Der Kunde auf der Flucht - Was tun, wenn der Kunde nicht mehr erreichbar ist?
- von Rechtsanwalt Michael Brändle, Freiburg -*
Gelegentlich kommt es vor, dass Energie- und Wasserkunden - aus welchen Gründen auch immer - untertauchen und für niemanden nicht mehr erreichbar sind. Meist wird das von dem Energie- oder Wasserlieferanten erst zu einem Zeitpunkt bemerkt, zu dem bereits Zahlungsrückstände entstanden sind und es stellt sich die Frage, ob und unter welchen Umständen die Energie- und Wasserzufuhr unterbrochen werden darf. Möglicherweise leben noch andere Personen in der Wohnung des flüchtigen Kunden. Taucht ein Gebäudeeigentümer und Vermieter eines Mehrfamilienhauses unter, würde eine Unterbrechung der Versorgung mit Erdgas, Fernwärme oder Wasser das Haus unbewohnbar machen und unmittelbar die Mieter treffen. Weiterhin stellt sich die Frage gegen wen und in welcher Weise die aufgelaufenen Rückstände geltend gemacht werden können. Der nachstehende Beitrag behandelt die Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten dem Lieferanten in einer solchen Situation zur Verfügung stehen.
1. Willenserklärung
Das Hauptproblem besteht darin, dass dem untergetauchten Kunden auf den üblichen Wegen eine empfangsbedürftige Willenserklärung nicht mehr zugehen kann. Eine in Abwesenheit des Empfängers abgegebene Willenserklärung, also insbesondere ein Schreiben oder auch ein Fax oder eine E-Mail, wird erst in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestimmung des § 130 BGB ist von hoher praktischer Bedeutung und sie wirkt sich auf den alltäglichen Rechtsverkehr aus, weil sie eine empfangsbedürftige Willenserklärung erst dann für wirksam erklärt, wenn sie nicht nur abgegeben wurde, sondern darüber hinaus erst, wenn die dem Empfänger auch zugegangen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine auf einen Vertrag gerichtete (zweiseitige) Willenserklärung handelt oder um eine einseitige wie insbesondere die Kündigung.
(…)
5. Schutz der Bewohner und Mieter
In der besprochenen Konstellation wären eigentlich die ggf. vorhandenen weiteren Bewohner der Wohnung des flüchtigen Kunden und vor allem auch eventuelle Mieter des flüchtigen Kunden schutzbedürftig. Bezüglich ggf. vorhandener weiterer Bewohner der Wohnung des flüchtigen Kunden ließe sich gut begründen, dass mit diesen ein Grundversorgungsvertrag § 2 Abs. 2 StromGVV/GasGVV zustande kommt. Hier erscheint es angeraten zu sein, den verbleibenden Bewohnern seitens des Grundversorgers ein „Begrüßungsschreiben“ nach § 2 Abs. 1 Satz 2 StromGVV/GasGVV zukommen zu lassen um wenigstens ab diesem Zeitpunkt wieder einen erreichbaren Vertragspartner zu haben.
* Der Autor ist spezialisierter Rechtsanwalt, Autor und Dozent für Energierecht in Freiburg und Lehrbeauftragter für Energierecht an den Hochschulen Esslingen und Karlsruhe sowie an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg/Friedrichshafen.