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Titel: Umfassendes Infrastrukturmanagement als Geschäftsfeld für kommunale Energieversorger
Datum: 01.02.2019
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: Energie(wirtschafts)recht, EU-Recht, Gebühren- und Beitragsrecht; Strom- und Gastarife; Netzentgelte, Recht der kommunalen Betriebe, Sonstiges Kommunalrecht, Wettbewerbs-/Kartellrecht
Dokumentennummer: 19005081 ebenso Versorgungswirtschaft 2/2019, Seite 37

Umfassendes Infrastrukturmanagement als Geschäftsfeld für kommunale Energieversorger

- von Rechtsanwalt Martin Brück von Oertzen, Hamm -*

Gerade kommunale Energieversorger sind aktuell vom hohen Veränderungsdruck der Energiewirtschaft und den teilweise dramatischen Auswirkungen auf ihre Ergebnisentwicklung stark betroffen. Die Lage der Unternehmen ist nicht einfach. Zwischen Energiewende und Digitalisierung, Regulierung und smart city gilt es, bei erodierenden Margen traditioneller Produkte andere, ggf. neue Geschäftsfelder zu identifizieren und zu erschließen. Während ein Teil der Marktteilnehmer versucht, sich mit disruptiven Ansätzen neu zu erfinden, sehen andere in maßgeblicher Zahl auch weiterhin ihre Zukunft in den traditionellen Geschäftsfeldern. Derweil die Erwartungsfelder Smart Metering, Digitalisierung, E-Mobilität etc. mit ihren Ergebnisbeiträgen noch auf sich warten lassen, bietet es sich aus der Rolle des lokalen Energieversorgers heraus an, den Blick auch auf Naheliegendes zu richten.

1. Ausgangslage

Mit der Liberalisierung des Energiemarktes Ende der 90er Jahre, der Entflechtung und Regulierung der Energieversorgung Anfang der 2000er begleitet von massiver Förderung von Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (Stromeinspeisegesetz, EEG) und den weitreichenden Entscheidungen zur Energiewende im Nachgang der Fukushima-Katastrophe 2011 hat die Politik für kommunale Energieversorger ein immer schwierigeres wirtschaftliches Umfeld geschaffen. Für konventionelle Energieerzeugung existiert in Zeiten der Dekarbonisierung kaum mehr ein tragfähiges Geschäftsmodell. Bei den regenerativen Erzeugungsstrukturen bestehen größere Potentiale, jedoch herrscht hier deutlicher Wettbewerb, geprägt von einer durch interessenorientierte rechtliche Festlegungen erzeugte Knappheit an Standorten, verbunden mit einem durch staatliche Auktionen vermittelten wirtschaftlichen Druck.

Auch der Energiehandel ist von erheblicher Wettbewerbsintensität geprägt, die sich aufgrund der hohen Transparenz in signifikant sinkenden Margen äußert. Dies hat selbst große Marktteilnehmer dazu veranlasst, sich zumindest teilweise aus diesen Märkten zurück zu ziehen. Wenn auch im Vertrieb aktuell noch stabile Renditen erwirtschaftet werden, so ist durch den zunehmenden Druck weiterer Marktteilnehmer

auch hier mit deutlichen Einbußen zu rechnen. Im regulierten Netzbereich, dem traditionellen Ergebnis- und Werttreiber kommunaler Versorgungsunternehmen, werden aufgrund künftig weiter sinkender regulatorischer Eigenkapitalzinsen, durch den durch die Energiewende massiv gestiegenen Um- und Ausbau der Infrastruktur und den steigenden Regulierungsdruck sinkende Ergebnisbeiträge erwartet.1 Diese Entwicklung trifft insbesondere kleine und mittlere kommunale Energieversorger besonders, da diesen schon aufgrund ihrer geringeren Finanzkraft und Personalstärke die Mittel und die Möglichkeiten fehlen, sich gänzlich neu zu erfinden.

2. Kommunale Herausforderungen

Verschärft wird die Lage kommunaler Energieversorger zudem durch die spezifischen kommunalrechtlichen Rahmenbedingungen. Während rein privatwirtschaftlich strukturierte Versorger ihr Angebotsportfolio zwanglos um alle möglichen Zusatzleistungen ergänzen und ausschließlich betriebswirtschaftlichen Erwägungen verpflichtet sind, so gilt dies für kommunale Versorgungsunternehmen gerade nicht. Unternehmen der Energiewirtschaft, die sich entweder ganz oder zumindest mehrheitlich in kommunaler Hand befinden (gemischt-wirtschaftliche Unternehmen), unterfallen den Regularien der »wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen«2, im Folgenden beispielhaft erläutert auf der Grundlage der §§ 107 ff. GO NRW.

[…]

5. Kommunale Infrastruktur

Starke und zukunftsfähige Kommunen sind das Rückgrat für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor hierfür ist eine funktionierende kommunale Infrastruktur.

Die deutschen Kommunen schieben einen gewaltigen Investitionsstau von derzeit 159 Mrd. Euro vor sich her. Die meisten Investitionen fehlen im Bereich der Straßen und Verkehrsinfrastruktur (26 % oder rund 35 Mrd. Euro) sowie der Schulen (24 % oder rund 32 Mrd. Euro).13

Besorgniserregend ist, dass der Investitionsstau stetig steigt. Der hohe Investitionsrückstand bei Städten, Gemeinden und Landkreisen ist auf eine über Jahre hinweg zu geringe Investitionstätigkeit zurückzuführen. Die kommunale Nettoinvestitionsquote liegt laut Aussage der KfW seit 2004 im negativen Bereich. Die Folge: ein massiver Substanzverlust an kommunaler Infrastruktur. Der Verlust am öffentlichen Kapitalstock auf kommunaler Ebene betrug zwischen 2004 und 2014 rund 60 Mrd. Euro. Dies entspricht etwa 2% des Bruttoinlandsproduktes.

Zudem werden die kommunalen Investitionsbedarfe durch ein wahrnehmbares Bevölkerungswachstum zusätzlich angetrieben. Nach einem Rückgang seit Anfang der 2000er Jahre wächst die Bevölkerung seit 2011 kontinuierlich.14 Allein die Zahl der Kinder bis 6 Jahre ist von 2011 bis 2017 um 450.000 gestiegen.

Flankiert wird die besorgniserregende Investitionsentwicklung durch zwei weitere Aspekte, die die bedrückende wirtschaftliche Dimension noch vertiefen. Das eine ist der erhebliche Personalmangel in der öffentlichen Verwaltung. Laut Deutschem Beamtenbund fehlen im öffentlichen Dienst derzeit 185.000 Mitarbeiter. Allein in den Kommunalverwaltungen fehlen fast 138.000 Stellen.15 Neben den Erziehern und Lehrern betrifft dies in erheblichem, jedoch weit weniger von der Öffentlichkeit wahrgenommenen Maße, Ingenieure. Das führt dazu, dass aufgrund zu geringer Planungskapazitäten, trotz aller staatlichen Bemühungen für finanzielle Hilfen für Kommunen zu sorgen, die vorhandenen Gelder gar nicht verbaut werden können, weil es zu wenig Personal für Planung und Bau gibt.16 Das Problem verschärft sich zunehmend. So hat die öffentliche Verwaltung zwischen 2006 und 2016 zwar insgesamt gut 100.000 Stellen geschaffen, die Anzahl der Mitarbeiter ging im gleichen Zeitraum jedoch absolut um 8.000 Stellen zurück.17

Zu guter Letzt fehlt es im Bereich der öffentlichen Verwaltung vielfach auch an den notwendigen Informationen, auf die die weitere Planung der Sicherstellung der Erhaltung der Infrastruktur gestützt werden könnten. In vielen Kommunen hinkt die Digitalisierung der Zustandserfassung und der Planungstools hinterher. Nur eine belastbare Dokumentation der tatsächlich vorhandenen kommunalen Infrastruktur und eine fortlaufende Erfassung ihres Zustandes gewährleisten eine effiziente Erhaltung, Modernisierung und Steuerung dieses Fundaments jeder kommunalen wirtschaftlichen, wie auch gesellschaftlichen Entwicklung. Die Infrastrukturen der Kommunen bedürfen zudem mittel- und langfristig eines ökologisch motivierten Systemwechsels, der über die bloße Modernisierung hinausgeht. Um die komplexen Herausforderungen anzugehen, die mit einem solchen umfassenden Transformationsprozess verbunden sind, ist ein integriertes Konzept im »Konzern Kommune« erforderlich.18

Insbesondere vor dem Hintergrund einer bürgerzentrierten Stadtentwicklung wird daher die Forderung erhoben, dass smarte Städte nach Nachhaltigkeit und Resilienz streben müssen, mit ihren Ressourcen effizient haushalten und vernetzter und kooperativer handeln sollen.19

6. Kommunaler Infrastrukturmanager

Vergleicht man die verwendeten Begrifflichkeiten mit den alltäglichen Herausforderungen eines Versorgungsunternehmens, so verwundert es nicht, wenn einige Fachleute in den kommunalen Energieversorgungsunternehmen die Infrastrukturmanager der Zukunft sehen.20

[…]

* Martin Brück von Oertzen ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsmediator bei der Wolter Hoppenberg Rechtsanwälte Partnerschaft mbB.

1 Stadtwerke Studie 2030 PwC.

3 OLG Düsseldorf, 29.05.2001, 20 U 152/00 NVwZ 2002, 248 (249).

13 KfW-Kommunalpanel 2018 S. 2.

14 KfW-Kommunalpanel 2018 S. 5.

15 Die Zeit, 03.01.2018 (dpa).

16 Der Spiegel, 10.09.2018 »Ingenieurmangel im öffentlichen Dienst«.

17 KfWResearch Nr. 151 22.12.2016.

18 Difu Bericht 1/2018.

19 BizzEnergy, 07.02.2018 Versorger sind die City-Manager der Zukunft; Interview mit Prof. hc. Dr. Etezadzadeh.

20 BizzEnergy, 07.02.2018 Versorger sind die City-Manager der Zukunft; Interview mit Prof. hc. Dr. Etezadzadeh.

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