Neuregelung des Rechts der Konzessionsvergaben – was lange währt, wird endlich gut?
- von Dr. Thomas Wolf und RAin Johanna Dörfler, Nürnberg -- *
Das Konzessionsvergabeverfahren „und die beim Wechsel des Inhabers des Wegenutzungsrechts erforderlichen Netzübernahmeverhandlungen waren in der Praxis zuletzt vermehrt Gegenstands gerichtlicher Auseinandersetzungen. Auch in näherer Zukunft stehen zahlreiche solcher Verfahren an, und es ist zu befürchten, dass auch diese Verfahren einiges an Konfliktpotential aufweisen.“ Mit diesen Worten beginnt der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung, den die Bundesregierung vor einigen Wochen vorgelegt hat, zu dem der Bundesrat am 18.03.2016 bereits eine Stellungnahme abgegeben hat und der am 29.04.2016 in erster Lesung im Bundestag (BT-Drs. 18/8184) beraten wurde. Mit dem Gesetzentwurf verfolgt die Bundesregierung insbesondere folgende Ziele: die Konkretisierung des Auskunftsanspruchs der Gemeinde gegenüber dem Altkonzessionär, die Einführung von zeitlich gestaffelten Rügeobliegenheiten, die Regelung der Fortzahlung der Konzessionsabgabe, die Bestimmung des wirtschaftlich angemessenen Netzkaufpreises und die Legitimierung der Belange der örtlichen Gemeinschaft als Kriterium bei der Auswahl des Neukonzessionärs.
Im Folgenden sollen die geplanten Neuregelungen dargestellt, bewertet und aus Sicht der Verfasser bestehende Optimierungspotentiale aufgezeigt werden.
(…)
2. § 46 Abs. 4 EnWG - Die Auswahlkriterien
Mit dem neu einzufügenden § 46 Abs. 4 EnWG-E soll nun erstmals eine Regelung zum eigentlichen Konzessionsvergabeverfahren und insbesondere zu den hierbei anzuwendenden Auswahlkriterien im Gesetz verankert werden. Bislang beschränkt sich die gesetzliche Vorgabe hierzu auf den Hinweis in § 46 Abs. 3 EnWG, dass die Gemeinde den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet ist. Nicht nur diese Regelung, sondern auch die Präzisierung des BGH, wonach diese Ziele vorrangig zu berücksichtigen seien1, ließen insbesondere die Frage offen, mit welchem Gewicht diese Ziele zu berücksichtigten sind. Unklar war auch, welche Kriterien neben diesen Zielen Berücksichtigung finden können.
Um diese Unklarheiten zu beseitigen, sieht der Gesetzesentwurf vor, dass unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden können und stellt darüber hinaus klar, dass der Kommune bei der Aufstellung der Auswahlkriterien gewisse Ermessensspielräume zukommen sollen. Unklar bleibt, was im Einzelnen unter „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ zu verstehen ist und in welchem Maßstab diese Angelegenheiten in die Bewertung der Angebote einfließen dürfen. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs lässt sich entnehmen, dass Kriterien wie Laufzeit und Koordinierung von Baumaßnahmen mit anderen Spartenträgern zulässig sein sollen. Die zulässige Gewichtung dieser Kriterien lässt sich jedoch auch der Begründung nicht entnehmen. Damit ist wohl anzunehmen, dass jedenfalls die vom Bundeskartellamt als „safe harbour“ bezeichnete Bewertung der Kriterien außerhalb der Ziele des § 1 EnWG mit maximal 30 %2 zulässig sein dürfte.
Vollkommen unklar ist jedoch - insoweit ist den Ausführungen des Bundesrats in seinen Anmerkungen zum Gesetzesentwurf zuzustimmen3 - warum der Gesetzesentwurf als netzwirtschaftliche Anforderungen, die im Rahmen der Auswahlkriterien zu berücksichtigen sind, ausdrücklich die Kriterien Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz bezeichnet. …
* Die Verfasser sind Rechtsanwälte im Geschäftsbereich Energiewirtschaft von Rödl & Partner, Nürnberg, BR-Drs. 73/16, S. 1.
1 BGH, Urteil vom 13.12.2013 - KZR 66/12, Vw-DokNr. 14002662 m. Anm. Börner, VersorgW 2014, 133, DokNr. 14002798.
2 Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, 21.05.2015, Rn. 32.
3 Stellungnahme des Bundesrats, Bundesrat Drucksache vom 18.03.2016, 73/16.