Tod eines Energieversorgungskunden und Auswirkungen auf ein Energieversorgungsunternehmen - Teil 2: Sozialversicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI
- von RA Dr. Karsten Rauch, Wuppertal - *
§ 118 Abs. 4 SGB VI sieht einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch von Rentenversicherungsträgern vor, der unter bestimmten Umständen auch gegenüber Energieversorgungsunterroblemen ruhig zu bleiben, das ist manchmal Kunst. Ich denke da immer wieder an die weisen Worte des Philosophen Wilhelm Schmid: „Nicht jeder muss sich für alles verantwortlich fühlen, was auf der Welt nicht stimmt. Es genügt ein Gefühl dafür, was wir leisten können und was nicht.“
Die Frage und Problemen, die jeder zu meistern hat, sind oft umfangreich und komplex. Unsere Beiträge in der Versorgungswirtschaft sollen helfen, da gut voran zu kommen. Schauen Sie gerne auch auf unsere Seminarseite: im September sprechen wir in unserenestellt wird, kann für die Versorgungswirtschaft in der Regelung ein signifikantes kommerzielles Risiko unbekannten Ausmaßes schlummern. Insoweit lohnt sich die Auseinandersetzung mit dieser Vorschrift anhand des Beitrages, um die Tragweite der in § 118 Abs. 4 SGB VI niedergelegten Regelung besser erfassen zu können. Ob die vorgeschlagenen Handlungsoptionen jedoch gangbare Wege für eine Präventionsstrategie eröffnen, muss jeder Versorger unter Beachtung seiner eigenen Interessenlagen beurteilen. Die Vorschläge können dabei aber sicherlich erste Anknüpfungspunkte für eine Aufbereitung innerhalb der Energieversorgungsunternehmen bilden.
I. Einführung
Mit dem Tod eines Energieversorgungskunden (»Kunde/Vertragspartner/Erblasser«) können für das beliefernde Energieversorgungsunternehmen (»EVU/Versorger«) neben erb- und vertragsrechtlichen Aspekten auch Berührungspunkte zum Sozialrecht entstehen, beispielsweise wenn der Kunde bereits im Ruhestand war. In den Mittelpunkt rückt in diesem Zusammenhang zunehmend eine, in der bisherigen EVU-Sachbearbeitungspraxis wenig beachtete Vorschrift des 6. Sozialgesetzbuches (»SGB VI«), auf deren Grundlage Rentenversicherungsträger, wie etwa die Deutsche Rentenversicherungsanstalt Bund (»DRV Bund«), bereits vom Konto des Erblassers abgebuchte Abschläge und Rechnungsbeträge vom Versorger per Verwaltungsakt zurückverlangen können. Dieses auf § 118 Abs. 4 SGB VI gestützte Verwaltungshandeln löst bei den kaufmännischen EVU-Mitarbeiter*innen (»Sachbearbeiter«) nicht selten erhebliche Verunsicherung aus, wie mit einem solchen staatlichen Verlangen umzugehen ist.
Der nachfolgende Beitrag stellt § 118 Abs. 4 SGB VI als staatliche Anspruchs- und Ermächtigungsgrundlage vor und zeigt den rechtlichen Zusammenhang zum Problemkreis der sog. »überzahlten« Renten auf. Unerlässlich ist es dabei, in gebotenem Umfang und unter Berücksichtigung der hierzu teilweise im Bank- und Sozialrecht ergangenen Rechtsprechung1 und veröffentlichten Literatur2 einen Gesamtüberblick über die Möglichkeiten staatlicher Rentenrückforderungen zu geben. Auf diesem Erkenntnisstand aufbauend und unter Bezugnahme auf die bereits in Teil 1 des Aufsatzes3 dargestellten vertrags- und erbrechtlichen Grundlagen lassen sich in einem weiteren Schritt auch die Auswirkungen und Handlungsoptionen aufzeigen, die sich für einen Versorger aus der Regelung in § 118 Abs. 4 SGB VI ergeben können.
II. Problemstellung und gesetzliche Ausgangslage
Im Zeitalter postulierter und auch schon weitestgehend vernetzter/digitaler staatlicher Verwaltungsstrukturen vermag es verwundern, dass immer wieder Rentenauszahlungen auf Bank- und Girokonten erfolgen, obwohl die rentenberechtigte Person schon seit mehreren Jahren verstorben ist.4 Infolgedessen
kann es zu Rentenüberzahlungen in teilweise beträchtlicher Höhe kommen.
[…]
III. Rückforderungsverlangen nach § 118 Abs. 4 SGB VI
§ 118 Abs. 4 SGB VI ist wie folgt formuliert:
»Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Träger der Rentenversicherung hat Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, hat der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung auf Verlangen Name und Anschrift des Empfängers oder Verfügenden und etwaiger neuer Kontoinhaber zu benennen. Ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 des
Zehnten Buches bleibt unberührt.«
[…]
2. Mögliche Auswirkungen des § 118 Abs. 4 SGB VI in der
EVU-Praxis
Die für ein EVU möglicherweise eintretenden gravierenden Rechtsfolgen des § 118 Abs. 4 SGB VI illustrieren sich allerdings erst dann, wenn anhand eines konkreten Beispielfalls neben den sozialversicherungs- auch die zivilrechtlichen Auswirkungen der Regelung dargestellt werden.
a. Beispielsfall
[…]
* Der Autor ist bei der WSW Wuppertaler Stadtwerke GmbH als Justitiar beschäftigt. Der Beitrag gibt die ausschließliche Auffassung des Autors wieder.
1 Gr. Senat des BSG, Beschl. v. 20.02.2019 - GS 1/18; BSG, Urteil vom 24.02.2016 - B 13 R 22/15 R; LSG Berlin-Brandenburg (3.Senat), Urteil vom 15.11.2018 - S 9 R 3290/16.
2 Escher-Weingart, WM 2018, 1577 ff.; dieselbe, WM 2014, 293 (296); Escher-Weingart/Scheel, in: FS A. Dittmann, Hamburg 2015, 113 ff; Escher-Weingart/Scheel, WM 2016, 857 (857); Dörr, NZS 1993, 150 ff.
3 Rauch, VersW 2019, 170ff., DokNr. 19005255.
4 Dörr, NZS 1993, 150ff., wies daraufhin, dass dies auch über mehrere Jahre hinweg passieren kann. Ob diese Annahme aufgrund moderner IT-Monitoring- und Überwachungssysteme noch realitätsnah ist, kann an dieser Stelle dahinstehen.