Die Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb an der Schnittstelle zum Verteilernetz
- von RA Dr. Michael Weise, RAin Nadine Voß, RA Dr. Christian Gemmer, Stuttgart/Berlin -*
Die detaillierten Regelungen der europäischen Netzkodizes und Leitlinien sowie deren mittelbare und unmittelbare Auswirkungen in operativ-technischer sowie kommerzieller Hinsicht auf die Energiewirtschaft rücken zunehmend in den Fokus der gesamten Branche. Der folgende Beitrag nimmt dies zum Anlass, um nach einer Einführung in das Themengebiet der Netzkodizes und Leitlinien der Kommission (I.) sowie einer Darstellung der rechtlichen Grundlagen (II.) einen Überblick über die unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen der Leitlinie zum Übertragungsnetzbetrieb auf Verteilernetzbetreiber zu geben (III.). Abgeschlossen wird der Beitrag von einem kurzen Ausblick (IV.).
I. Einführung: Netzkodizes und Leitlinien
Während von der Kommission erlassene Leitlinien schon unter dem zweiten Binnenmarktpaket bekannt waren1, sind die europäischen Netzkodizes in der Geschichte des Europarechts ein relativ junges Regelungsinstrument, das mit dem dritten Energiebinnenmarktpaket aus dem Jahr 2009 eingeführt wurde.2 Beide Instrumente werden in der Diskussion terminologisch nicht immer sauber auseinandergehalten. Nachfolgend wird zwischen Leitlinien i.S.d. Art. 18 StromhandelZVO und Netzkodizes nach Art. 6 ff. StromhandelZVO unterschieden.
1. Hintergrund
Grund für die Einführung der beiden Regelungsinstrumente war u.a. die Erkenntnis, dass das Zusammenwachsen des europäischen Strombinnenmarkts präzise, einheitliche und diskriminierungsfreie Regeln für grenzüberschreitende Markttransaktionen sowie zum Betrieb grenzüberschreitender Elektrizitätsnetze erfordert, um die unterschiedlich vorgeprägten nationalen und regionalen Märkte in einem Markt zu integrieren.3…
III. Leitlinie zum Übertragungsnetzbetrieb
In der Leitlinie zum Übertragungsnetzbetrieb (system operation guideline, SO) werden drei Regelwerke zusammengeführt, die ursprünglich als eigenständige Netzkodizes geplant waren. Inhaltlich enthält sie - wie dem Titel bereits zu entnehmen ist - Vorgaben für den Betrieb von Übertragungsnetzen. In der Gesamtschau ist die Leitlinie in Kombination mit der Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement (capacity allocation and congestion management, CACM) sowie mit dem Netzkodex über den Notzustand und den Netzwiederaufbau des Übertragungsnetzes (emergency and restoration, ER) zu sehen. Diese drei Regelwerke enthalten die wesentlichen Vorschriften für die Übertragungsnetze.
Der CACM verpflichtet die Übertragungsnetzbetreiber u.a. als Voraussetzung der grenzüberschreitenden Kapazitätsberechnung, eine einheitliche Netzmodellmethode zu entwickeln. ...
* Die Autoren sind Rechtsanwälte der auf Energie- und Infrastrukturrecht spezialisierten überörtlichen Partnerschaft Becker Büttner Held, PartGmbB.
1 Siehe z.B. Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel, ABl. 2003 L 176/1.
2 Leffler/Fischerauer, in: Leffler/Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, 1. Auflage 2017, S. 21 f., 31.
3 ec.europa.eu/energy/en/topics/wholesale-market/electricity-network-codes - Zugriff am: 31.01.2018.