht anzuwenden auf Wirtschaftsgüter im Sinne des § 15 Absatz 1b, die auf Grund eines vor dem 1. Januar 2011 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft worden sind oder mit deren Herstellung vor dem 1. Januar 2011 begonnen worden ist. Ausgenommen hiervon sind Leistungen im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern im Sinne des § 15 Absatz 1b, die keine Anschaffungs- und Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter darstellen und nach dem 31. Dezember 2010 bezogen werden. Als Beginn der Herstellung gilt bei Gebäuden, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Gebäuden, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.«

In der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses29 und im in Kraft getretenen Gesetz ist die Anpassung des § 27 Abs. 16 Satz 2 UStG nicht mehr enthalten. Entgegen der nicht von Anfang an zweifelsfrei in entsprechenden BMF-Schreiben zum Ausdruck gekommenen Verwaltungsauffassung haben nach Vortrag des Deutschen Städtetages wohl zahlreiche Kommunen Vorsteuerabzüge geltend gemacht. Da nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der ursprünglich vorgesehenen Regelung von den Gerichten rückwirkender Charakter zugesprochen wird, bleibt es beim Status Quo.

1 BFH v. 22.6.1989, V R 37/84, BStBl 1989 II S. 913.

2 BFH v. 15.11.2007, V R 15/06, BStBl 2009 II S. 423 zur im dienstlichen Interesse liegenden Sammelbeförderung von Arbeitnehmern, die keine zumutbare Möglichkeit hatten, den Arbeitsort zum Arbeitsbeginn mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

3 EuGH v. 29.5.1997, C-63/96, Skripalle, Slg. 1997, I-2847; BFH v. 8.10.1997, XI R 8/86, BStBl 1997 II S. 840; BFH v. 7.10.2010, V R 4/10, BFH/NV 2011, S. 930; BFH v. 19.6.2011, XI R 8/09, BFH/NV 2011, S. 2184.

4 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/1529, S. 73.

5 FG München v. 27.11.2012, 2 K 3380/10, EFG 2013, S. 402.

6 BFH v. 24.1.2008, V R 39/06, BStBl 2009 II S. 786; a.A. noch die Vorinstanz FG Brandenburg v. 29.9.2005, 1 K 1584/03, EFG 2006 S. 379.

7 A 10.7 Abs. 6 UStAE.

8 EuGH v. 26.4.2012, Rs. C-621/10, C-129/11, Balkan and Sea Properties, Provadinvest, HFR 2012, S. 675, Rz. 47 ff.

9 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/1529, S. 73.

10 OFD Hannover v. 25.1.2001, S 7208-14-StO 355, juris. Zur Anpassung des Falls 4 vgl. Baldauf, ZKF 2014, S. 123.

11 Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, Umsatzsteuergesetz, § 2 UStG, Rz. 186.1.

12 Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, Umsatzsteuergesetz, § 2 UStG, Rz. 186.1; Baldauf, ZKF 2014, S. 123.

13 BFH v. 22.8.2013, V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128; VW-DokNr. 14002682.

14 BMF v. 5.2.2014, IV D 3 - S 7279/11/10002, BStBl 2014 I S. 233, VW-DokNr. 14002669.

15 Bottner, Versorgungswirtschaft 2014, S. 145; DokNr. 14002871.

16 Ein Wasserhausanschluss dient der »Lieferung von Wasser«; daher wird das Legen eines Wasserhausanschlusses auch ermäßigt besteuert.

17 BFH v. 22.8.2013, V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128; VW-DokNr. 14002682.

18 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 18/1995, S. 123.

19 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 18/1995, S. 123.

20 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 18/1995, S. 123.

21 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 18/1995, S. 124.

22 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf, BR-Drucks. 184/14 (B), S. 36.

23 BMF v. 5.2.2014, IV D 3 - S 7279/11/10002, BStBl 2014 I S. 233; VW-DokNr. 14002669.

24 BMF v. 5.2.2014, IV D 3 - S 7279/11/10002, BStBl 2014 I S. 233; VW-DokNr. 14002669.

25 BFH v. 22.8.2013, V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128; VW-DokNr. 14002682.

26 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 18/1995, S. 121.

27 EuGH v. 4.10.1995, C-291/92, Ambrecht, BStBl 1996 II S. 392.

28 EuGH v. 8.5.2003, C-269/00, Seeling, BStBl 2004 II S. 378.

29 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 18/1995, S. 120.

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