Titel: Gesetzliches Preisänderungsrecht des Gasversorgers nach billigem Ermessen gegenüber Nicht-Haushaltskunden, Wettbewerbssituation schließt Billigkeitskontrolle nicht aus
Behörde / Gericht:
Bundesgerichtshof Karlsruhe (BGH)
Datum: 24.02.2016
Aktenzeichen: VIII ZR 216/12
Gesetz: BGB, EnWG, AVBGasV, GasGVV, RL 2003/55/EG (GasRL)
Artikeltyp:
Rechtsprechung
Kategorien:
Energie(wirtschafts)recht,
EU-Recht,
Gebühren- und Beitragsrecht; Strom- und Gastarife; Netzentgelte,
Verfahrensrecht,
Zivilrecht
Dokumentennummer:
16001622
Gesetzliches Preisänderungsrecht des Gasversorgers nach billigem Ermessen gegenüber Nicht-Haushaltskunden, Wettbewerbssituation schließt Billigkeitskontrolle nicht aus
BGH, Urteil vom 24.02.2016 – VIII ZR 216/12
Leitsätze des Gerichts:
- Anders als bei Haushaltskunden steht dem Gasgrundversorger gegenüber Nicht- Haushaltskunden im Sinne des Art. 2 Nr. 26 der Gas-Richtlinie 2003/55/EG, die auch nicht gemäß § 3 Nr. 22 Alt. 2 EnWG 2005 als Haushaltskunden anzusehen sind, gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV auch nach dem Ablauf der bis zum 1. Juli 2004 reichenden Umsetzungsfrist der Gas-Richtlinie 2003/55/EG das Recht zu, die Preise nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu ändern (Fortführung der Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, ZIP 2015, 2226, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, und VIII ZR 13/12, juris; vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 208/12, juris, VIII ZR 236/12, juris, und VIII ZR 330/12, juris).
- Diesem Preisänderungsrecht stehen die Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003/55/EG in der durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 23. Oktober 2014 (C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) vorgenommenen Auslegung nicht entgegen, da die Gas- Richtlinie deren Anwendung für Nicht-Haushaltskunden nicht zwingend vorschreibt.
- Eine unter diesen Voraussetzungen vom Gasgrundversorger einseitig gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV vorgenommene Preiserhöhung unterliegt auch dann der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB, wenn für den Kunden die Möglichkeit besteht, das Erdgas von einem anderen Anbieter zu beziehen.
- Die Billigkeitskontrolle solcher Preiserhöhungen (§ 315 BGB) kann nicht entscheidend auf der Grundlage eines Vergleichs mit den Gaspreisen anderer Gasversorgungsunternehmen vorgenommen werden; vielmehr kommt es maßgeblich auf den konkreten Gaslieferungsvertrag an und ist eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks sowie der Interessenlage beider Parteien vorzunehmen (Fortführung von BGH, Urteile vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065 unter III 1 und 2 a mwN; vom 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06, BGHZ 174, 48 Rn. 20; vom 18. Oktober 2011 - KZR 18/10, WM 2012, 622 Rn. 17).
- Zu den Anforderungen an den Vortrag und das Bestreiten sowie an die Feststellung von (Bezugs-) Kostensteigerungen des Gasversorgers (Fortführung der Senatsurteile vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 45 ff.; vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 314/07, WM 2009, 1957 Rn. 21, 30 f.; vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 89 ff., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 91 ff.).
Als eine zur Beendigung der von § 116 Satz 1 EnWG 2005 angeordneten Fortgeltung des alten Rechts für Tarifkundenverträge mit Nicht-Haushaltskunden führende Änderung des Vertrages im Sinne des § 116 Satz 2 EnWG 2005 ist nicht schon eine vom Gasgrundversorger einseitig vorgenommene Änderung der allgemeinen Tarife und Bedingungen anzusehen; es bedarf wegen der mit der Vertragsänderung nach § 116 Satz 2 EnWG 2005 insoweit verbundenen Beendigung der Grundversorgung vielmehr eines übereinstimmenden Änderungswillens der Parteien.
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