Elektronischer Bundesanzeiger: Offenlegungspflichten
Nach dem „Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister - EHUG“ müssen verschiedene Unternehmen ihre Jahresabschlüsse und Lageberichte für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2005 beginnen, im elektronischen Bundesanzeiger offenlegen.
Die ersten Kinderkrankheiten sind überwunden. Die Einstellung der Daten ins Register funktioniert inzwischen gut; nur der Abruf ist manchmal noch etwas schwierig, wenn keine genauen Angaben vorgegeben werden können.
Frei werdende Kapazitäten werden nun offenbar für die verstärkte Überprüfung der eingereichten Daten genutzt. Deshalb soll an dieser Stelle nochmals auf die zu beachtenden wesentlichen Punkte hingewiesen werden.
1. Größenklasse eines Unternehmens und Offenlegungspflicht
Der Umfang der offenzulegenden Abschlussunterlagen hängt von der Größenklasse eines offenlegungspflichtigen Unternehmens ab.
Das Handelsgesetzbuch unterscheidet zwischen großen, mittelgroßen und kleinen Gesellschaften. Die Einstufung als groß, mittelgroß und klein richtet sich gemäß § 267 HGB danach, ob zwei von drei Größenmerkmalen (Schwellenwerte) - nämlich Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahl - an den Abschlußstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschritten werden. Das führt dann jeweils zu einer anderen Einstufung.
Die Schwellenwerte liegen derzeit
- - zwischen kleinen und mittelgroßen Unternehmen bei
- - 4.840.000 € Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite abgezogenen Fehlbetrags,
- - 9.680.000 € Umsatzerlöse in den 12 Monaten vor dem Abschlußstichtag und
- - 50 Arbeitnehmern im Jahresdurchschnitt;
- - zwischen mittelgroßen und großen Unternehmen bei
- - 19.250.000 € Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite abgezogenen Fehlbetrags,
- - 38.500.000 € Umsatzerlöse in den 12 Monaten vor dem Abschlußstichtag und
- - 250 Arbeitnehmern im Jahresdurchschnitt.
Daneben gibt es noch verschiedene Sonderregelungen, z.B. gelten kapitalmarktorientierte Unternehmen stets als große und müssen Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute immer nach den Regelungen für große Unternehmen offenlegen.
Auch öffentlich geprägte Unternehmen wie Eigenbetriebe (vgl. bspw. § 20 Eigenbetriebsverordnung Bayern) oder Kommunalunternehmen (vgl. z.B. § 22 der bayerischen Verordnung über Kommunalunternehmen) müssen nach den Landesgesetzen häufig die Regelungen beachten, wie sie für große Kapitalgesellschaften zur Anwendung kommen.
Große und mittelgroße Unternehmen - wobei die mittelgroßen Unternehmen gemäß § 327 HGB noch gewisse Erleichterungen beim Inhalt einzelner Daten in Anspruch nehmen können - müssen sämtliche in § 325 HGB genannten Unterlagen einreichen.
Das sind normalerweise
- - der Jahresabschluss mit dem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers;
- - der Lagebericht;
- - der Bericht des Aufsichtsrats (soweit das Unternehmen über einen Aufsichtsrat verfügt; ein freiwillig gebildeter GmbH-Aufsichts-/Beirat muss nach §§ 52 GmbHG regelmäßig einen entsprechenden Bericht erstellen),
- - der Ergebnisverwendungsvorschlag und -beschluss,
- - die Entsprechungserklärung zum Corporate Governance Kodex nach § 161 AktG. (nur für börsennotierte Aktiengesellschaften bzw. Kommanditgesellschaften aA).
Kleine Gesellschaften können von der Erleichterung nach § 326 HGB Gebrauch machen, müssen also nur Bilanz und Anhang (ohne Gewinn- und Verlustrechnung) einreichen und bekanntmachen.
Außerdem können kleine und mittelgroße Gesellschaften nicht nur unerhebliche Offenlegungserleichterungen bei Bilanz und Anhang wahrnehmen.
Unter bestimmten Voraussetzungen müssen Tochterunternehmen ihre Jahresabschlüsse nicht offenlegen (vgl. im Einzelnen § 264 Abs.3 HGB bzw. § 264b HGB).
Nach § 328 Abs. 1 Ziffer 1 Satz 2 HGB ist in dem zu veröffentlichenden Jahresabschluss unabhängig von der Größenklasse das Datum der Feststellung bzw. Billigung des Jahresabschlusses durch die Anteilseigner anzugeben. Anderenfalls kann das Bundesamt für Justiz aufgrund inhaltlicher Mängel ein Bußgeld verhängen (vgl. § 334 Abs. 1 Ziffer 5 HGB). Das ist nach Angabe des Bundesanzeigers in Einzelfällen bereits geschehen.
2. Verstoß gegen Offenlegungspflichten - Anfragen des Bundesanzeigers
Gerade bei Versorgungsbetrieben führt das regelmäßig hohe Anlagevermögen oft zur Überschreitung des Größenmerkmals „Bilanzsumme“. Aktuell führt das bei den sog. „kleinen“ Gesellschaften, die ja nur eine reduzierte Bilanz mit Anhang offenlegen müssen, häufig zu E-Mail-Anfragen des Bundesanzeigers: Unter Hinweis auf § 329 HGB werden Angaben zu den Umsatzerlösen der Gesellschaft und der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer verlangt.
Es erschließt sich nicht, warum das Überschreiten eines Schwellenwerts automatisch den nach § 329 Abs. 2 S. 1 HGB notwendigen „Anlass zu der Annahme, dass …“ hier ein Verstoß gegen die Offenlegungspflichten vorliegt, gibt. Das ist kein Anlass, sondern eine Vermutung.
3. Offenlegung, EnWG und landesrechtliche Besonderheiten
Nach § 10 Abs. 1 EnWG haben Energieversorgungsunternehmen ungeachtet ihrer Eigentumsverhältnisse und ihrer Rechtsform einen Jahresabschluss nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften des Handelsgesetzbuchs aufzustellen, prüfen zu lassen und offen zu legen. Das ist aber keine eigene Rechtsgrundlage im Energiewirtschaftsgesetz für die Aufstellung von Jahresabschlüssen, deren Prüfung und die Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen für Kapitalgesellschaften. Für sie gelten die angesprochenen Regelungen des Handelsgesetzbuchs, d.h. die o.g. Schwellenwerte.
Dementsprechend hat eine kleine GmbH i.S.v. § 267 HGB, die lediglich aufgrund landesrechtlicher Vorschriften „wie“ eine große Kapitalgesellschaft behandelt wird, ihren Jahresabschluss nur nach den für kleine Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften im Bundesanzeiger offen zu legen.
Von § 10 Abs. 1 EnWG betroffen sind öffentlich-rechtliche Energieversorgungsunternehmen (also z.B. Eigenbetriebe oder Kommunalunternehmen), Personenhandelsgesellschaften (wenn mindestens eine natürliche Person Vollhafter ist und damit die Offenlegung unterbleiben kann, vgl. im Einzelnen §§ 264 a HGB mit § 264 c HGB) und konzernrechtliche Verbindungen.
Die Besonderheiten seien am Beispiel eines Eigenbetriebs i.S. von Art. 88 der Bayerischen Gemeindeordnung dargestellt. Es handelt sich dabei um ein gemeindliches Unternehmen, das außerhalb der allgemeinen Verwaltung als Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit geführt wird. Darauf finden ergänzend die Regelungen der Eigenbetriebsverordnung Bayern (EBV Bayern) Anwendung.
Wie bereits angesprochen, muss der Eigenbetrieb nach § 20 EBV Bayern bei Aufstellung, Prüfung und Offenlegung grundsätzlich die Vorschriften für große Kapitalgesellschaften beachten. § 24 EBV Bayern schreibt für den Lagebericht vor, dass über die Vorschriften in § 289 HGB hinaus verschiedene weitere Sachverhalte zu behandeln sind, die erheblich tiefergehende Einblicke in die Organisation und Struktur der Unternehmen gewähren.
Schließlich schreibt § 25 EBV Bayern vor, dass der Jahresabschluss und der Lagebericht (nach den Vorschriften für große Kapitalgesellschaften und den angesprochenen Zusatzinformationen) an sieben Tagen öffentlich auszulegen ist.
Durch die landesrechtliche Vorschrift, dass quasi jeder Eigenbetrieb - unabhängig von seiner tatsächlichen Größe - wie eine große Kapitalgesellschaft zu behandeln ist und obendrein Zusatzinformationen öffentlich bekannt zu machen sind, ergeben sich offensichtliche (Wettbewerbs-)Nachteile gegenüber den Unternehmen, die solche Angaben nicht machen müssen. Das war vor dem Inkrafttreten des EHUG in den meisten Fällen überschaubar. Öffentliche Bekanntmachung bedeutete regelmäßig die Auslegung von Jahresabschluss und (erweitertem) Lagebericht in den eigenen Betriebsräumen. Man nahm wahr, wer sich die Unterlagen anschaute.
Wenn ein Eigenbetrieb mit den Betriebszweigen Strom- und/oder Gasversorgung jetzt über § 10 Abs. 1 EnWG gezwungen wird, diese ganzen Angaben im elektronischen Bundesanzeiger offen zu legen, besteht die Kenntnis über die Einsicht (N)nehmenden (Wettbewerber) nicht mehr.
Soweit ersichtlich, wird die angesprochene Problematik in der Literatur bisher nicht weiter besprochen. Hier wird folgende Auffassung vertreten:
- Ein Eigenbetrieb mit den alleinigen Betriebszweigen Strom- und/oder Gasversorgung, der unabhängig von den landesrechtlichen Vorschriften nach § 267 HGB als kleine Gesellschaft einzustufen ist, muss seinen Jahresabschluss und Lagebericht nicht im elektronischen Bundesanzeiger offen legen, aber natürlich nach § 25 EBV Bayern ortsüblich bekannt machen.
- Das sollte u.E. auch für den Fall gelten, dass ein Eigenbetrieb zwar als „mittelgroß“ i.S.v. § 267 HGB einzustufen ist, die Größenmerkmale aber nur überschritten sind, weil mehrere Betriebszweige unterhalten werden. Als Anhaltspunkt für die Einhaltung des Größenmerkmals „kleines Energieversorgungsunternehmen“ nach § 10 Abs. 1 EnWG könnten die Daten zur Netzentgeltkalkulation herangezogen werden (zwar sind die Erfolgszahlen bei einem Mehrspartenunternehmen aus der Erfolgsübersicht ersichtlich und regelmäßig auch die Arbeitnehmer zuordenbar, schwierig dürfte es aber bei dem Größenmerkmal „Bilanzsumme“ werden, da nach bayerischem Eigenbetriebsrecht keine Spartenbilanzen für Strom bzw. Gas vorgeschrieben sind).
- Ein mittelgroßer Eigenbetrieb i.S.v. § 267 HGB mit den/der Sparte/n Strom und/oder Gas muss seine Daten im elektronischen Bundesanzeiger offen legen und außerdem ortsüblich bekannt machen.
Fraglich ist der Umfang der im elektronischen Bundesanzeiger offen zu legenden Daten: Müssen alle Daten wie in der ortsüblichen Bekanntmachung offengelegt werden oder dürfen die Teile, die nicht unter § 10 Abs. 1 EnWG fallen, herausgenommen werden, da sonst ein Wettbewerbsnachteil zu befürchten ist? Wie ist es mit den Offenlegungserleichterungen, die eine mittelgroße Kapitalgesellschaft im Vergleich zur großen Kapitalgesellschaft in Bilanz und GuV in Anspruch nehmen kann?
Der Lagebericht enthält die umfangreichen Zusatzinformationen nach § 24 EBV Bayern zur Struktur und Organisation des Eigenbetriebs - diese Daten dürfen im Rahmen der Offenlegung im elektronischen Bundesanzeiger nicht herausgenommen werden, beim Lagebericht gibt es keine Offenlegungserleichterungen.
Zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen erscheint es sinnvoll, von vornherein den Geschäftsbericht entsprechend aufzubauen, damit die im elektronischen Bundesanzeiger offen zu legende Datenmenge nicht umfangreicher wird als bei Wettbewerbern.
Eine Gliederung nach (bayerischem) Eigenbetriebsrecht kann hiernach wie folgt aussehen:
Geschäftsbericht 20.. des Eigenbetriebs der Stadt …
1. Lagebericht (mit den nach Handelsrecht vorgeschriebenen Berichtsteilen; bei der späteren Offenlegung u.E. keine Inanspruchnahme von Erleichterungen zulässig)
1.1 Geschäftsverlauf und Lage des Eigenbetriebs
1.2 Entwicklung der einzelnen Betriebszweige
1.3 Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung
1.4 Zweigniederlassungen
2. Jahresabschluss zum 31.12.20.. (spätere Inanspruchnahme von Offenlegungserleichterungen möglich)
2.1 Bilanz zum 31. Dezember 20..
2.2 Gewinn- und Verlustrechnung vom 01. Januar 20.. bis 31. Dezember 20
2.3 Anhang zum Jahresabschluss 20..
2.3.1 Allgemeine Angaben
2.3.2 Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden
2.3.3 Angaben zur Bilanz
2.3.4 Anlagenspiegel
2.3.5 Angaben zur Gewinn- und Verlustrechnung
2.3.6 Sonstige Angaben
3. Zusätzliche Angaben nach Eigenbetriebsrecht (werden ortsüblich bekannt gemacht, aber nicht im elektronischen Bundesanzeiger offen gelegt)
3.1 Ergänzende Angaben zum Lagebericht gem. § 24 EBV Bayern
3.2 Anlagennachweis gem. § 23 Abs. 2 EBV Bayern
3.3 Erfolgsübersicht gem. § 22 Abs. 3 EBV Bayern
4. Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers
Es ist nicht einsichtig, dass ein Eigenbetrieb mit mehreren Betriebszweigen, von denen ein oder zwei Betriebszweige der Energieversorgung nach EnWG zuzurechnen sind, selbst wenn diese die Schwellenwerte nach § 267 HGB für mindestens mittelgroße Kapitalgesellschaften überschreiten, im elektronischen Bundesanzeiger aufgrund von § 10 EnWG letztlich ihren gesamten Abschluss und damit ihre Gesamtorganisation und Struktur offenlegen müssen (ortsübliche Bekanntmachung ist nach Landesrecht natürlich gewollt und erforderlich).
Die Aufzählung der Ungereimtheiten lässt sich fortsetzen. Letztlich fehlt es an der Abstimmung zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung.
Die Durchsicht der Veröffentlichungen im elektronischen Bundesanzeiger gerade von Eigenbetrieben zeigt, dass in vielen Fällen immer noch erheblich mehr Daten offen gelegt werden als der Gesetzgeber vorschreibt. Solche Daten stehen den Wettbewerbern über Datenbanken dauerhaft zur Verfügung.