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Titel: Zum Schulschwimmen im Rahmen der Spartenrechnung kommunaler Eigengesellschaften
Behörde / Gericht: Bundesfinanzhof München (BFH; seit 1950)
Datum: 16.12.2020
Aktenzeichen: I R 50/17
Artikeltyp: Rechtsprechung
Kategorien: Körperschaftssteuer/SolZ, Recht der kommunalen Betriebe, Umsatzsteuer
Dokumentennummer: 21006366 ebenso Versorgungswirtschaft 8/2021, Seite 249

Zum Schulschwimmen im Rahmen der Spartenrechnung kommunaler Eigengesellschaften

- BFH, Urteil vom 16.12.2020 - I R 50/17 -*

Leitsatz des Gerichts:

  1. Die Durchführung des Schulschwimmens durch einen öffentlichen Schulträger ist eine hoheitliche Tätigkeit (§ 4 Abs. 5 KStG), die grundsätzlich vom öffentlichen Bäderbetrieb zu trennen ist.
  2. Im Rahmen der Spartenrechnung einer kommunalen Eigengesellschaft (§ 8 Abs. 9 KStG) kommt es beim Schulschwimmen darauf an, wie die Tätigkeiten der Eigengesellschaft und ihres kommunalen Anteilseigners ohne Zwischenschaltung der Eigengesellschaft nach BgA-Grundsätzen zu beurteilen wären (fiktive Betrachtung). Daraus folgt, dass bei einer kommunalen Eigengesellschaft, die ihr Bad für Schulschwimmen zur Verfügung stellt und daraus Dauerverluste erzielt, auch dann die Bildung einer gesonderten Sparte für hoheitliche Tätigkeiten in Betracht kommt, wenn sie selbst nicht hoheitlich tätig geworden ist.

Die Beteiligten streiten über die Verrechnung von Verlusten aus dem Schulschwimmen im Rahmen eines steuerlichen Querverbunds.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine kommunale Eigengesellschaft in der Rechtsform der GmbH. Alleinige Gesellschafterin ist die Stadt X. In den Streitjahren (2009 bis 2013) wurden die Bäder der Klägerin auch von der Stadt genutzt. Sie erteilte dort Schülern ihrer kommunalen Schulen Schwimmunterricht (Schulschwimmen) und zahlte der Klägerin hierfür ein Entgelt, das bezogen auf die einzelnen Schüler dem Entgelt anderer Nutzer entsprach. Trotzdem erzielte die Klägerin durch das Schulschwimmen einen Verlust i.H.v. jährlich ... €.

Das Finanzamt kam nach einer für die Jahre 2009 bis 2012 durchgeführten Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass der durch das Schulschwimmen erzielte Verlust einer gesonderten Sparte 1 i.S.d. § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG zuzuordnen sei. Dagegen seien die Ergebnisse der übrigen Tätigkeiten der Klägerin in einer Sparte 2 zu erfassen. In dieser Sparte seien die Versorgungsbetriebe als gleichartige Tätigkeiten zusammenzufassen. Wegen der technisch-wirtschaftlichen Verflechtung durch das Blockheizkraftwerk sei auch der Bäderbetrieb in Sparte 2 einzubeziehen.

Einsprüche und Klage gegen die geänderten Körperschaftsteuerbescheide blieben erfolglos. Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt, dass die Verluste aus dem Schulschwimmen mit den Ergebnissen der übrigen Tätigkeiten verrechnet werden. Nach dem BFH-Urteil vom 16.12.2020 hat das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin die Verluste aus dem Schulschwimmen nicht mit den Ergebnissen ihrer übrigen Tätigkeiten verrechnen kann, sondern diese Verluste gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG einer gesonderten Sparte zuzuordnen sind.

Grundlage der sog. Spartenrechnung, mit der die Ergebnisverrechnung bei kommunalen Eigengesellschaften mit strukturell dauerdefizitären Tätigkeiten an die für Betriebe gewerblicher Art (BgA) geltenden Grundsätze ausgerichtet werden soll (BT-Drucks. 16/10189, S. 70; BT-Drucks. 16/11108, S. 27; BFH, Beschluss vom 23.09.2019 - I R 25/17, BFH/NV 2020, S. 522), ist § 8 Abs. 9 KStG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind bei Kapitalgesellschaften, bei denen § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG zur Anwendung kommt, die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschaft nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:

Nr. 1: Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei jPöR zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen;

Nr. 2: Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei zusammenfassbare Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden;

Nr. 3: alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.

Der von § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG in Bezug genommene § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG sieht vor, dass bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf jPöR entfällt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen, die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht bereits deshalb zu ziehen sind, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben.

Für jede sich hiernach ergebende Sparte ist der Gesamtbetrag der Einkünfte getrennt zu ermitteln (§ 8 Abs. 9 Satz 2 KStG). Ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte einer Sparte darf nicht mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte einer anderen Sparte verrechnet werden (§ 8 Abs. 9 Satz 4 KStG).

Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin eine Kapitalgesellschaft ist, bei der hinsichtlich des Betriebs der Bäder § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG zur Anwendung kommt und deshalb für die aus diesem Betrieb resultierenden Verluste nicht die Rechtsfolgen einer vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu ziehen sind.

Die Entscheidung des FG, keine Verrechnung der Verluste aus dem Schulschwimmen zuzulassen, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Das FG hat diese Verluste zutreffend gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG einer gesonderten Sparte zugeordnet, sodass sie nicht mit den Ergebnissen anderer Sparten zusammengefasst werden können.

Ausgangspunkt ist eine fiktive Betrachtung der entscheidungsrelevanten Tätigkeiten der Eigengesellschaft und ihres kommunalen Anteilseigners nach den für BgA geltenden Grundsätzen. Maßgebend ist, wie der öffentliche Badebetrieb und das Schulschwimmen zu beurteilen wären, wenn die Stadt diese Tätigkeiten ohne Zwischenschaltung der Klägerin ausgeübt hätte (Paetsch, in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8 Rz 1870). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG, der ausdrücklich auf eine (fiktive) Beurteilung »bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts« abstellt. Auch die Gesetzesbegründung bestätigt, dass die Ergebnisverrechnung bei kommunalen Eigengesellschaften mit strukturell dauerdefizitären Tätigkeiten an den für BgA geltenden Grundsätzen ausgerichtet werden soll (BT-Drucks. 16/10189, S. 70; BT-Drucks. 16/11108, S. 27).

Im Streitfall ist bei fiktiver Anwendung der für BgA geltenden Grundsätze zwischen dem öffentlichen Badebetrieb und dem Schulschwimmen zu trennen, auch wenn beides in einem von der Stadt betriebenen Bad durchgeführt wird. Letzteres hat lediglich zur Folge, dass die Aufwendungen für den Betrieb des Bades nach dem Veranlassungszusammenhang anteilig den beiden Tätigkeiten öffentlicher Badebetrieb und Schulschwimmen zuzuordnen sind (vgl. hierzu OFD Niedersachsen vom 12.01.2012 - S 2706-219-St 241, juris; Rang/Baldauf, DStZ 2014, S. 38, 43).

Entscheidend ist, dass es im Rahmen des § 4 Abs. 1 KStG auf eine ausschließlich tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise ankommt (BFH, Urteil vom 29.11.2017 - I R 83/15, BStBl 2018 II S. 495). Allein die Verbindung durch gemischt genutzte Betriebsmittel (hier: Schwimmbad) reicht demnach nicht, um eine einheitliche Tätigkeit anzunehmen. Im Streitfall bestehen nach den tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) keine Anhaltspunkte, dass der öffentliche Badebetrieb und das Schulschwimmen derart eng miteinander verflochten sind, dass eine Trennung entweder unmöglich oder unzumutbar ist. Dies wird durch die tatsächliche Verständigung über die anteilige Zuordnung der Aufwendungen für das gemischt genutzte Bad bestätigt.

Hinzu kommt, dass das Schulschwimmen - anders als der öffentliche Badebetrieb - eine hoheitliche Tätigkeit i.S.d. § 4 Abs. 5 KStG darstellt (BFH, Urteil vom 11.01.1979 - V R 26/74, BStBl 1979 II S. 746 zu § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1967; BMF, Schreiben vom 12.11.2009, BStBl 2009 I S. 1303, Rz 50; OFD Niedersachsen vom 12.01.2012 - S 2706- 219-St 241, juris; Jürgens, in: Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2017, § 5 Rz 714; Rang/Baldauf, DStZ 2014, S. 38, 39 und 42). Nach dieser Vorschrift gehören Betriebe, die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), nicht zu den BgA. Unter Ausübung öffentlicher Gewalt sind Tätigkeiten zu verstehen, die der jPöR eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür ist die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist (BFH, Urteil vom 12.07.2012 - I R 106/10, BStBl 2012 II S. 837). Diese Voraussetzungen sind für die Durchführung des Schulschwimmens durch den öffentlichen Schulträger (hier: die Stadt) auch dann erfüllt, wenn hierfür kein gesondertes Schulschwimmbad, sondern ein öffentliches Bad genutzt wird. Soweit der Betrieb des Bades im Rahmen einer fiktiven Betrachtung nach BgA-Grundsätzen dem hoheitlichen Schulschwimmen zuzuordnen wäre, ist er »Ausfluss« einer hoheitlichen Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG. Dass die Klägerin im Streitfall selbst keine hoheitliche Tätigkeit ausübt und der Stadt das Bad zur Durchführung des Schulschwimmens gegen ein Entgelt zur Verfügung stellt, das bezogen auf die einzelnen Schüler dem Entgelt anderer Nutzer entspricht, ist wegen der fiktiven Betrachtung einer jPöR ohne Zwischenschaltung einer Eigengesellschaft unerheblich (vgl. auch Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 1137; einschränkend Krämer, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 9 KStG Rz 7, der »jedenfalls« bei getrennten Öffnungszeiten zustimmt; a.A. Meier/Semelka, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rz 611; Bittscheidt/Westermann/Zemke, KStZ 2014, S. 26, 29 f.).

Die Höhe der Aufwendungen der Klägerin, die dem Schulschwimmen zuzuordnen sind, ist Gegenstand der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten. Für den Senat sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die für eine Unwirksamkeit dieser tatsächlichen Verständigung sprechen könnten.

- M.Kr. -

* Die Entscheidung finden Sie im vollen Wortlaut auf unserem Portal vkw-online.eu unter DokNr. 21006235.

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