Vermiedene Netznutzungsentgelte für Elektrizität
- von Rechtsanwalt Dr. Achim-Rüdiger Börner, Köln -
Das Energiewirtschaftsgesetz und die Verordnung über Stromnetzentgelte setzen das transaktionsunabhängige Punktmodell um, in dem nur die Letztverbraucher bzw. deren Lieferanten das Netznutzugsentgelt zahlen. Dezentral einspeisende Erzeuger erhalten das sog. vermiedene Netznutzungsentgelt in Höhe der Entgelte, die die Netzbetreiber erheben, die der Einspeisung vorgelagerte Netz- und Umspannebenen betreiben; diese Entgelte werden wie alle Netznutzungsentgelte aufgrund kalkulatorischer Kosten als Entgelte gemäß Kosten- oder Anreizregulierung genehmigt und spiegeln daher nicht den wirklichen, oft durch Kostensprünge beeinflussten Netznutzungsaufwand wider, und das gilt auch für die Errechnung der Ersparnis. Man ging davon aus, dass die dezentralen Einspeiser mit ihren kleineren Anlagen diese Auszahlungen benötigen, um die Skaleneffekte von Großkraftwerken kompensieren und ihre Elektrizität wettbewerbsfähig anbieten zu können. Aufgrund der Erstattungen, die durch „Umhängung“ von Kraftwerken auf niedrigere Netzebenen ausgelöst wurden, und des Aufwandes durch Rückspeisung infolge einer Vielzahl dezentraler Einspeisungen, die das nachgelagerte Netz nicht an Letztverbraucher abgeben kann, beabsichtigt die Bundesregierung im Referentenentwurf zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur vom 02.01.2017, die Regelung zur Auszahlung vermiedener Netzentgelte zu streichen. Während sich für EEG- und KWK-G-Anlagen keine wesentlichen Aufkommensänderungen ergeben, werden dann die Gutschriften für nicht geförderte dezentrale Einspeiser entfallen, eine Energiepolitik „durch die Hintertür“ zu Lasten dezentraler fossil gefeuerter Anlagen trotz ihrer wichtigen Funktion zur Netzstabilisierung und unter Missachtung des Vertrauensschutzes.
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3. Vermiedenes Netznutzungsentgelt
Mit der Gutschrift der vermiedenen Netznutzungsentgelte an dezentrale Einspeiser sollte der fehlende Skaleneffekt kleiner, dezentraler Anlagen gegenüber Großkraftwerken ausgeglichen werden, der dadurch aufscheint, dass im transaktionsunabhängigen Punktmodell mit dem auf voller Kostenwälzung beruhenden Netznutzungsentgelt nicht mehr berücksichtigt wird, in welche Netzebene ein Kraftwerk einspeist. Gäbe es einen Einspeisetarif, nähme das dezentrale Kraftwerk in der Regel weniger Netzebenen in Anspruch und hätte insofern einen Kostenvorteil.
3.1 Funktionsweise
Nach § 18 I 1, 2 StromNEV erhält der Betreiber einer dezentralen Erzeugungsanlage vom Betreiber des Netzes, in das er einspeist, ein Entgelt, das den Netzentgelten entspricht, das den gegenüber den vorgelagerten Netz- und/oder Umspannebenen durch die Einspeisung vermiedenen Netzentgelten entspricht. …
4. Referentenentwurf
… Es liegt ein neuer, 23-seitiger Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für ein Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur vor (E-NE). Er enthält zwar nicht mehr wie noch der erste Entwurf die Vorschriften zur bundesweiten Vereinheitlichung der Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber,1 sieht aber angesichts übermäßig hoher Netznutzungsentgelte vor allem in den Neuen Bundesländern aufgrund der Einbindung von EE-Anlagen vor, dass - über die neue Verordnungsermächtigung in § 24 Ziff. 4 EnWG zur bundesweiten Umlage von Kosten zur Integration dezentraler EE-Anlagen hinaus - insbesondere auch die Verordnungsermächtigung in § 120 EnWG erweitert (Art. 1 E-NE) und die StromNEV entsprechend verändert (Art. 3 E-NE) wird:
EE-Anlagen mit volatiler Erzeugung, die ab dem 01.01.2018 in Betrieb genommen werden, sowie dezentrale Erzeugungsanlagen, die ab dem 01.01.2021 in Betrieb genommen werden, sollen keine „Erstattung eingesparter Entgelte für den Netzzugang“ mehr erhalten (§ 120 IE-EnWG). …
1 Vgl. Nallinger, Drohende Millionenverluste bei KWK, ZfK vom 16.01.2017, S. 1 .Der Bundesrat fordert - nach Ablehnung vereinheitlichter Netznutzungsentgelte für die Übertragungsebene - m.E. mit Recht nun, dass die durch die Energiewende verursachten Netzausbaukosten der Übertragungsebene über alle Übertragungs-ebenen gewälzt und damit von allen inländischen Netznutzern getragen werden. Zum Stand der Diskussion s. auch Nallinger, Spreizung der Meinungen, ZfK vom 05.02.2017, S. 7