Erweiterte vergaberechtliche Handlungsspielräume für Sektorenauftraggeber vor dem Hintergrund des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes
- von Rechtsanwalt Dr. Jan-Oliver Schrotz, LL.M (Leiden) und Rechtsanwalt Dr. Julian Faasch, Hamburg/Düsseldorf-*
Die Vergaberechtsreform hat mit der Verabschiedung des Entwurfs zum Vergaberechtsmodernisierungsgesetz („Referentenentwurf“)1 durch das Bundeskabinett die nächste Etappe erreicht.
Nunmehr explizit im Sektorenbereich geregelt sind dabei die bislang nur in engen Grenzen erlaubten In-House Vergaben und (sonstigen) Kooperationen zwischen Auftraggebern in den Sektoren („öffentlich-öffentliche Kooperation“). Dies stärkt die Möglichkeiten von Sektorenauftraggebern, Geschäftsabläufe ohne zeit- und kostenaufwändige Vergabeprozesse zu optimieren, beispielsweise durch die Bündelung von Geschäftstätigkeit in einem Tochterunternehmen. Sektorenauftraggeber können hierdurch langfristig ihre Wettbewerbsposition stärken und die Kosten- und Leistungsstrukturen im Unternehmen optimieren.
Der vorliegende Beitrag erläutert, in welcher Weise die Rechtsinstitute der In-House Vergabe und der öffentlich-öffentlichen Kooperation nunmehr gesetzlich geregelt werden und welche Freiräume sich daraus für Sektorenauftraggeber ergeben. Ferner werden die besonderen Ausnahmen für Vergaben an verbundene Unternehmen sowie für die Vergaben durch oder an ein Gemeinschaftsunternehmen dargestellt.
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3. Darstellung und Wertung der erweiterten Handlungsprivilegien nach dem GWB-E
Mit dem neuen GWB können Sektorenauftraggeber zahlreiche neue Handlungsspielräume bei der Strukturierung von In-House Vergaben für sich nutzbar machen, die nachfolgend dargestellt werden sollen. Im Einzelnen:
a. Erhöhung des zulässigen Fremdumsatzes
Auch nach dem GWB-E muss ein von einem Sektorenauftraggeber kontrolliertes Unternehmen im Wesentlichen für den Sektorenauftraggeber tätig werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH und den deutschen Vergabenachprüfungsinstanzen musste der Auftragnehmer bis dato 90 % seiner Tätigkeiten für den Auftraggeber ausüben.2 Zukünftig wird diese Schwelle niedriger angesetzt. Eine erhebliche Tätigkeit für Dritte und damit eine Nichterfüllung des Wesentlichkeitskriteriums liegt erst dann vor, wenn das für den Auftrag vorgesehene Rechtssubjekt mehr als 20 % seines Umsatzes aus Drittgeschäften erzielt.
b. Möglichkeit privater Kapitalbeteiligungen
Das für eine In-House Vergabe zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch schädliche Verbot einer privaten Beteiligung an der kontrollierten Gesellschaft erfährt durch § 108 Abs. 1 GWB-E jedenfalls eine gewisse Aufweichung. Zunächst bezieht die Neuregelung das Verbot explizit nur noch auf Fälle der direkten privaten Kapitalbeteiligung. Aber auch eine direkte private Kapitalbeteiligung soll einer In-House Vergabe zukünftig nicht zwangsläufig entgegenstehen. …
* Rechtsanwalt Dr. Jan-Oliver Schrotz, LL.M (Leiden) verantwortet den Bereich Öffentliches Wirtschaftsrecht der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hamburg. Rechtsanwalt Dr. Julian Faasch ist am Düsseldorfer Standort der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH schwerpunktmäßig im Vergaberecht tätig.
1 Der Referentenentwurf kann unter folgender Adresse abgerufen werden: www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/entwurf-gesetz-modernisierung-vergaberecht,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf.
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2 Das OLG Celle hat diese Schwelle in der Vergangenheit sogar höher angesetzt und ging davon aus, dass eine erhebliche Tätigkeit für Dritte und damit eine Nichterfüllung des sogenannten Wesentlichkeitskriteriums bereits dann vorliegt, wenn das für den Auftrag vorgesehene Unternehmen mehr als 7,5 % seines Umsatzes aus Drittgeschäften erzielt, vgl. OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2009 - 13 Verg 8/09.