Dezentrale öffentliche Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energieträgern
- Klimaschutz durch Ausbau im Bestand nach BVerwG, Urteil vom 08.09.2016 - 10 CN 1/15
- von Rechtsanwältin Dr. Sabrina Desens, Leipzig -*
Die Gemeinde als Förderer des Klimaschutzes? Was lange weit weg und eher Sache des europäischen oder nationalen Gesetzgebers zu sein schien, ist nach einer wegweisenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts näher gerückt. Mit seinem Urteil vom 08.09.2016 (10 CN 1/15) hat das Gericht den Gemeinden - bzw. den von ihnen beherrschten
Stadtwerken und Wohnungsbaugesellschaften - eine Möglichkeit an die Hand gegeben, die Wärmeversorgung in Städten und Gemeinden Schritt für Schritt nicht nur bei Neubauten, sondern im kompletten Bestand auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Dadurch, dass das BVerwG die Möglichkeit der Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs erleichtert hat, steht nun neben den klassischen Contracting-Modellen ein zusätzliches attraktives Instrument zur Organisation einer wirtschaftlichen Auslastung derartiger Wärmeerzeugungsanlagen zur Verfügung. Die Gemeinden könnten so zukünftig eine wichtige Rolle bei der Erreichung der klimapolitischen Ziele spielen.
I. Einleitung
Das viel beachtete1 Urteil des Bundesverwaltungsgerichts richtet den Blick auf die Potenziale der Wärmeversorgung für die Energiewende. Das erscheint in der Tat überfällig, werden doch mehr als 50% der sogenannten Endenergie in Deutschland im Wärme- und Kältesektor verbraucht.2 Dabei ist die Wärmeerzeugung für ca. 40% der energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich.3 Der Wärmesektor hat damit sogar eine größere Bedeutung als der bislang im Mittelpunkt der Energiewende stehende Stromsektor.4 …
2. Anschluss- und Benutzungszwang
Jedenfalls auf den ersten Blick bereits in der Struktur viel einfacher erscheint demgegenüber die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs. Denn hier ist nur eine einzige, räumlich auf ein oder mehrere Gebiete beschränkte Satzung notwendig. Wenn auch hier natürlich häufig der Teufel im Detail steckt5, bietet eine solche »öffentlich-rechtliche Lösung« auch andere Vorzüge. Hervorzuheben ist insoweit insbesondere die Möglichkeit eines Ausbaus im Bestand. …
b) Öffentliches Bedürfnis
Die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs setzt ferner voraus, dass ein legitimes öffentliches Bedürfnis dafür besteht. Vor dem Hintergrund, dass Anschluss- und Benutzungszwänge historisch oftmals Voraussetzung dafür waren, dass kommunale Infrastruktur in den Bereichen Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Friedhöfe, Schlachthöfe etc. überhaupt entstehen konnten, stand hier ursprünglich der »Schutz der Volksgesundheit« im Vordergrund.6 Weitere seit langem anerkannte Zwecke sind die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen sowie die Versorgungssicherheit.7
Mit § 16 EEWärmeG und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.09.2016 tritt ungeachtet früherer Vorbehalte (s. dazu ausführlich oben II.) mit dem Klimaschutz nun ein weiteres anerkanntes Bedürfnis hinzu. …
* Dr. Sabrina Desens ist als Rechtsanwältin in der Praxisgruppe Umwelt, Planung, Regulierung bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig. Sie berät neben Unternehmen insbesondere auch Kommunen, Zweckverbände und kommunale Gesellschaften in allen Fragen des öffentlichen Rechts.
1 BVerwG, Urteil vom 08.09.2016 - 10 CN 1/15, VW-DokNr. 18002102; s. die Besprechungen von Schmidtchen, DVBl. 2017, 310 ff.; Riggert, IR 2017, 18 f.; Schwabe, EnWZ 2017, 46 ff.; Helmes, NVwZ 2017, 64 f.; Waldhoff, JuS 2017, 711 f.
2 Wustlich in: Danner/Theobald, Energierecht, EEWärmeG, Einführung Rn. 4 (Loseblatt: Stand Juli 2017).
3 BT-Drs. 18/10708, S. 61; Helmes, NVwZ 2017, 64.
4 Vgl. Wustlich in: Danner/Theobald, Energierecht, EEWärmeG, Einführung Rn. 5 (Loseblatt: Stand Juli 2017).
5 Überblick bei Vollmer, IR 2016, 247 ff.
6 Waldhoff, JuS 2017, 711.
7 Vgl. Henneke/Ritgen, Praxis der Kommunalverwaltung, S. 144.