Das Problem des Kapazitätsvorhalts im Grünbuch des Bundeswirtschaftsministers »Ein Strommarkt für die Energiewende«
- von Rechtsanwalt Dr. Achim-Rüdiger Börner, Köln -
Das Bundeswirtschaftsministerium hat Ende Oktober ein Grünbuch »Ein Strommarkt für die Energiewende« vorgelegt, das in den drei Kapiteln, (1) Strommarkt heute und morgen, (2) Sowieso-Maßnahmen (Marktpreissignale stärken, Stromnetze ausbauen und optimieren, einheitliche Preiszonen erhalten, die europäische Kooperation intensivieren, die Klimaschutzziele erreichen) und (3) Lösungsansätze zur Kapazitätsvorhaltung, die Wahl zwischen einer Umgestaltung des Strommarktes in eine energy-only Lösung (weiterhin nur Arbeitspreise) oder seiner Ergänzung um einen Kapazitätsmarkt (capacity market) auf der Grundlage von zwei zuvor eingeholten Studien vorstellt. An das Grünbuch schließt sich eine Konsultation bis 01.03.2015, für die auch darüber hinaus eine Plattform auf der Internetseite des Bundeswirtschaftsministeriums1 eröffnet sein soll. Unter Berücksichtigung der Beiträge soll dann ein Regelungsvorschlag erarbeitet und in Form eines Weißbuchs veröffentlicht werden, der nach erneuter Konsultation im Herbst 2015 in einem Gesetzgebungsvorhaben münden soll. Der Beitrag veranschaulicht dort noch nicht genannte ökonomische Basisüberlegungen.
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…. Dabei ist die negative Regelenergie, also die Abfuhr von Überschussmengen, noch das geringere Problem, denn dafür gibt es - abgesehen von Generatorabschaltungen und Mehrverbräuchen, deren zeitgerechte Steuerung schwierig ist, sowie Verkäufen mit negativem Preis ins Ausland - bekannte Techniken, die nicht allzu aufwendig sind: Power to Kinetics (erst Blindstromaufnahme und phasenverschiebende Generatoren, dann Pump- und Dampf-kraftspeicher), Power to Heat/to Cool (Wärme- und Kältespeicher), Power to Gas (Wasserstoffproduktion), Power to Chemicals (Batterie). Problematischer ist - und das vernachlässigt das Grünbuch (z.B. S. 16f) - die positive Regelenergie, also die Zufuhr von Unterschussmengen, denn dafür braucht es - abgesehen von Minderverbräuchen, deren zeitgerechte Steuerung schwierig ist, und Ankäufen aus dem Ausland mit meist erheblich positivem Preis - im Grunde eine spinning reserve, also Erzeugungsreserven. Sie werden nur selten gebraucht und müssen daher in kurzen earning times eine Vollkostendeckung erwirtschaften. Und dieses earning potential muss für den Betreiber sicher sein, sonst hält er die Kapazität nicht vor.
Das erste Problem ist, dass das earning potential allein aufgrund der Marktentwicklung nicht sicher sein kann. Zu viele Faktoren beeinflussen die Erzeugung und den Verbrauch, die über den Markt ausgeglichen werden. So ist z.B. nicht vorhersehbar, ob und in welchen Größen kurzfristig Strommengen durch Verbrauchsänderungen frei werden, die auf Streik, anderen Ereignissen oder auch willkürliche Abschaltungen beruhen, oder - zumal bei Einsatz volatiler Erzeugung - aus kleineren Anlagen (z.B. nicht wärmegeführten KWK-Anlagen) oder den Nachbarländern bezogen werden können.