Die energie- und zivilrechtliche Bedeutung technischer Regeln gemäß § 49 EnWG für Netzbetreiber
- von Rechtsanwälte Dr. Christian de Wyl, Florian Wagner und Alexander Bartsch, Berlin *
Im Zusammenhang mit dem Anschluss von elektrischen Anlagen an das Netz und deren Betrieb kommt den vom Netzbetreiber für sein Netz vorgegebenen technischen Regeln eine besondere Bedeutung zu. Deren Inhalt wird in der Praxis (in Teilen) häufig durch verbändeseitig entwickelte Normen ausgefüllt, die auch beim Betrieb des Netzes selbst bedeutsam sind. In § 49 Abs. 2 EnWG hat der Gesetzgeber dabei den vom Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) sowie der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) entwickelten technischen Regeln besonderes Gewicht beigemessen, da bei Befolgung der VDE/DVGW-Regelwerke die Einhaltung der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ vermutet wird. Rechtliche Probleme entstehen in der Praxis dann, wenn ein Netzbetreiber z.B. technische Anschlussbedingungen (TAB) im Einsatz hat, die höhere „Standards“ als die technischen Regeln von VDE/DVGW setzen. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Auswirkungen der Vermutungsregelung des § 49 Abs. 2 EnWG auf Netzbetreiber in unterschiedlichen Konstellationen und zeigt auf, inwieweit ein Abweichen von den technischen Regeln des VDE/DVGW möglich ist und welche Haftungsrisiken für Netzbetreiber selbst bei einer Unterschreitung der insoweit vorgegebenen „Standards“ gegebenenfalls bestehen.
A. Gesetzliche Regelung
(…)
Konflikte zwischen Netzbetreibern und Betreibern von an das Netz angeschlossenen oder anzuschließenden Energieanlagen können dann entstehen, wenn Netzbetreiber in ihren TAB die an die technische Sicherheit einer Energieanlage zu stellenden Anforderungen im Vergleich zu den technischen Regeln der Verbände gemäß § 49 Abs. 2 S. 1 EnWG verschärfen. Sowohl für die Hersteller von entsprechenden Energieanlagen als auch für Anschlussnehmer bzw. -nutzer kann dadurch ein Mehraufwand entstehen. In diesen Fällen stellt sich daher regelmäßig die Frage, ob die „nach oben“ abweichenden TAB des Netzbetreibers rechtmäßig sind. Netzbetreiber sehen sich in solchen Fällen der Forderung zum Nachweis der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik gegenüber. Unter B. wird aufgezeigt, welche Rolle in diesem Zusammenhang - und in konkreten regulierungs- sowie zivilrechtlichen Verfahren - der gesetzlichen Vermutungsregelung aus § 49 Abs. 2 S. 1 EnWG zukommt.
Ferner stellt sich die Frage, welche haftungsrechtlichen Auswirkungen ein Unterschreiten der technischen Regeln der Verbände gemäß § 49 Abs. 2 S. 1 EnWG für Netzbetreiber haben kann, wenn hierdurch Schäden an Rechtsgütern von Vertragspartnern des Netzbetreibers oder sonstigen Dritten entstehen. Hierauf wird unter C. - auch anhand von Praxisbeispielen - eingegangen.
* Dr. Christian de Wyl ist Rechtsanwalt und Partner, Florian Wagner und Alexander Bartsch sind Rechtsanwälte der überörtlichen Partnerschaft Becker Büttner Held.