»EPSAS« – Was kommt auf den öffentlichen Sektor zu?
- von Prof. Dr. Arnim Goldbach, Burgdorf-Otze -*
Das öffentliche Rechnungswesen steht in Deutschland vor einer grundlegenden Neu- bzw. Weiterentwicklung - und die entsprechenden Verwaltungen von Bund, (den meisten) Ländern und (auch noch) Kommunen vor großen Herausforderungen. Geht es nach dem Willen der EU, sollen ab nächstem Jahrzehnt europäische Rechnungslegungsstandards - sog. EPSAS - zur Anwendung kommen, die voraussichtlich ganz wesentlich aus den internationalen Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Sektor - den sog. IPSAS - entwickelt werden (sollen). Damit soll mehr Transparenz und Vergleichbarkeit der Datenlage sowie ein größerer Steuerungsnutzen für die Verwaltung erreicht werden. Aufgrund der breit angelegten Verwendung (EU-weit) und den unterschiedlichsten Voraussetzungen sowie der großen Interessenvielfalt der Beteiligten ist es nicht verwunderlich, dass diese Entwicklung unterschiedlich eingeschätzt wird.
Aus deutscher Sicht wird hier untersucht, ob bzw. inwiefern die (vermutlichen) EPSAS geeignet sind, ihre Ziele zu erreichen. Die Analyse dieses Beitrages kommt - nach derzeitigem Entwicklungs- und Erkenntnisstand - zu einem ernüchternden Ergebnis: Der zusätzliche (soweit überhaupt erkennbare) Nutzen rechtfertigt in keiner Weise die zusätzlichen Kosten von EPSAS; im Gegenteil könnten noch eine größere Intransparenz und Unvergleichbarkeit sowie sogar Fehlsteuerungen drohen. Es sei denn, der vorgestellten Kritik an den (vermutlichen) EPSAS wird Rechnung getragen und positiv umgemünzt.
(…)
II. Was heißt und woher kommen EPSAS?
Und warum EPSAS?
(1) Was heißt »EPSAS« und woher kommen sie? »EPSAS« ist die Abkürzung für: »European Public Sector Accounting Standards«. Sie gibt es derzeit noch nicht. Vielmehr sollen sie aus den »IPSAS« - den »International Public Sector Accounting Standards« - entwickelt (und teilweise übernommen) werden1, die wiederum aus den (privatwirtschaftlichen) »IAS« (»International Accounting Standards«) bzw. »IFRS« (»International Financial Reporting Standards«) abgeleitet wurden. Diese Ableitung ist bei näherer Betrachtung nicht unproblematisch, da zu vermuten (befürchten) ist, dass die öffentlichen Rechnungslegungsvorschriften von vielen privatwirtschaftlichen Regelungen überlagert sind. Zugegebenermaßen ist das aber kein neues Problem, denn auch die nationalen Vorschriften
zum kommunalen Haushaltsrecht doppischer Prägung beziehen sich mehr oder weniger eng auf das nationale Handelsrecht (HGB usw.).
Wie die Bezeichnung »Accounting« bereits signalisiert, sollen die (zukünftigen) EPSAS (wie die IPSAS auch) sich nur auf die Rechnung beziehen (»Rechnungslegungsstandards«), nicht
aber auch auf die Planung (kein Budgeting). Damit soll das Budgetrecht der nationalen Politik nicht angetastet werden.
(2) Bei der Beantwortung der Frage »Warum EPSAS?« macht es Sinn, die Sicht der EUK/von EUROSTAT als »Initiatoren« und »Promotoren« des EPSAS-Prozesses darzustellen. Die EU hat vor allem vor dem Hintergrund der Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise ab 2007 - und dabei besonders ab 2010 - dafür primär Informationsdefizite im Hinblick auf die finanzstatistischen Daten der Mitgliedsstaaten verantwortlich gemacht. Darunter würde die Ermittlung eines »übermäßigen Defizits« zur Prüfung der Maastricht-Kriterien (max. 3% Neuverschuldung und max. 60% Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) leiden.2 Die Daten seien weder transparent noch vergleichbar.
Daraus leiten sich für die EUK die Ziele von EPSAS ab - in erster Linie mehr
1. Transparenz und
2. Vergleichbarkeit
der Datenlage zur Darstellung und Analyse der Haushaltslage in der EU. Dabei soll (wie die Nummerierung bereits andeutet) im Entwicklungsprozess zunächst die Priorität bei der Transparenz der Finanzdaten liegen und dann die Vergleichbarkeit »nachgeholt« werden.
Auf einer höheren Ebene lassen sich daraus folgende Leitziele zur Legitimation der EPSAS identifizieren:
1. Bessere Vergleichbarkeit im öffentlichen Sektor
2. Bessere Vergleichbarkeit mit der Privatwirtschaft
3. Kompatibilität mit Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (ESVG 2010)
4. Lieferung von entscheidungsrelevanten Informationen für die Stakeholder
Doch können die EPSAS/IPSAS diese »Versprechen« halten?
(…)
* Professor Dr. Arnim Goldbach lehrte an der Niedersächsischen Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege und an der Kommunalen Fachhochschule für Verwaltung in Niedersachsen. Seine Forschungsschwerpunkte waren insbesondere Finanzbuchführung und Didaktik des Neuen Kommunalen Rechnungswesens. Seit 2008 ist der Autor freiberuflich als wissenschaftlicher Berater und Qualifizierer im Rahmen des Neuen Kommunalen Rechnungs- und Haushaltswesens tätig.
1 Da zu erwarten ist, dass die IPSAS die EPSAS klar determinieren werden, es letztere aber noch nicht gibt, werden wir nachfolgend immer auf die IPSAS Bezug nehmen und dass - wenn nötig - durch die Kennzeichnung »EPSAS/IPSAS« zum Ausdruck bringen.
2 Siehe dazu die Deutsche Bundesbank: Die Maastricht-Schulden: methodische Grundlagen sowie die Ermittlung und Entwicklung in Deutschland, Monatsbericht April 2018, Frankfurt am Main 4/2018, S. 59-81 (mit explizitem Bezug zu EPSAS auf S. 70 f.).