Neue Leitlinien für den Kundenanlagenbegriff als Grundlage kommunaler Mieterstrom- und Quartiersversorgungskonzepte
- von RA Joachim Held, Mag. rer. publ., Nürnberg -*
Der Kundenanlagenbegriff ist Gegenstand einer ganzen Reihe kartellbehördlicher Beschlüsse und deren Überprüfung durch die Gerichte. Dabei geht es letztendlich um die Festlegung einer regulierungsrechtlichen Relevanzschwelle, die jedoch von ganz erheblicher Bedeutung für die wirtschaftlichen Chancen von Mieterstrom- und Quartiersversorgungskonzepten ist. Dabei ergeben sich aus der neuen Rechtsprechung neue Leitlinien und eröffnen sich neue Perspektiven für regenerative und hocheffiziente Mieterstrom- und Quartierskonzepte als neues Geschäftsmodell für Stadtwerke, die ihr Dienstleistungsspektrum durch entsprechende Angebote erweitern müssen.
1. Einleitung
Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Definition des § 3 Nr.24a EnWG sind Kundenanlagen »Energieanlagen zur Abgabe von Energie,
a) die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden,
b) mit einem Energieversorgungsnetz oder einer Energieerzeugungsanlage verbunden sind,
c) für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sind,
d) jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.«
Der Streit um - unjuristisch gesprochen - »kleine Netze« ist so alt wie das Energieregulierungsrecht: Mit einer Reihe von Beschlüssen der Bundes- und Landesregulierungsbehörden und deren gerichtlichen Überprüfung ist nun wieder Bewegung in die Diskussion des Kundenanlagenbegriffs gekommen. Dabei sind insbesondere die Tatbestandselemente des räumlich zusammengehörenden Gebiets, der wettbewerblichen Bedeutung und der unentgeltlichen zur Verfügung Stellung umstritten.
2. Räumlich zusammengehörendes Gebiet, § 3 Nr. 24a a) EnWG
Ein räumlich zusammengehörendes Gebiet liegt dann vor, wenn auf Grund einer gewissen räumlichen Nähe und Verbindung zwischen den Grundstücken das Gebiet aus Sicht eines objektiven Betrachters als einheitlich wahrgenommen wird. Dabei ergibt sich eine Wahrnehmung als einheitlich insbesondere aus topographischen Merkmalen, die einen Gebietsbezug aufweisen.5 Insofern können natürliche oder künstliche Geländemerkmale, wie Gewässerläufe, Gräben oder Böschungen, Bewuchs, Nutzungsart, Verkehrswege, Bauwerke die räumliche Zusammengehörigkeit eines Gebiets begründen. Für das Tatbestandselement des räumlich zusammengehörenden Gebiets (§ 3 Nr. 24a a) EnWG) ist nach der neueren Rechtsprechung erforderlich, dass das Gebiet aus der Sicht eines objektiven Betrachters als einheitlich wahrgenommen wird.
Der aus der Sicht eines objektiven Betrachters zu bestimmende Eindruck eines zusammengehörenden Gebiets aufgrund gebietsabgrenzender, umschließender geographischer Elemente wie Straßen und Wege, Bachlauf, Eisenbahnlinie, Lärmschutzmauer und benachbarte Gebäuderiegel ist - soweit vorhanden - regelmäßig einfach zu bestimmen.
Dabei ist jedoch regelmäßig umstritten, ob weitere Kriterien der Gebietseigenschaft entgegenstehen oder diese bei fehlenden physisch-geographischen Elementen ersetzt oder zumindest bestärkt werden können.
a) Einheitliches bauplanerisches Ziel oder sonstiger übergeordneter Zweck als weiteres Merkmal für räumliche Zusammengehörigkeit
So wird teilweise die Gemeinsamkeit einer einheitlichen bauplanerischen Struktur des Areals, insbesondere in Bezug auf die Nutzungsarten nach der BauNVO7, z.B. als allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) oder Mischgebiet (§ 6 BauNVO), verlangt.
Neue
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* RA Joachim Held arbeitet seit 2009 bei Rödl & Partner als Rechtsanwalt mit den Tätigkeitsschwerpunkten Erneuerbare Energien, Wärmeversorgung und Energieeffizienz.