EnWG-Novelle 2011: Zivilrechtliche Neuregelungen
- von RA Michael Brändle -
Das Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften1, welches in seinem Artikel 1 umfangreiche Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes beinhaltet, passierte am 30.06.2011 den Bundestag2 und am 08.07.2011 den Bundesrat3 Es wurde am 03.08.2011 im Bundesgesetzblatt verkündet4 Das Gesetz trat somit am 04.08.2011 in Kraft. Allerdings enthält § 118 EnWG5einen neuen Absatz 11, nach dem die Vorschriften zum Lieferantenwechsel (§ 20a EnWG6 und eines Teils der Vorschriften zur Gestaltung von Strom- und Gasrechnungen (§ 40 EnWG) erst sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes Anwendung finden.
Dieser Beitrag stellt die zivilrechtlich relevanten Neuregelungen7 insbesondere zu den Themen Lieferantenwechsel, Messstellenbetrieb einschließlich Datenschutz, Strom- und Gasrechnungen, Tarife, Energielieferverträge, Stromkennzeichnung und Streitbeilegungsverfahren/Schlichtungsstelle, vor und gibt erste praktische Hinweise, was bei der Vertragsgestaltung schon jetzt sinnvollerweise zu berücksichtigen ist.
Veröffentlichung von Konzessionsabgabe und Netznutzungsentgelten, § 20 EnWG
Netzbetreiber haben nunmehr nach § 20 Abs. 1 Satz 1 EnWG auch die Konzessionsabgaben sowie die Netznutzungsentgelte spätestens zum 15. Oktober eines Jahres für das Folgejahr zu veröffentlichen. Sind die Netznutzungsentgelte am 15. Oktober noch nicht ermittelt, so muss jedenfalls „die Höhe der Entgelte, die sich voraussichtlich auf Basis der für das Folgejahr geltenden Erlösobergrenze ergeben wird“, veröffentlicht werden (§ 20 Abs. 1 Satz 2 EnWG). Diese Änderung ist auch für Lieferanten wichtig, welche für das Folgejahr All-Inklusive-Festpreis-Verträge anbieten wollen, welche § 3 PAngV entsprechen und damit auch wettbewerbsrechtlich zulässigerweise als Festpreisverträge bezeichnet werden. Dies ist nur möglich, wenn der Lieferant neben der EEG-Umlage, die nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglMechV ebenfalls am 15. Oktober veröffentlicht wird, die Netznutzungsentgelte der Höhe nach kennt. Eigentlich müsste er dazu auch die Steuerbelastung (insbesondere Strom- und Energiesteuer sowie Umsatzsteuer) für das Folgejahr kennen, das soll hier aber nicht weiter erörtert werden.
Lieferantenwechsel, § 20a EnWG
Mit § 20a EnWG wurde erstmals eine Regelung zum Lieferantenwechsel in das Energiewirtschaftsgesetz selbst aufgenommen. Bisher war dieser in § 14 StromNZV bzw. in § 41 GasNZV geregelt. Nach § 14 StromNZV war ein Lieferantenwechsel nur zum Ende eines Kalendermonats möglich. Für Erdgas war das schon bisher nicht der Fall8 wenn auch, nicht zuletzt im Hinblick auf die meist nur zum Ende eines Monats kündbaren Gaslieferungsverträge, der Regelfall in der Praxis. Für bisher grundversorgte Kunden ergab sich der Lieferantenwechsel zum Monatsende auch daraus, dass die Grundversorgungsverträge nur auf das Ende eines Kalendermonats gekündigt werden können (§ 20 Abs. 1 Satz 1 StromGVV und GasGVV).
Kern der Neuregelung ist, dass das Verfahren für den Wechsel des Lieferanten „drei Wochen, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Zugangs der Anmeldung zur Netznutzung durch den neuen Lieferanten bei dem Netzbetreiber … nicht überschreiten“ darf (§ 20a Abs. 2 Satz 1 EnWG). Bisher galt für Gas eine nur durch Festlegungen der Bundesnetzagentur bestimmte Frist von mindestens vier Wochen9 Für Strom galt eine Frist von mindestens einem Monat gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 StromNZV, wonach der neue Lieferant dem Netzbetreiber spätestens einen Monat vor dem beabsichtigten Beginn der Lieferung alle Entnahmestellen seiner neuen Kunden mitzuteilen hat.
Die Änderung ist wenig überraschend, stellt sie doch die Umsetzung von Art. 3 Abs. 5 lit. a) der Richtlinie 2009/72/EG10sowie von Art. 3 Abs. 6 lit. a) der Richtlinie 2009/73/EG11vom 13.07.2009 dar. Wie immer hat die Bundesrepublik Deutschland die Umsetzungsfristen nicht eingehalten, beide Richtlinien hätten bis bereits zum 02.03.2011 umgesetzt werden müssen12
Nachdem sich der Gesetzgeber darüber bewusst war, dass § 20a EnWG eine Überarbeitung der StromNZV und der GasNZV13sowie der Festlegungen der Bundesnetzagentur (GPKE und GeLi Gas) erfordert14 wird § 20a EnWG gemäß § 118 EnWG15erst ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der EnWG-Novelle 2011 in Kraft treten. Es ist davon auszugehen, dass auch StromGVV und GasGVV geändert werden, da es mit den Vorgaben des § 20a EnWG wohl nicht mehr vereinbar ist, die Grundversorgung nur auf das Ende eines Kalendermonats zur Kündigung zuzulassen.
Ohne das Inkrafttreten des Gesetzes abzuwarten, hat die Bundesnetzagentur bereits am 15.07.2011 das „Festlegungsverfahren zur Anpassung der Festlegungen zum Lieferantenwechsel“ unter den Aktenzeichen - BK6-11-150 - (Strom/GPKE) und - BK7-11-075 - (GeLi Gas) eingeleitet16 Die verfahrenseinleitenden Dokumente enthalten bereits detaillierte Änderungsvorschläge für GPKE und GeLi Gas. Den Prozess „Lieferantenwechsel“ wird es danach nicht mehr geben. Stattdessen wird ein Prozess „Kündigung“ (beim Altlieferanten) eingeführt. Die Kommunikation mit dem Netzbetreiber erfolgt einheitlich in den Prozessen „Lieferende“ und „Lieferbeginn“. Anlass für letzteren kann - neben Einzug und Inbetriebnahme einer neuen Entnahmestelle - jetzt auch der Lieferantenwechsel sein. Diese erheblichen strukturellen Änderungen, aber auch zahlreiche Änderungen im Detail, werden umfangreiche Anpassungen an der Software der Energieversorgungsunternehmen erfordern. Man darf gespannt sein, wie lange es diesmal dauern wird, bis die Systeme wieder rund laufen, nachdem es auch heute noch Netzbetreiber gibt, welche die bisherigen Vorgaben noch immer nicht so umgesetzt haben, dass ein reibungsloser und massengeschäftstauglicher (§ 20 Abs. 1 Satz 5 EnWG nF, bisher Satz 4) Betrieb tatsächlich erfolgt.
Erfolgt der Lieferantenwechsel nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist, so „kann der Letztverbraucher von dem Lieferanten oder dem Netzbetreiber, der die Verzögerung zu vertreten hat, Schadensersatz nach den §§ 249 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs verlangen“ (§ 20a Abs. 4 Satz 1), was bei Licht betrachtet nicht neu ist und nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln auch bisher schon so war, allerdings bisher mit der Schwierigkeit, dass die Fristen nicht so klar definiert waren und sich die Einzelheiten des Fristenlaufs aus Festlegungen der Bundesnetzagentur ergaben, welche keine Normqualität haben, sodass man nur auf argumentativen Umwegen zu einer Verbindlichkeit der dort genannten Fristen kommen konnte. Unter Kaufleuten konnte man mit einem Handelsbrauch (§ 346 HGB) argumentieren, was dem nicht-gewerblichen Letztverbraucher allerdings auch nicht half. Schadensersatzansprüche waren auch schon bisher möglich, aber nicht umstandslos begründbar.
Noch einfacher hat es der Letztverbraucher im Prozess durch die neue Beweislastumkehr in § 20a Abs. 4 Satz 2 EnWG. Danach trägt der Altlieferant oder der Netzbetreiber die Beweislast dafür, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Der Letztverbraucher muss im Prozess also zunächst nur die Fristversäumnis vortragen und unter Beweis stellen. Gelingt es Altlieferant oder Netzbetreiber nicht, nachzuweisen, dass ihn an der Verzögerung kein Verschulden trifft, was ihm in der Regel kaum gelingen wird, so macht er sich schadensersatzpflichtig. Der Schaden wird in der Differenz zwischen dem vom Letztverbraucher mit dem neuen Lieferanten ausgehandelten und dem an den Altlieferanten zu zahlenden Preis oder, je nach Fallgestaltung, zum Ersatzversorgungspreis bestehen.
Weiterhin ist neu, dass bei einem Lieferantenwechsel der neue Lieferant dem Letztverbraucher unverzüglich in Textform zu bestätigen hat, ob und zu welchem Termin er eine vom Letztverbraucher gewünschte Lieferung aufnehmen kann (§ 20a Abs. 1 EnWG). Insoweit werden ggf. Vertragsklauseln der Energielieferungsverträge anzupassen sein. Unverzüglich bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 BGB). Etwas merkwürdig ist allerdings, dass der neue Lieferant auch mitzuteilen hat, zu welchem Termin er die Belieferung aufnehmen kann, denn dies weiß nur der Letztverbraucher, welcher im Zweifel noch vertraglich gebunden ist, wovon der neue Lieferant nichts wissen kann. Der neue Lieferant erfährt dies nur dadurch, dass er beim Altlieferanten im Auftrag des Letztverbrauchers kündigt und abwartet, welches Vertragsende des bisherigen Vertrages ihm mitgeteilt wird. Die Pflicht, die Aufnahme der Belieferung unverzüglich zu bestätigen, kann somit nur beinhalten, dies unverzüglich nach Eingang der Rückmeldung des Neulieferanten zu tun. Bisher ging die GPKE davon aus, dass Kündigung und Netzanmeldung „grundsätzlich parallel“ erfolgen17 nach GeLi Gas „können“ diese gleichzeitig erfolgen18 Dies wäre dann nicht mehr möglich.
Im Übrigen muss es dem Neulieferanten unbenommen sein, die Bonität des neuen Kunden zu prüfen, bevor er das Zustandekommen eines Vertrages bestätigt. In der für eine Bonitätsprüfung erforderlichen Zeit wird ebenfalls kein schuldhaftes Zögern liegen können.
Am Rande sei hier noch bemerkt, dass der Bundesrat den Vorschlag machte, die Drei-Wochen-Frist bereits „gerechnet ab dem Zeitpunkt des Antrags des Letztverbrauchers beim neuen Lieferanten“ in Lauf zu setzen19 Die Bundesregierung lehnte dies in ihrer Gegenäußerung zu Recht ab20und wies darauf hin, dass mit dem Antrag noch nicht einmal ein Liefervertrag zustande käme. Weiterhin sollte nach dem Vorschlag des Bundesrats „der bisherige Anbieter dem Letztverbraucher die neuen Konditionen auf deren Grundlage sich der Letztverbraucher für einen Wechsel entschieden hat, ab dem ersten Tag nach Ablauf der Frist gewähren“. Einen „eventuellen finanziellen Ausgleich“ sollten danach die Unternehmen untereinander regeln21 Auch dies lehnte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung ab22 nachdem es in der Tat nicht begründbar ist, weshalb ausgerechnet der Altlieferant für Verzögerungen einstehen soll, welche entweder der Neulieferant oder der Netzbetreiber zu vertreten hat. Im Übrigen sei völlig unklar, nach welchen Maßstäben und auf welcher Grundlage ein „eventueller finanzieller Ausgleich“ stattfinden solle.
Schließlich hat der Netzbetreiber den Zeitpunkt des Zugangs der Anmeldung zur Netznutzung durch den neuen Lieferanten zu dokumentieren (Abs. 2 Satz 2). Das hat er im eigenen Interesse auch bisher schon getan, indem er die eingehenden EDI-Dateien mit einem Zeitstempel versah und archivierte. Im Hinblick auf die „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ (§ 43 Abs. 1 GmbHG, § 46 Abs. 3 AktG, § 347 Abs. 1 HGB i.V.m § 4 Abs. 2 EnWG „Zuverlässigkeit“) war dies auch schon bisher geboten. Insoweit ist der materielle Sinn der neuen Regelung nicht so recht klar. Vielleicht wird man aber prozessual hieraus eine Beweislastumkehr dahingehend entnehmen können, dass der Netzbetreiber dafür beweispflichtig ist, eine Netzanmeldung nicht bekommen zu haben, wenn der Neulieferant behauptet, eine solche versandt zu haben.
Messwesen, § 21b bis § 21f EnWG
Die getrennte Regelung von Messung und Messstellenbetrieb wurde aufgegeben. Zum Messstellenbetrieb gehört nunmehr „auch die Messung und eine Übermittlung der Daten an die berechtigten Marktteilnehmer“ (§ 21b Abs. 2 Satz 1 EnWG). In einer Rechtsverordnung kann allerdings vorgesehen werden, dass solange und soweit eine Messstelle noch nicht mit einem Messsystem im Sinne von § 21d Abs. 1 EnWG ausgestattet oder in ein solches eingebunden ist, auf Wunsch des betroffenen Anschlussnutzers nur die Messdienstleistung auf einen Dritten übertragen werden. Damit soll ausweislich der Gesetzesbegründung23ermöglicht werden, „Kontinuität über eine Rechtsverordnung herzustellen, soweit dies für notwendig erachtet wird“. Insbesondere wurde damit vermieden, dass die Messzugangsverordnung in ihrer derzeitigen Fassung teilweise nicht mehr passt.
„Messsystem“ ist ein neu eingeführter Terminus. Er bezeichnet den sog. „Smart Meter“ und wird in § 21d EnWG definiert als „eine in ein Kommunikationsnetz eingebundene Messeinrichtung zur Erfassung elektrischer Energie, das den tatsächlichen Energieverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegelt“. § 21e EnWG regelt detailliert die Anforderungen an Messsysteme zur Erfassung elektrischer Energie.
§ 21c EnWG regelt den Zwangseinbau von Messsystemen24für elektrische Energie bei neu angeschlossenen Gebäuden und bei Letztverbrauchern mit einem Jahresverbrauch größer 6000 Kilowattstunden und zwar ausdrücklich auch dann, wenn dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Messstellenbetreiber werden zum Einbau verpflichtet (Abs. 1) und Anschlussnutzern wird, gesetzestechnisch eigenwillig, das Recht abgesprochen („ist nicht berechtigt“), „den Einbau eines Messsystems … zu verhindern oder nachträglich wieder abzuändern“.
Hier besteht eine faktische Übergangsfrist insoweit, als dass die Einbaupflichten unter dem Vorbehalt der technischen Möglichkeit stehen, welche in § 21c Abs. 2 Satz 1 EnWG wiederum definiert ist: „Technisch möglich ist ein Einbau, wenn Messsysteme, die den gesetzlichen Anforderungen genügen, am Markt verfügbar sind.“ Die Gerätehersteller kündigen derzeit die Auslieferung zertifizierter Geräte für Herbst 2012 an. Ob dies realistisch ist, kann nicht beurteilt werden. Voraussetzung dafür wird sein, dass zuvor ein Schutzprofil und Interoperabilitätskriterien nach § 21e Abs. 2 EnWG i.V.m. einer nach § 21i EnWG zu erstellenden Rechtsverordnung überhaupt erst definiert werden und dass für die einzelnen Geräte dann in einem Zertifizierungsverfahren festgestellt wurde, dass das Schutzprofil und die Interoperabilitätsanforderungen eingehalten werden (§ 21e Abs. 4 EnWG). Dies dürfte alles noch geraume Zeit dauern. Sobald allerdings solche Geräte am Markt verfügbar sind, treten die Einbauverpflichtungen unmittelbar in Kraft.
Messeinrichtungen für Gas dürfen - nach Ablauf der Übergangsregelung für Bestandsgeräte, welche noch bis zum 31. Dezember 2012 eingebaut und bis zum nächsten Ablauf der bestehenden Eichgültigkeit genutzt (§ 21f Abs. 2 EnWG) werden dürfen - nur noch verbaut werden, „wenn sie sicher mit einem Messsystem, das den Anforderungen von § 21d und § 21e genügt, verbunden werden können“ (§ 21f Abs. 1 EnWG). Was das genau bedeutet, wird man zu gegebener Zeit erst einer noch zu schaffenden Rechtsverordnung entnehmen können25
Bezüglich der Übergangsfristen ist noch auf die Übergangsregelung des § 118b EnWG hinzuweisen. Danach bleibt § 21b Abs. 3a EnWG in der derzeitigen Fassung insoweit anwendbar, als dass die dort genannten Messeinrichtungen in den dort genannten Fällen bis zum 31.12.2012 weiterhin eingebaut werden dürfen.
Datenschutz im Messwesen, § 21g EnWG
Zu begrüßen ist, dass mit § 21g und § 21h EnWG nunmehr (endlich) spezifische datenschutzrechtliche Regelungen für den Messstellenbetrieb geschaffen wurden, was angesichts des Zwangseinbaus von Smart Metern allerdings auch unumgänglich war. Danach sind Messstellenbetreiber, Netzbetreiber und Lieferant zur Datenverarbeitung berechtigt, andere Stellen nur, wenn eine datenschutzrechtliche Einwilligung (§ 4a BDSG) des Anschlussnutzers vorliegt (§ 21g Abs. 2 EnWG). Zu welchen Zwecken die Daten verarbeitet werden dürfen, ist in § 21g Abs. 1 EnWG detailliert geregelt. Soweit ersichtlich, deckt dieser Katalog alle energiewirtschaftlichen Anforderungen ab.
Allerdings hat der Gesetzgeber mit § 21g Abs. 6 Satz 5 EnWG eine Regelung geschaffen, welche seine eigenen Bemühungen letztlich konterkariert. Der Satz lautet: „Fernwirken und Fernmessen dürfen nur vorgenommen werden, wenn der Letztverbraucher zuvor über den Verwendungszweck sowie über Art, Umfang und Zeitraum des Einsatzes unterrichtet worden ist und nach der Unterrichtung eingewilligt hat.“ Nachdem nach § 21c bzw. § 21f EnWG im Wesentlichen nur noch Smart Meter verbaut werden dürfen, stellt sich die Frage, weshalb dann ausgerechnet für die Fernmessung, also dem eigentlichen „Witz“ der Smart Meter doch eine - nach datenschutzrechtlichen Regeln jederzeit widerrufliche - Einwilligung des Letztverbrauchers erforderlich sein soll. Ob Absicht oder nicht: Hier adressiert der Gesetzgeber im Übrigen jeden Letztverbraucher, auch juristische Personen, geht somit über den Schutz personenbezogener Daten26hinaus. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut bedarf aber dennoch jegliches Fernwirken und Fernmessen der Einwilligung.
§ 21g Abs. 6 Satz 5 EnWG taucht zusammen mit Satz 627etwas deplatziert mitten in der Verordnungsermächtigung des Abs. 6 auf. Die beiden Sätze waren denn auch nicht im ursprünglichen Gesetzentwurf28vorhanden. Zunächst wollte der Bundesrat, allerdings recht allgemein, in seiner Stellungnahme eine bessere Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen29 In ihrer Gegenäußerung sah die Bundesregierung jedoch keinen Anlass, dem zu folgen und verteidigte ihren Entwurf. Sie verwies darauf, dass nach ihrem Entwurf Lieferanten stets auch einen Tarif anzubieten hätten, für den die Datenaufzeichnung und -übermittlung auf die Mitteilung der innerhalb eines bestimmten Zeitraums verbrauchten Gesamtstrommenge begrenzt bleibe30(so auch verabschiedet, § 40 Abs. 5 Satz 3 EnWG). § 21g Abs. 6 Satz 5 und Satz 6 EnWG waren erst das Ergebnis der Beratung des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Technologie, in dessen Beschlussempfehlung die beiden Sätze erstmals auftauchten31 Die „Begründung“ für die Änderung lautet (vollständig zitiert): „Die Änderung schafft wichtige datenschutzrechtliche Präzisierungen.“32Dass die beiden Sätze Teil einer Verordnungsermächtigung sind, ändert angesichts des klaren Wortlauts nichts daran, dass sie unmittelbar zu befolgen sind, auch solange und soweit es eine Rechtsverordnung (noch) nicht gibt.
§ 21g Abs. 6 Satz 5 EnWG unterstreicht nochmals die Aussage in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, wonach es „keinen Automatismus gibt zwischen dem Einbau eines intelligenten Zählers und der Nutzung der Fernauslesung von Verbrauchsdaten“33 Ähnlich bereits die ursprüngliche Gesetzesbegründung: „Bei einem herkömmlichen Tarif, bei der nur die über einen bestimmten Zeitraum verbrauchte Gesamtstrommenge relevant ist, dürfen damit auch keine anderen Daten aufgezeichnet werden.“34Es dem Letztverbraucher von Energie zu überlassen, welche Daten er preisgeben will und welche nicht, entspricht modernem datenschutzrechtlichen Denken und ist zu begrüßen.
Dann ist allerdings der angeordnete Zwangseinbau von Smart Metern nach § 21c bzw. § 21f EnWG schlicht verfassungswidrig. Den Bürger staatlicherseits zu zwingen, eine Messeinrichtung sogar dann zu dulden, wenn diese nicht wirtschaftlich ist, obwohl er rechtmäßigerweise nicht bereit ist, die damit technisch möglichen Funktionen zu nutzen, um seine Persönlichkeitsrechte zu schützen, entbehrt jeglicher Rechtfertigung. Der damit verbundene Eingriff in die Eigentumsrechte und in die allgemeine Handlungsfreiheit des Anschlussnutzers verstößt gegen Art. 14 Abs. 1, Art 2 Abs. 1 GG. Messstellenbetreiber werden sich darauf einstellen müssen, dass es Anschlussnutzer geben wird, die sich gegen den Zwangseinbau zur Wehr setzen werden. Insoweit ist wichtig zu wissen, dass die Einbauverpflichtungen nach § 21c bzw. § 21f EnWG nicht sanktionsbewehrt sind, insbesondere existiert kein Bußgeldtatbestand. Eingriffsbefugnisse der Regulierungsbehörde gibt es nur gegen Netzbetreiber, nicht gegen Messstellenbetreiber. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb sich Messstellenbetreiber hier auf einen Streit mit dem Kunden, der sich dem Einbau eines Smart Meter widersetzt, einlassen sollten.
Die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung könnte von jedem betroffenen Anschlussnutzer, möglicherweise auch von einem Messstellenbetreiber gem. § 93 Abs. 4 BVerfGG binnen eines Jahres nach Inkrafttreten der EnWG-Novelle im Wege der Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden. Die Einhaltung der Frist wird allerdings ein Problem sein, da es konkret in ihren Rechten verletzte Anschlussnutzer vermutlich binnen eines Jahres nicht geben wird, weil die Geräte erst später verfügbar sein werden und die Einbauverpflichtung erst beginnt, wenn diese „am Markt verfügbar sind“ (§ 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG).
Strom- und Gasrechnungen, anzubietende Tarife, § 40 EnWG
§ 40 Abs. 1 EnWG entspricht den bisherigen §§ 16 Abs. 1 StromGVV und GasGVV. Die Verpflichtung zu einfachen und verständlichen Rechnungen, bei denen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren anzugeben sind, wird künftig für alle Energielieferungen einheitlich geregelt. Für die maßgeblichen Berechnungsfaktoren in Rechnungen sind künftig allerdings „standardisierte Begriffe und Definitionen“ zu verwenden (§ 40 Abs. 6 EnWG, welcher nach § 118 Abs. 11 EnWG erst mit sechs Monaten Verzögerung in Kraft treten wird).
Ob die Anforderung der Verständlichkeit der Rechnungen allerdings erfüllbar ist, kann man bezweifeln, nachdem § 40 Abs. 2 EnWG einen ganzen Katalog von Einzelangaben vorschreibt. Im Einzelnen ist nunmehr anzugeben (die neuen Verpflichtungen sind in Fettschrift hervorgehoben):
- Ladungsfähige Anschrift, Registergericht, Internetseite und E-Mail-Adresse des Lieferanten (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 EnWG). Dies ergab sich teilweise bisher schon aus § 37a HGB, § 35a GmbHG, § 80 AktG, wobei Kapitalgesellschaften nach diesen Vorschriften auch das Vertretungsorgan mitzuteilen haben.
- Angaben zu geltenden Preisen (bisher in § 40 Abs. 4 EnWG), Vertragsdauer und Kündigungsfristen sowie Angabe des nächst möglichen Kündigungstermins (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 EnWG).
- Zählpunktbezeichnung und Codenummer des Netzbetreibers (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 EnWG).
- Gesamtverbrauch im Abrechnungszeitraum (§ 40 Abs. 2 Nr. 4 EnWG, bisher in § 40 Abs. 4 EnWG).
- Nur bei Haushaltskunden35die Angabe des Anfangs- und des Endzählerstands (§ 40 Abs. 2 Nr. 4 EnWG).
- Vergleichbarer Vorjahresverbrauch (§ 40 Abs. 2 Nr. 5 EnWG, bisher in § 40 Abs. 4 EnWG).
- Die Belastungen aus der Konzessionsabgabe und aus den Netzentgelten für Letztverbraucher und gegebenenfalls darin enthaltene Entgelte für den Messstellenbetrieb und die Messung (§ 40 Abs. 2 Nr. 7 EnWG, bisher teilweise in § 40 Abs. 1 EnWG, neu ist aber die Angabe der Konzessionsabgabe).
Die soeben wiedergegebenen Verpflichtungen treten mit Inkrafttreten der Novelle unmittelbar in Kraft. Besonders hervorzuheben ist, dass dem Kunden in jeder Rechnung mitgeteilt werden muss, welche Kündigungsfristen gelten und auf welchen Termin er den Vertrag nächstmöglich kündigen kann. Die Gesetzesbegründung36sieht diese Regelung als von den Richtlinien geboten, worüber man sich streiten könnte. Auch wenn diese Verpflichtungen dem allgemeinen Zivilrecht fremd und im Übrigen nicht sanktionsbewehrt sind, sollten sie unbedingt alle strengstens eingehalten werden, da es ansonsten möglich wäre, dass die Gerichte eine Forderung aus Energielieferung mangels ausreichender Rechnung als nicht fällig ansehen und entsprechende Klagen mit dieser Begründung abweisen. Dies könnte auch noch nach monatelangem Verfahren in zweiter Instanz der Fall sein. Dass die Hersteller von Abrechnungssoftware alle erforderlichen Umstellungen am Tag nach Inkrafttreten der Novelle bereits ausliefern können, darf allerdings bezweifelt werden.
Die beiden nachgenannten Verpflichtungen finden gem. § 118 Abs. 11 EnWG erst sechs Monate nach Inkrafttreten der Novelle Anwendung:
- Bei Haushaltskunden ist „unter Verwendung von Grafiken darzustellen, wie sich der eigene Jahresverbrauch zu dem Jahresverbrauch von Vergleichskundengruppen verhält“ (§ 40 Abs. 2 Nr. 8 EnWG).
- Der Letztverbraucher ist auf das Streitbeilegungsverfahren und auf die Schlichtungsstelle hinzuweisen (§ 40 Abs. 2 Nr. 8 EnWG). Streitbeilegungsverfahren und Schlichtungsstelle werden nachstehend gesondert besprochen.
Zur graphischen Darstellung findet sich in der Gesetzesbegründung folgendes Beispiel: „Denkbar ist eine Einteilung bspw. nach den Klassen ‚zu hoch‘, ‚hoch‘, ‚gut‘ und ‚fantastisch‘“37und eine Mustergraphik, wie der Gesetzgeber sich das vorstellt38
§ 40 Abs. 3 Satz 1 und 2 EnWG entspricht § 40 Abs. 2 EnWG aF, hinzugekommen ist jedoch die Verpflichtung, bei Fernauslesung eines Smart Meter „eine monatliche Verbrauchsinformation, die auch die Kosten widerspiegelt, kostenfrei bereitzustellen“ (§ 40 Abs. 3 Satz 3 EnWG). Weiterhin ist die Verpflichtung neu hinzugekommen, die Abrechnung „spätestens sechs Wochen nach Beendigung des abzurechnenden Zeitraums und die Abschlussrechnung spätestens sechs Wochen nach Beendigung des Lieferverhältnisses“ zu erteilen (§ 40 Abs. 4 EnWG, welcher nach § 118 Abs. 11 EnWG ebenfalls erst mit sechs Monaten Verzögerung in Kraft treten wird.).
§ 40 Abs. 5 Satz 1 und 2 EnWG entspricht im Wesentlichen § 40 Abs. 3 EnWG aF, hinzugekommen ist jedoch die Verpflichtung, „daneben stets mindestens einen Tarif anzubieten, für den die Datenaufzeichnung und -übermittlung auf die Mitteilung der innerhalb eines bestimmten Zeitraums verbrauchten Gesamtstrommenge begrenzt bleibt“ (§ 40 Abs. 5 Satz 3 EnWG). Dies sollte aus Sicht des Gesetzgebers wohl der datenschutzrechtlich notwendige Ausgleich für den Zwangseinbau der Smart Meter sein (siehe dazu oben).
§ 40 Abs. 7 EnWG enthält eine Festlegungskompetenz für die Bundesnetzagentur bezüglich Rechnungen für Energielieferungen an Letztverbraucher. Sie darf danach den Mindestinhalt von Rechnungen sowie die „standardisierten Begriffe und Definitionen“ des § 40 Abs. 6 EnWG näher bestimmen und zwar durch Festlegung gegenüber den Lieferanten. Letzteres ist neu. Die Bundesnetzagentur sah zwar schon bisher, insbesondere bei der GPKE und der GeLi Gas großzügig darüber hinweg, dass sie zwar die Kompetenz hatte, Netzberteibern Geschäftsprozesse vorzuschreiben, nicht aber den Lieferanten. Nunmehr bekommt sie aber bezüglich der Ausgestaltung von Rechnungen an Letztverbraucher von Energie vom Gesetzgeber die ausdrückliche Kompetenz in deren Gewerbefreiheit durch „Festlegung“, welche, ohne das jetzt dogmatisch zu vertiefen, eine Art Allgemeinverfügung, jedenfalls öffentlich-rechtliches Handeln, ist, einzugreifen. Mit der Regulierung der Netze hat dies nicht das Geringste zu tun. Vielmehr erhält hier eine Bundesbehörde, deren Aufgabe es ist, Verwaltungsaufgaben des Bundes wahrzunehmen39 die Kompetenz, privaten Unternehmen vorzuschreiben, wie sie ihre Rechnungen zu gestalten haben. Hier setzt sich die bedenkliche Tendenz des Gesetzgebers im Energiewirtschaftsbereich fort, die eigentliche Gesetzgebungstätigkeit einer Bundesbehörde zu übertragen, statt wenigstens zu einer Verordnungsermächtigung zu greifen und sich damit noch Einflussmöglichkeiten zu erhalten.
Schließlich sind Energieversorgungsunternehmen nach § 41 Abs. 4 EnWG verpflichtet, in oder als Anlage zu ihren Rechnungen an Haushaltskunden (und in an diese gerichtetem Werbematerial sowie auf ihrer Website) „allgemeine Informationen“ zu den Bestimmungen ihrer Energielieferungsverträge mit Haushaltkunden zu geben, soweit diese Bestimmungen im Katalog des § 41 Abs. 1 Satz 2 EnWG40enthalten sind. Wie das sinnvoll umgesetzt werden kann, erscheint kompliziert und es ist fehlerträchtig. Insbesondere besteht hier die Gefahr, sich zum abgeschlossenen Energielieferungsvertrag in einen Widerspruch zu begeben mit der Konsequenz, dass sich der Kunde die für ihn günstigste Lösung heraussucht.
Energielieferverträge, § 41 EnWG
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 EnWG müssen Energielieferungsverträge nunmehr einfach und verständlich sein. Angesichts der gesetzlichen Vorgaben wird beides nur sehr schwer umzusetzen sein. Dass die Verträge einfacher und verständlicher als die gesetzlichen Regelungen sind, wird der Gesetzgeber kaum verlangen können. Generell sollte, nicht zuletzt aus Gründen der Verständlichkeit, aber auch um das Risiko zu vermindern, dass ein Vertrag intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) wird oder dass er den Letztverbraucher entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), darauf geachtet werden, dass der Vertrag nicht unnötig den Inhalt des Gesetzes oder der Verordnungen nacherzählt, was insbesondere dann kritisch ist, wenn dies in eigenen Worten geschieht, welche in kundenfeindlichster Auslegung dann nicht mehr mit dem Inhalt des Gesetzes übereinstimmen.
Der Katalog des § 41 Abs. 1 Satz 2 EnWG (bisher: § 41 Abs. 1 EnWG) wurde eher redaktionell dadurch erweitert, dass in Nr. 1 nunmehr „Kündigungstermine und Kündigungsfristen“ genannt werden müssen. Bisher hieß es eher unpräzise, dass Angaben zu „Verlängerung und Beendigung der Leistungen und des Vertragsverhältnisses“ gemacht werden müssen.
Gänzlich neu ist die Verpflichtung in § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 EnWG, wonach „Informationen über die Rechte der Haushaltskunden im Hinblick auf Streitbeilegungsverfahren … einschließlich der … Schlichtungsstelle und deren Anschrift sowie die Kontaktdaten des Verbraucherservice der Bundesnetzagentur für den Bereich Elektrizität und Gas“ zu erteilen sind. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass entsprechend der gleichlautenden Verpflichtung nach § 40 Abs. 2 Nr. 8 EnWG auch hier ein Inkrafttreten erst sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes angeordnet wird. Dies ist indessen nicht der Fall. Eine entsprechende Ausnahme in § 118 Abs. 11 EnWG fehlte bereits im ursprünglichen Gesetzentwurf und im Laufe der Beratung scheint das von keinem der Beteiligten bemerkt worden zu sein. Nachdem die Anordnung des Gesetzes eindeutig ist und eine Übergangsfrist nicht besteht, sind die Angaben unmittelbar nach Inkrafttreten der EnWG-Novelle zu machen.
Derzeit kann man dem Letztverbraucher in Befolgung des Gesetzes nur die Anschrift des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie nennen, welches nach § 111b Abs. 7 EnWG verpflichtet ist, bis zur privatrechtlich organisierten Einrichtung einer Schlichtungsstelle „die Aufgaben der Schlichtungsstelle durch Rechtsverordnung … einer Bundesoberbehörde oder Bundesanstalt (beauftragte Schlichtungsstelle) zuzuweisen und deren Verfahren sowie die Erhebung von Gebühren und Auslagen zu regeln“. Die Kontaktdaten des Verbraucherservice der Bundesnetzagentur können schon jetzt bekanntgegeben werden, nachdem dieser schon länger existiert41
§ 41 Abs. 3 Satz 1 EnWG enthält eine Bestimmung, wonach Letztverbraucher „rechtzeitig, in jedem Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode und auf transparente und verständliche Weise über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und über ihre Rücktrittsrechte zu unterrichten“ sind. Was die Abrechnungsperiode mit einer Änderung der Vertragsbedingungen oder gar mit Rücktrittsrechten42zu tun haben soll, wird nicht klar. Die Abrechnungsperiode hat mit einer eventuellen Vertragslaufzeit und einer eventuellen Verlängerungsklausel im Vertrag nichts zu tun.
§ 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG ist in seinem Inhalt hingegen - zunächst - völlig klar: „Ändert der Lieferant die Vertragsbedingungen einseitig, kann der Letztverbraucher den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.“ Verwunderlich ist aber auf den zweiten Blick, weshalb der Lieferant außerhalb der Grundversorgung überhaupt das Recht zu einseitigen Änderungen der Vertragsbedingungen haben soll. Nachdem in der Gesetzesbegründung in diesem Zusammenhang insoweit von einer „Gebührenerhöhung“43die Rede ist, scheint hier ein Fall gesetzgeberischer Begriffsverwirrung vorzuliegen. Nachdem § 5 Abs. 2 StromGVV/GasGVV (wie schon zuvor § 4 Abs. 2 AVBEltV/AVBGasV) zwischen „Preis“ und „Bedingungen“ unterscheiden, sollte man eigentlich annehmen, dass mit „Vertragsbedingungen“ jedenfalls nicht der Preis gemeint ist. Ausweislich der Begründung scheint aber das Gegenteil Gegenstand der gesetzgeberischen Überlegungen gewesen zu sein. Sollte man die Bestimmung so verstehen, dass der Kunde bei einer Preisanpassung fristlos kündigen kann, so ginge dies noch über § 5 Abs. 3, § 20 Abs. 1 StromGVV/GasGVV hinaus, denn hier sind die Kündigungsfristen einzuhalten.
Ein nach der BGH-Rechtsprechung wirksames Preisanpassungsrecht beinhaltet ohnehin, dass dieses entsprechend StromGVV/GasGVV ausgestaltet ist, d.h. dass dem Kunden im Falle der Preisanpassung die Möglichkeit gegeben werden muss, den Vertrag gem. § 20 Abs. 1 StromGVV/GasGVV mit Monatsfrist zum Monatsende zu kündigen und dass er übergangsweise gem. § 5 Abs. 3 StromGVV/GasGVV den alten Preis bezahlt. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Preisanpassung gem. § 5 Abs. 2 StromGVV/GasGVV sechs Wochen im Voraus bekanntgemacht wird. Somit bedarf es auch keines Rechts zur fristlosen Kündigung, welche den Vertrag zu einem Zeitpunkt beenden würde, zu dem der neue Preis ohnehin noch nicht verlangt werden kann. Allerdings bleibt abzuwarten, ob StromGVV und GasGVV auch in diesem Punkt geändert werden. Die Vorstellung des Gesetzgebers geht wohl in die Richtung, dem Kunden möglichst täglich einen Anbieterwechsel zu ermöglichen.
Bis dahin ist nicht zuletzt vor diesem Hintergrund der Regelungen in StromGVV und GasGVV § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG nach Auffassung des Autors indessen wörtlich zu nehmen, d.h. mit Änderung der Vertragsbedingungen ist hier nicht eine Preisänderung gemeint. Die Möglichkeit einer Preisänderung richtet sich alleine nach dem Liefervertrag, welcher natürlich an der BGH-Rechtsprechung zum Preisanpassungsrecht ausgerichtet sein muss, um insoweit vor Gericht Bestand zu haben.
§ 41 Abs. 4 EnWG enthält schließlich die neue Verpflichtung für Energieversorgungsunternehmen (gemeint können hier nur Lieferanten sein), „in oder als Anlage zu ihren Rechnungen an Haushaltskunden und in an diese gerichtetem Werbematerial sowie auf ihrer Website allgemeine Informationen zu den Bestimmungen nach Absatz 1 Satz 2 anzugeben“. Gemeint ist hier der Katalog des § 41 Abs. 1 Satz 2 EnWG (bisher: § 41 Abs. 1 EnWG, erweitert um den Hinweis auf die Streitschlichtung, dazu siehe oben).
Unklar ist hier, was mit „allgemeine Informationen“ gemeint sein könnte. Die einfachste und rechtssicherste Möglichkeit der Umsetzung scheint die zu sein, alle angebotenen Energielieferungsverträge im Internet zu veröffentlichen.
Schwieriger ist dies bei sonstigem Werbematerial. Es kann wohl kaum verfassungsrechtlich haltbar sein, die nicht regulierten Lieferanten zu verpflichten, in jeder Art von Werbung, z.B. auch in der Zeitung oder im Rundfunk, für alle angebotenen Verträge den Katalog des § 41 Abs. 1 Satz 2 EnWG abzuarbeiten. Im Übrigen verwischt der Gesetzgeber die Unterschiede zwischen reiner Werbung, Werbung unter Angabe von Preisen und Anbieten von Waren oder Leistungen44 Werbung ist dann Werbung, wenn diese nach ihrem Inhalt den Abschluss eines Geschäfts nicht ohne weiteres zulässt und es ergänzender Angaben und weiterer Verhandlungen bedarf, um das Geschäft zum Abschluss zu bringen45 § 41 Abs. 4 EnWG verlangt aber nun, den Inhalt der angebotenen Verträge, wenn auch nur als „allgemeine Informationen“, was immer das genau sein mag, mitzuliefern. Damit ist Werbung aber keine (reine) Werbung mehr, sondern ein Anbieten von Waren und Dienstleistungen. Reine Werbung muss aber auch Energielieferanten weiterhin möglich sein. Eine verfassungsgemäße Auslegung erfordert somit eine restriktive Auslegung des Begriffs „allgemeine Informationen“.
Bei genauerem Hinsehen können auch Widersprüche entstehen. So wäre zum Beispiel die werbliche Hervorhebung, dass das Unternehmen den Lieferantenwechsel unentgeltlich durchführt, zwar einerseits nach § 41 Abs. 4 i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EnWG geboten, andererseits als Werbung mit Selbstverständlichkeiten wettbewerbsrechtlich bedenklich46 Da hier ein gesetzlich bestehendes Recht hervorgehoben würde, unterfiele die Angabe sogar dem Katalog der stets unzulässigen geschäftlichen Handlungen gem. § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Absatz 3.
Eine verfassungsgemäße Auslegung erforderte hier, dass contra legem ein Hinweis auf den unentgeltlichen Lieferantenwechsel unterbleibt. Da vom Rechtsunterworfenen kaum verlangt werden kann, sich zwischen zwei sich widersprechenden gesetzlichen Vorgaben zu entscheiden, ist nach Auffassung des Autors auch § 41 Abs. 4 EnWG verfassungswidrig. Dies könnte von jedem Energielieferanten gem. § 93 Abs. 4 BVerfGG binnen eines Jahres nach Inkrafttreten der EnWG-Novelle im Wege der Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden.
Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass die Schlichtungsstelle und der Verbraucherservice der Bundesnetzagentur im Katalog des § 41 Abs. 1 Satz 2 EnWG unter Nr. 7 enthalten ist und es insoweit, wie schon dargelegt, keine Übergangsfrist gibt. Somit ist bei wörtlicher Befolgung des (wie dargelegt verfassungswidrigen) § 41 Abs. 4 EnWG die Schlichtungsstelle und der Verbraucherservice der Bundesnetzagentur ab Inkrafttreten der EnWG-Novelle in allen Werbematerialien zu nennen.
Stromkennzeichnung, § 42 EnWG
Die Angaben zur Stromkennzeichnung sind nunmehr auch auf der Website zu veröffentlichen (Abs. 1).
Die Anzahl der Energieträger wurde erweitert. Nunmehr sind, nach dem Wortlaut der Bestimmung, fünf statt drei Energieträger anzugeben, nämlich: „Kernkraft, Kohle, Erdgas und sonstige fossile Energieträger, erneuerbare Energien, gefördert nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, sonstige erneuerbare Energien“ (Abs. 1 Nr. 1). Nach der Gesetzesbegründung sind sogar sechs Energieträger anzugeben47 Offenbar wollte der Gesetzgeber nicht „…, Erdgas und sonstige fossile Energieträger, …“ sondern „…, Erdgas, sonstige fossile Energieträger, …“ formulieren, was ihm aber nicht gelungen ist.
Spätestens ab 1. November (bisher: 15. Dezember) sind die Werte des jeweils vorangegangenen Kalenderjahres anzugeben (Abs. 1 Nr. 1). Eine grafisch visualisierte Form in angemessener Größe wird nunmehr vorgeschrieben (Abs. 2). Weiterhin ist zukünftig der ENTSO-E-Energieträgermix für Deutschland statt des UCTE-Mixes zu verwenden (Abs. 4). In Abs. 5 wird detailliert vorgeschrieben, was als Strom aus erneuerbaren Energien i.S.d. Stromkennzeichnung gilt. Nach Abs. 7 müssen die den Letztverbrauchern gegenüber verwendeten Angaben einmal jährlich der Bundesnetzagentur „zur Überprüfung der Richtigkeit der Stromkennzeichnung“ gemeldet werden. Die Bundesnetzagentur kann „Vorgaben“ zum Format, zu Umfang und Meldezeitpunkt machen.
Dass es neben der rechtlich ungeklärten „Festlegung“ der Bundesnetzagentur auch die „Vorgabe“ der Bundesnetzagentur gibt, ist zwar nicht ganz neu (vgl. § 52 EnWG aF und nF), gleichwohl ist zu kritisieren, dass dieses nirgendwo definierte neue Rechtsinstitut immer weiter um sich greift. Dass sich die „Vorgabe“ hier nicht wie in § 52 EnWG nur auf eine formelle Gestaltung bezieht, sondern auch auf den Umfang der der Behörde zu liefernden Informationen und deren Meldezeitpunkt, ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht mehr hinnehmbar. Hinzu kommt, dass es hier um Eingriffskompetenzen gegen nicht regulierte Energielieferanten geht, welche ohnehin per se fragwürdig sind, zumal hier keinerlei Bezug zur Regulierung der Netze vorliegt und es um völlig andere Zwecke geht. Die Gesetzesbegründung stellt dies allerdings als Entgegenkommen dar. Die Daten würden von der Bundesnetzagentur an das Umweltbundesamt übermittelt und damit würde eine „unnötige Belastung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen durch eine Pflicht zur mehrfachen Übermittlung von Daten vermieden“48
Verbraucherbeschwerden und Schlichtungsstelle, §§ 111a bis 111c EnWG
Nach dem neuen § 111a EnWG sind Energieversorgungsunternehmen49sowie Messstellenbetreiber50und Messdienstleister51verpflichtet, Verbraucherbeschwerden52 die den Anschluss an das Versorgungsnetz, die Belieferung mit Energie sowie die Messung der Energie betreffen, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zugang beim Unternehmen zu beantworten. Wird der Verbraucherbeschwerde durch das Unternehmen nicht abgeholfen, so muss das Unternehmen die Gründe schriftlich oder elektronisch darlegen und auf das Schlichtungsverfahren nach § 111b EnWG hinweisen. Eine Übergangsfrist besteht insoweit nicht.
Nach dem Gesetzeswortlaut („Anschluss an das Versorgungsnetz“) sind nur Fragen des Netzanschlusses (§ 5 ff NAV/NDAV), aber nicht solche der Anschlussnutzung (§ 16 ff NAV/NDAV) einschließlich deren Unterbrechung (§ 17 NAV/NDAV), beschwerdefähig. Ob der Gesetzgeber das so wollte, sei dahingestellt und darf bezweifelt werden. Eine großzügige und richtlinienkonforme53Auslegung seitens der Unternehmen (und der Schlichtungsstelle, dazu sogleich) erscheint angeraten zu sein.
Nach dem neuen § 111b Abs. 1 EnWG kann, grundsätzlich von beiden Seiten, zur Beilegung von Streitigkeiten der gleichen Art wie der in § 111a EnWG genannten, die „anerkannte oder beauftragte Schlichtungsstelle“ angerufen werden. Beantragt der Verbraucher die Schlichtung, ist das Unternehmen zur Teilnahme verpflichtet. Der Verbraucher kann das Schlichtungsverfahren erst einleiten, wenn das Unternehmen im Verfahren nach § 111a EnWG der Verbraucherbeschwerde „nicht abgeholfen hat“. Man wird die Zulässigkeit des Antrags des Verbrauchers über den Gesetzeswortlaut hinaus aber sicherlich auch zu bejahen haben, wenn das Unternehmen nicht binnen der Vier-Wochen-Frist in der Sache selbst reagiert, wobei die Erteilung einer Eingangsbestätigung oder eine schlichte Ablehnung nicht ausreichen wird54 zumal auch dies ein Nichtabhelfen darstellt. Jedenfalls ist klar, dass der Kunde sich beim Unternehmen beschweren55und die vier Wochen abwarten muss, bevor er zulässigerweise die Schlichtungsstelle anruft.
Schlichtungsverfahren sollen regelmäßig innerhalb von drei Monaten abgeschlossen werden. Dies ist als Appell an die Schlichtungsstelle zu verstehen. Das Recht der Beteiligten, die Gerichte anzurufen oder ein anderes Verfahren nach diesem Gesetz56zu beantragen, bleibt ausdrücklich unberührt (§ 111b Abs. 1 Satz 5 EnWG). § 111b Abs. 8 EnWG stellt ausdrücklich klar, dass die Befugnisse der Regulierungsbehörden sowie der Kartellbehörden von der Schichtung unberührt bleiben.
Die Gesetzesbegründung57stellt richtigerweise fest, dass das Schlichtungsverfahren kein in § 15a EGZPO geregeltes obligatorisches gerichtliches Vorverfahren darstellt. Die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle bezieht sich im Übrigen auch nicht auf Streitigkeiten im Bereich des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), für welche die Zuständigkeit der Clearingstelle nach § 57 EEG gegeben ist.
Soweit die Gesetzesbegründung von einem „Ausschluss der parallelen Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens“ spricht, was dazu führe, „dass der Verbraucher entweder den Ausgang des Schlichtungsverfahrens abwarten oder aber seinen Schlichtungsantrag zurücknehmen muss, bevor er Klage erheben kann“58 so ist dem zu widersprechen. Nichts davon steht im Gesetz, vielmehr steht in § 111b Abs. 1 Satz 5 EnWG das genaue Gegenteil. Allerdings wird die Schlichtungsstelle in ihrer Verfahrensordnung vernünftigerweise einen Passus aufnehmen, welcher anordnet, dass eine Schichtung nicht stattfindet, solange und soweit ein Rechtstreit über den gleichen Gegenstand anhängig oder gar bereits rechtskräftig abgeschlossen ist59
Nach § 111b Abs. 2 EnWG „soll“, sofern wegen eines Anspruchs, der durch das Schlichtungsverfahren betroffen ist, ein „Mahnverfahren“ eingeleitet wurde, auf Veranlassung der Schlichtungsstelle vom Betreibenden ein „Ruhen des Mahnverfahrens“ bewirkt werden. Hier stellt sich erneut die Frage, was eigentlich gemeint ist. Die Gesetzesbegründung erhöht die Verwirrung noch, denn dort ist nicht von „Ruhen“, sondern von „Aussetzung des Verfahrens“60die Rede. Nachdem überdies einige Sätze weiter von einer gerichtlichen Durchsetzung die Rede ist, ist hier offensichtlich das gerichtliche Mahnverfahren nach §§ 688 ff ZPO gemeint und nicht etwa ein außergerichtliches Mahnverfahren des Unternehmens.
Zunächst setzt sich die Gesetzesbegründung hier in Widerspruch zu sich selbst, wenn auch nicht in Widerspruch zum Gesetzestext. Einerseits soll nicht parallel ein gerichtliches Verfahren stattfinden, andererseits setzt 111b Abs. 2 EnWG voraus, dass es ein solches in Form des gerichtlichen Mahnverfahrens bereits gibt.
Die Gesetzesbegründung ist aber auch deshalb wenig überzeugend, weil es im Mahnverfahren nach §§ 688 ff ZPO weder ein Ruhen des Verfahrens entsprechend § 251 ZPO noch eine Aussetzung, wie sie an verschiedenen Stellen der Zivilprozessordnung, jeweils für genau definierte Gründe, geregelt ist, gibt. Vorgreiflichkeit eines anhängigen Rechtsstreits oder eines Verwaltungsverfahrens nach § 148 ZPO liegt im Falle einer Schlichtung nicht vor. Andere Aussetzungsgründe der Zivilprozessordnung kommen keinesfalls in Betracht.
Ein Mahnverfahren kann nicht ausgesetzt werden und es kann auch nur faktisch ruhen. Das „Ruhen des Mahnverfahrens (zu) bewirken“, wie es § 111b Abs. 2 EnWG verlangt, ist nach geltender prozessualer Rechtslage nicht möglich. Die Anordnung des § 111b Abs. 2 EnWG kann also bestenfalls darin bestehen, das Unternehmen zu verpflichten, das Mahnverfahren nicht weiter zu betreiben.
In der Sache selbst ist es allerdings gerechtfertigt, ein gerichtliches Mahnverfahren dem Schlichtungsversuch nicht entgegenstehen zu lassen. Hier wird die Schlichtungsstelle in ihrer Verfahrensordnung vernünftigerweise regeln, dass ein gerichtliches Mahnverfahren der Schlichtung nicht entgegensteht, solange und soweit, je nach Verfahrenslage,
- entweder kein Antrag auf Abgabe ins Streitverfahrens nach § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt ist und das Unternehmen sich gegenüber der Schlichtungsstelle verpflichtet, dies während der Dauer der Schlichtung zu unterlassen
- oder, sollte schon ein vorsorglicher Antrag nach § 696 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellt sein, das Unternehmen sich gegenüber der Schlichtungsstelle verpflichtet, den weiteren Gerichtskostenvorschuss, welcher weitere Voraussetzung für die Abgabe ist (§ 12 Abs. 3 Satz 3 GKG), während der Dauer der Schlichtung nicht einzuzahlen
- oder das Unternehmen sich verpflichtet, während der Dauer der Schlichtung keinen Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides nach § 699 Abs. 1 ZPO zu stellen.
Die Parteien müssen sich aber darüber im Klaren sein und sie sollten vom Schlichter auch darauf hingewiesen werden, dass die Schlichtung den Lauf der Fristen der §§ 688 ff ZPO in keiner Weise beeinflusst oder gar hemmt. Der Verbraucher muss, wenn er seine Rechte wahren will, die Fristen für die Einlegung des Widerspruchs (zwei Wochen, § 692 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, ggf. länger, nämlich „solange der Vollstreckungsbescheid nicht verfügt ist“, § 694 Abs. 1 ZPO) und für den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid (Notfrist von zwei Wochen, § 700 Abs. 1 i.V.m. § 339 Abs. 1 ZPO) wahren.
Das Unternehmen muss sich darüber im Klaren sein, dass es binnen sechs Monaten ab Zustellung des Mahnbescheids Vollstreckungsbescheid beantragen muss, wenn kein Widerspruch erhoben wurde, weil es ansonsten seiner Rechte aus dem Mahnbescheid verlustig geht, § 701 ZPO. Wurde Widerspruch erhoben, so muss sich das Unternehmen darüber im Klaren sein, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der rückbezogenen Rechtshängigkeit verlustig geht, wenn es mit dem Antrag auf Abgabe ins Streitverfahrens nach § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO oder der Einzahlung der weiteren Gerichtskosten mehr als 14 Tage zuwartet61 Je nach Fallgestaltung kann dies zu einem Totalverlust der Rechte führen, nämlich dann, wenn die Zustellung des Mahnbescheides verjährungsunterbrechende Wirkung haben sollte.
Generell müssen sich die Parteien darüber im Klaren sein, dass die Schlichtung die Verjährung der Ansprüche entgegen der Gesetzesbegründung, die das Gegenteil behauptet62 nicht hemmt. Entgegen der Gesetzesbegründung liegt hier nämlich kein Fall des § 204 Nr. 4 BGB vor. Hiervon erfasst werden nämlich nur „durch die Landesjustizverwaltung eingerichtete oder anerkannte Gütestellen“, also solche i.S.d. § 15a EGZPO sowie Verfahren, bei denen „die Parteien den Einigungsversuch einvernehmlich unternehmen“. Dies ist hier aber im Hinblick auf die gesetzliche Verpflichtung der Unternehmen, am Verfahren nach § 111b EnWG teilzunehmen (§ 111b Abs. 1 Satz 2 EnWG), gerade nicht der Fall, auch dann nicht, wenn das Unternehmen im Einzelfall erklären mag, es nehme freiwillig teil.
Die Schlichtungsstelle wird durch § 111b EnWG nicht unmittelbar eingerichtet, existiert zunächst also noch nicht. Aus der Übergangsregelung des § 118 Abs. 11 EnWG ist zu schließen, dass die Bundesregierung beabsichtigt, diese binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten der Novelle einzurichten. Dass die Übergangsregelung unvollständig ist, weil § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 EnWG vergessen wurde, der die Pflicht enthält, auf eine (noch) nicht existierende Schlichtungsstelle hinzuweisen, wurde oben bei den Ausführungen zu § 41 EnWG bereits dargelegt.
Nach § 111b Abs. 3 EnWG kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie „eine privatrechtlich organisierte Einrichtung als zentrale Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten“ anerkennen. Wahlweise kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie nach § 111b Abs. 7 EnWG die Aufgaben der Schlichtungsstelle durch Rechtsverordnung einer Bundesoberbehörde oder Bundesanstalt (beauftragte Schlichtungsstelle) zuweisen.
Aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass die Bundesregierung beabsichtigt, eine einzige (und nicht mehrere, was der Wortlaut des Gesetzes auch zulassen würde) Schlichtungsstelle einzurichten63 Beabsichtigt ist hierbei „eine Schlichtungsstelle in der Trägerschaft der Unternehmen“64 Ausweislich einer Einladung zu einer Veranstaltung „Forderungsmanagement 2011“ am 18./19.10. 2011 in Hannover sieht sich der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. bereits als Schlichter: „… werden zukünftig Streitigkeiten über die Verbrauchsabrechnung nicht nur vor den Zivilgerichten, sondern auch durch eine von der Versorgungswirtschaft einzurichtende Streitschlichtungsstelle geklärt werden können“.
Nachdem die Gesetzesbegründung im nächsten Satz ausführt „Unparteilichkeit und Objektivität der Einrichtung sind aber unerlässliche Voraussetzung zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte der Verbraucher und zur Stärkung des Vertrauens“65stellt sich die Frage, wie dies mit einer unternehmensnahen (genauso aber auch den organisierten Verbraucherschützern nahen) Einrichtung gewährleistet werden soll. Es kann im Übrigen nicht Sinn einer Schlichtungsstelle sein, ausschließlich die Rechte der Verbraucher zu schützen. Auch die Unternehmen haben Rechte und sie werden möglicherweise auch zu Unrecht mit Beschwerden überzogen66 Man muss zwar nicht gleich, wie der DGB, „die Lösung vorziehen, … die Verbraucherschlichtungsstelle in die Verantwortung einer staatlichen Behörde zu legen“67 die dann gleich nach 20 (!) Planstellen ruft wie die Bundesnetzagentur68 sollte aber seitens des BMWI ernsthaft überlegen, eine sowohl von den Unternehmen, wie von den organisierten Verbraucherschützern unabhängige Schlichtungsstelle zu beleihen.
Gemäß § 111b Abs. 4 EnWG kann eine privatrechtlich organisierte Einrichtung als Schlichtungsstelle anerkannt werden, wenn sie die Voraussetzungen der Empfehlung der Kommission 98/257/EG69erfüllt. Wichtigstes Kriterium ist danach der Grundsatz der Unabhängigkeit, wie er auch von § 111b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 EnWG an erster Stelle genannt wird. Die Empfehlung 98/257/EG sieht ausdrücklich auch „Individualeinrichtungen“ vor70und verlangt, dass die „benannte Person … über die für die Ausübung ihres Amtes erforderliche Befähigung, Erfahrung und Fachkompetenz, insbesondere in Rechtsfragen“ verfügt. Bei Kollegialentscheidungen kann die Unabhängigkeit der Einrichtung auch dadurch gewährleistet werden, dass Verbraucher und Gewerbetreibende in dieser Einrichtung paritätisch vertreten sind.71Danach wäre auch eine Gemeinschaftseinrichtung der Energiebranche und der Verbraucherverbände möglich. „Eine Schlichtungsstelle in der Trägerschaft der Unternehmen“72 wie die Gesetzesbegründung sich das vorstellt, wäre aber nach § 111b Abs. 4 EnWG i.V.m. der Empfehlung der Kommission 98/257/EG unzulässig.
1 BT-Drs. 17/6072 - Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen mit Begründung und BT-Drs 17/6248 - Gesetzentwurf der Bundesregierung, Stellungnahme des Normenkontrollrates, Stellungnahme des Bundesrats, Gegenäußerung der Bunderegierung. Ergänzende Dokumente zum Gesetzgebungsverfahren: Ausschussempfehlungen des Bundesrats: BR-Drs. 343/1/11, Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundestags: BT-Drs. 17/6365. Die Stellungnahmen der Verbände sind als Ausschussdrucksachen veröffentlicht: www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a09/anhoerungen/9_Oeffentliche_Anhoerung/Stellungnahmen/index.html.
2 BR-Drs. 395/11 - Gesetzesbeschluss des Bundestags.
3 BR-Drs. 395/11(B) - Beschluss des Bundesrats den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen.
4 BGBl I, 1554.
5 Art. 1 Nr. 63 lit. c) des Änderungsgesetzes.
6 Alle Paragraphenangaben zum EnWG beziehen sich auf die Neufassung des Gesetzes, ohne dass dies gesondert angegeben wird.
7 Die Änderungen des § 46 EnWG werden im Rahmen eines Beitrags des Autors über die prozessuale Durchsetzung der (Teil-) Netzübertragung, der voraussichtlich in der Printausgabe dieser Zeitschrift im September 2011 erscheinen wird, besprochen werden.
8 Auch nicht nach der GeLi Gas, vgl. S. 8 der konsolidierten Lesefassung vom 02.12.2010, tinyurl.com/GeLiGas-Anlage-konsolidiert
9 GeLi Gas, S. 29 der konsolidierten Lesefassung vom 02.12.2010.
10 Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG, tinyurl.com/StromRL
11 Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, tinyurl.com/ErdgasRL.
12 ec.europa.eu/eu_law/docs/docs_directives/fr201103.pdf.
13 BT-Drs. 17/6072, S. 142.
14 BT-Drs. 17/6072, S. 143.
15 Artikel 1 Nr. 63 lit. c) des Änderungsgesetzes.
16 tinyurl.com/GPKE-GeLiGas-2011.
17 GPKE, S. 16 der konsolidierten Lesefassung vom 09.09.2010, tinyurl.com/GPKE-Anlage-konsolidiert.
18 GeLi Gas, S. 14 der konsolidierten Lesefassung vom 02.12.2010.
19 BT-Drs. 17/6248, S. 20.
20 BT-Drs. 17/6248, S. 39.
21 BT-Drs. 17/6248, S. 21.
22 BT-Drs. 17/6248, S. 40.
23 BT-Drs. 17/6072, S. 144.
24 Diese Zwangsmaßnahme wird in BT-Drs. 17/6072, S. 145 ff ausführlich begründet. Zur (nicht gegebenen) Verfassungsmäßigkeit siehe unten.
25 Die Legitimation dieser Verordnung, das ergibt sich aus dieser Aussage, kann allerdings schon heute als fraglich bezeichnet werden.
26 § 1 Abs. 1 BDSG schützt „den Einzelnen davor …, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird“.
27 „Die Vorschriften müssen dem Letztverbraucher Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten für das Fernwirken und Fernmessen einräumen.“
28 BT-Drs. 17/6072, S. 52.
29 BT-Drs. 17/6248, S. 22.
30 BT-Drs. 17/6248, S. 40.
31 BT-Drs. 17/6365, S. 12.
32 BT-Drs. 17/6365, S. 40.
33 BT-Drs. 17/6248, S. 40.
34 BT-Drs. 17/6072, S. 149
35 Zu dieser Einschränkung meint die Gesetzesbegründung: „Bei Großkunden, bei denen der Lastgang pro 15 Minuten durch registrierende Messeinrichtungen erfasst wird, ist die Angabe von Zählerständen nicht zweckmäßig.“ (BT-Drs. 17/6072, S. 156). Dabei übersieht sie den großen Bereich zwischen Haushaltskunde, der bei Kleingewerbetreibenden mit einer Jahresarbeit von 10 000 kWh endet (§ 3 Nr. 22 EnWG) und registrierender Leistungsmessung, die bei Strom erst mit 100.000 kWh Jahresarbeit beginnt (§ 12 Abs. 1 StromNZV), bei Gas erst mit einer Jahresarbeit von 1,5 GWh oder einer Leistung von 500 kW (§ 24 Abs. 1 GasNZV).
36 BT-Drs. 17/6072, S 155f.
37 BT-Drs 17/6072, S. 156
38 BT-Drs 17/6072, S. 157
39 § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen.
40 Zum Inhalt des Katalogs siehe unten, § 41 Abs. 1 Satz 2 EnWG entspricht im Wesentlichen § 41 Abs. 1 EnWG aF.
41 telefonisch: Mo.-Fr. von 09:00 Uhr bis 15:00 Uhr
030 22480-500 oder
01805 101000 - Bundesweites Infotelefon
(Festnetzpreis 14ct/min; Mobilfunkpreise maximal 42 ct/min)
Telefax: 030 22480-323
E-Mail: verbraucherservice-energie@bnetza.de
Postanschrift:
Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen
Verbraucherservice
Postfach 8001
53105 Bonn
42 Hier wurde ein Begriff aus der Richtlinie übernommen, der nicht passt. Es kann hier nach deutschem Recht nur um eine Kündigung gehen, nicht um einen Rücktritt.
43 BT-Drs. 17/6072, S. 160. Alleine schon mit dem Wort „Gebühren“ statt „Preis“ ist der Autor der Gesetzesbegründung nicht so ganz auf der Höhe der Zeit.
44 Vgl. hierzu § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV und die Kommentierung hierzu in Köhler/Bornkamm: UWG, 2011, Rn 6 zu § 1 PAngV sowie spezifisch für Energielieferungen § 3 Satz1 PAngV, welcher in gleicher Weise differenziert.
45 BGH, Urteil vom 09.06.2004 - I ZR 187/02, Rn 25
46 Köhler/Bornkamm: UWG, 2011, Rn 2.115 zu § 5 UWG
47 BT-Drs. 17/6072, S. 162
48 BT-Drs. 17/6075, S. 164
49 Energieversorgungsunternehmen sind nach § 3 Nr. 18 EnWG insbesondere Lieferanten und Netzbetreiber.
[50] § 3 Nr. 26a EnWG
51 Den Messdienstleister kann es übergangsweise nach § 21b Abs. 3 EnWG weiterhin geben. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/1672, S. 177) verweist hier fälschlich auf § 21b Abs. 2 in dessen Nr. 2 die reine Messung bisher geregelt war.
52 Beschwerden von Verbrauchern i.S.d. § 13 BGB, also nicht Beschwerden von Unternehmern i.S.d. § 14 BGB.
53 Die Richtlinien sprechen im jeweiligen „Anhang I Maßnahmen zum Schutz des Kunden“ unter Buchstabe f vom „Anbieter von Elektrizitätsdienstleistungen“ (StromRL, siehe Endnote 10) bzw. vom „Gasversorger“ (StromRL, siehe Endnote 11), welcher Verbraucherbeschwerden zu behandeln hat. Beide Begriffe bedeuten im Kontext der Richtlinien alle an der Versorgung des Kunden Beteiligten. Die Anschlussnutzung auszunehmen, wäre kaum richtlinienkonform.
54 vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 111a EnWG, BT-Drs. 17/6072, S. 178
55 Anders in Österreich, wo es nicht notwendig ist, dass der Kunde bereits selbst mit dem jeweiligen Unternehmen Kontakt aufgenommen hat, § 26 des österreichischen Bundesgesetzes über die Regulierungsbehörde in der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (Energie-Control-Gesetz - E-ControlG, öBGBl. I 2010, Nr. 110, S. 73). Aus der gleichen Bestimmung ergibt sich im Übrigen, dass in Österreich die Funktion der Schlichtungsstelle E-Control, also dem Regulierer, zugewiesen wurde.
56 Hier ist insbesondere an das Besondere Missbrauchsverfahren der Regulierungsbehörde nach § 31 EnWG und an das Aufsichtsverfahren nach § 65 EnWG zu denken.
57 BT-Drs. 17/6072, S. 178
58 BT-Drs. 17/6072, S. 176
59 Zwei Sätze später steht dies dann so ähnlich auch in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/6072, S. 176
60 BT-Drs. 17/6072, S. 179
61 Nachweise bei Vollkommer in Zöller: ZPO, 2010, Rn 6 zu § 696
62 BT-Drs. 17/6072, S. 179
63 „Eine zentrale Schlichtungsstelle hat den Vorteil, dass der Verbraucher eine klare Anlaufstelle hat und eine einheitliche Spruchpraxis gewährleistet ist“, BT-Drs. 17/6072, S. 180
64 ebd.
65 ebd.
66 a.A. Bundesnetzagentur: „verbraucherberatende und verbraucherschützende Aufgaben bei der Schlichtungsstelle“, Ausschussdrucksache 17(9)506, S. 10
67 Ausschussdrucksache 17(9)513, S. 11
68 Ausschussdrucksache 17(9)506, S. 10
69 eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do
70 aaO., Artikel I.
71 edb.
72 BT-Drs. 17/6072, S. 180