Die Verordnung zur schrittweisen Einführung bundeseinheitlicher Übertragungsnetzentgelte
- von RA Dr. Thomas Wolf und StB Jürgen Dobler -*
Am 22.07.2017 ist das Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz) in Kraft getreten. Wesentlicher Bestandteil dieses Gesetzes ist die Verordnungsermächtigung zur schrittweisen bundesweit einheitlichen Festlegung der Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber. Mit der Verordnung zur schrittweisen Einführung bundeseinheitlicher Übertragungsnetzentgelte1 hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats nunmehr von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht. Nachdem die Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte zum 01.01.2019 beginnen soll und damit bereits bei der Ermittlung der (zumindest vorläufigen) Netzentgelte zum 15.10.2018 Berücksichtigung finden muss, soll die neue Systematik nachfolgend dargestellt werden.
I. Anlass und Inhalt der Verordnung
Die Grundsatzentscheidung, dass die Übertragungsnetzentgelte bis zum 01.01.2023 bundesweit angeglichen werden sollen, hatte der Gesetzgeber bereits im Netzentgeltmodernisierungsgesetz getroffen.2 Die Verordnung setzt diese gesetzgeberische Entscheidung nunmehr um. Hierzu werden Regelungen zur technischen Ermittlung der bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelte, zum Ausgleich der Mehr- oder Mindereinnahmen aufgrund bundeseinheitlicher Übertragungsnetzentgelte und zum Datenaustausch zur Bildung der bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelte getroffen. Die Verordnung gestaltet die schrittweise Einführung ab dem 01.01.2019 näher aus. Hierfür ist eine Übergangsregelung vorgesehen, die den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 31.12.2022 erfasst. Der Verordnungsgeber hat hierbei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 24a Nr. 1 EnWG für einen schrittweise steigenden Anteil der Übertragungsnetzkosten einen bundeseinheitlichen Netzentgeltanteil zu bestimmen.3 Dieser bundeseinheitliche Netzentgeltanteil wird im jeweiligen Übergangsjahr mit dem Netzentgeltanteil addiert, der wie bisher unternehmensindividuell bestimmt wird, wobei die Vereinheitlichung in fünf gleich großen Schritten erfolgt, die sich auf den zu vereinheitlichenden Kostenanteil beziehen.4
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung des Verordnungsgeber: »Auf Seite der Netzkunden führt die Vereinheitlichung im bundesweiten Schnitt ebenfalls zu keiner Änderung. Die Bildung bundeseinheitlicher Übertragungsnetzentgelte führt zu keiner Erhöhung der zu verteilenden Kosten«.5 Dies mag bezogen auf die Gesamtkosten zutreffend sein, blendet aber aus, dass es individuell bei den Kunden in Abhängigkeit vom (Wohn-)Sitz durchaus zu Änderungen bei der Kostenbelastung kommen wird.
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II. Rechtliche Ausgestaltung der Einführung einheitlicher Übertragungsnetzentgelte
Grundsätzlich gilt: »Jeder Übertragungsnetzbetreiber wird auch nach der Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte wie bisher separat reguliert und für ihn eine eigene Erlösobergrenze nach den Vorschriften der Anreizregulierung ermittelt. Lediglich die sich daraus abzuleitenden Netzentgelte werden stufenweise angeglichen. Daraus folgende Mehr- oder Mindererlöse der einzelnen Übertragungsnetzbetreiber sind untereinander auszugleichen. Auf diese Weise sollen die Einnahmen aus den Netzentgelten bei jedem Übertragungsnetzbetreiber im Ergebnis in der Höhe verbleiben, die sich für das jeweilige Kalenderjahr aus seiner Erlösobergrenze ergibt.«7
Nicht vereinheitlicht werden die Entgelte für den Messstellenbetrieb und für singulär genutzte Betriebsmittel gemäß § 19 Abs. 3 StromNEV.8 Begründet wird dies damit, dass der Messstellenbetrieb eine gesonderte, nicht den Netzentgelten zugeordnete Aufgabe ist. Auch die Netzentgelte für singulär genutzte Betriebsmittel bleiben außen vor, da sich diese an individuell zurechenbaren Kosten orientieren.9 Anderes gilt für die individuellen Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 Strom- NEV; diese werden bei den Übertragungsnetzbetreibern zukünftig auf Grundlage des bundeseinheitlichen Netzentgelts ermittelt.10
Die festgelegten Erlösobergrenzen bilden zunächst die Grundlage für die Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte. Nach § 14b Abs. 1 S. 2 StromNEV werden von der Erlösobergrenze diejenigen Anteile in Abzug gebracht, die für die Entgelte für den Messstellenbetrieb und für singulär genutzte Betriebsmittel anfallen. Anschließend bilden die betroffenen Übertragungsnetzbetreiber dann jeweils einen gemeinsamen Kostenträger für die Höchstspannungsebene und für die Umspannebene von Höchst- zu Hochspannung. Ausgangspunkt dieser Zuordnung der Kosten auf die bundeseinheitlichen Kostenträger ist nach § 14b Abs. 2 S. 2 StromNEV die Kostenstellenrechnung jedes dieser Übertragungsnetzbetreiber.
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* Die Verfasser sind im Geschäftsbereich Energiewirtschaft bei Rödl & Partner in Nürnberg tätig.
1 Nachfolgend: die Verordnung (in Kraft getreten am 29.06.2018, BGBl. I, 865).
2 § 24 S. 2 Nr. 4 b) EnWG.
3 BR-Drs. 145/18, S. 11.
4 BR-Drs. 145/18, S. 11.
5 BR-Drs. 145/18, S. 11.
7 BR-Drs. 145/16, S. 10.
8 BR.-Drs. 145/8, S. 17.
9 BR-Drs. 145/8, S. 17.
10 BR-Drs. 145/8, S. 17.