Anreizregulierung 2.0 – Arbeitsrechtliche Herausforderungen und Lösungsansätze
Abstract
In seinem Beitrag untersucht Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Patrick Mückl themenspezifisch die „Anreizregulierung 2.0 – Arbeitsrechtliche Herausforderungen und Lösungsansätze“. Ab der zweiten Regulierungsperiode (1.1.2014) werden durch die BNetzA nur noch Lohnzusatzleistungen als nicht beeinflussbar angesehen, die für Beschäftigte erbracht werden, die mit dem Netzbetreiber einen Arbeitsvertrag geschlossen haben und ausschließlich dort tätig sind. Mit ihren Vorgaben zur Anreizregulierung verfolgt die BNetzA erkennbar das Ziel, die schlanke Netzgesellschaft - oft auch „Pachtmodell“ genannt- als das am häufigsten gewählte Modell zur Erfüllung der Unbundlingvorgaben des EnWG abzuschaffen. Zur „Rettung“ der schlanken Netzgesellschaft bzw. zur Fortsetzung der Effizienzneutralität von Personalkosten lassen sich verschiedene Gestaltungsvarianten diskutieren. Zwischen einem Arbeitgeberwechsel, der Begründung von Doppelarbeitsverhältnissen über die Aufspaltung des Energieversorgungsunternehmens oder der Abspaltung und Ausgliederung von Teilen des Unternehmens stellt der Autor mehrere Grundmodelle dar, die den bestehenden Gestaltungsspielraum exemplarisch kennzeichnen. Die betroffenen Energieversorgungsunternehmen müssen auf die bevorstehenden Änderungen bis zum 1.1.2014 arbeitsrechtlich reagieren.
Leseprobe
- von RA FAArbR Dr. Patrick Mückl, Düsseldorf* -
Zur Umsetzung der Entflechtungsvorgaben der §§ 6 ff. EnWG hat die ganz überwiegende Zahl der vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen (Tochter-)Netzgesellschaften gegründet, die den Netzbetrieb meist im Wege der schuldrechtlichen Netzüberlassung (Verpachtung) übernommen haben und zum Netzbetrieb im Wege der (konzerninternen) Arbeitnehmerüberlassung beschäftigte Mitarbeiter einsetzen. Diese sog. „schlanke“ Netzgesellschaft (oft auch „Pachtmodell“ genannt) wird die BNetzA - vermittelt über ihre Vorgaben zur Anreizregulierung - mit dem Beginn der zweiten Regulierungsperiode faktisch abschaffen. Ungeachtet der Fragwürdigkeit ihres Verständnisses der Anreizregulierungsvorgaben1 müssen die betroffenen Energieversorgungsunternehmen hierauf bis zum 1.1.2014 arbeitsrechtlich reagieren.
I. Die faktische Abschaffung der „schlanken“ Netzgesellschaft durch die Bundesnetzagentur
Die sog. Anreizregulierung soll die Netzbetreiber zu einer effizienten Betriebsführung animieren2. Die nach § 21a Abs. 6 EnWG erlassene Anreizregulierungsverordnung (ARegV) konkretisiert die Anreizsetzung für eine effiziente Leistungserbringung und sieht dazu vor, dass für die Netzbetreiber vor Beginn einer Regulierungsperiode Obergrenzen für die Gesamterlöse der jeweiligen Regulierungsperiode festgelegt werden. Bei der Ermittlung von Obergrenzen sind die durch den jeweiligen Netzbetreiber Unternehmen seien effizienter, wenn sie für ihr Netz eigene Mitarbeiter einsetzen, deren Personalzusatzkosten den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten zuzuordnen sind3. Kauften sie Dienstleistungen von Dritten ein, seien sie weniger effizient, da die Lohnzusatzkosten den beeinflussbaren Kostenanteilen zugerechnet werden4.
Lediglich während der ersten Regulierungsperiode gilt eine Übergangsregelung, nach der auch die Personalzusatzkosten der Mitarbeiter, die noch nicht unmittelbar beim Netzbetreiber beschäftigt sind, § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV unterfallen5. Voraussetzung dafür ist, dass sie ausschließlich für den Netzbetreiber tätig sind und ihre endgültige Überleitung in ein Arbeitsverhältnis beim Netzbetreiber angestrebt ist. Dies gilt nicht für Personalzusatzkosten, die im Rahmen von Dienstleistungsverträgen mit „konzernfremden“ Dritten entstehen.
Ab der zweiten Regulierungsperiode (1.1.2014) werden durch die BNetzA nur noch Lohnzusatzleistungen als nicht beeinflussbar angesehen, die für Beschäftigte erbracht werden, die mit dem Netzbetreiber einen Arbeitsvertrag geschlossen haben und ausschließlich dort tätig sind6. Das hat erhebliche Fernwirkungen in Bezug auf die in der Vergangenheit geschaffenen Strukturen zur Umsetzung der Entflechtungsvorgaben des EnWG.
1. Entflechtungsrechtliche „Fernwirkungen“
Nach Inkrafttreten der Entflechtungsvorgaben des EnWG haben sich in der Praxis im Wesentlichen drei (Entflechtungs-)Modelle herausgebildet7. …
beeinflussbaren Kostenanteile und die von ihm nicht beeinflussbaren Kostenanteile zu unterscheiden (§ 21a Abs. 4 EnWG).
§ 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV regelt insoweit, dass Kosten aus betrieblichen und tarifvertraglichen Vereinbarungen zu Lohnzusatz8- und Versorgungsleistungen, soweit diese in der Zeit vor dem 31.12.2008 abgeschlossen worden sind, dauerhaft nicht beeinflussbar sind. Insgesamt handelt es sich bei den in § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV genannten Kosten um einen erheblichen Anteil der gesamten Personalkosten, der fast ein Drittel der Personalkosten des Netzbetreibers ausmachen und zwischen hunderttausend und mehreren Millionen Euro liegen kann9. Mit Wirkung zum 1.1.2014 wird die Bundesnetzagentur (BNetzA) allerdings fordern, dass über den Wortlaut des § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV hinaus weitere Anforderungen erfüllt werden. Andernfalls sollen die betreffenden Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen nicht (länger) als unbeeinflussbar gelten.
2. Umgang mit § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV
Nach der Interpretation der BNetzA sind von § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV nur die Lohnzusatzkosten der Mitarbeiter erfasst, die einen Arbeitsvertrag direkt mit dem Netzbetreiber geschlossen haben10. Denn
* Dr. Patrick Mückl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in den Fachbereichen Arbeitsrecht und Energy bei Noerr LLP. Er berät und vertritt vom Düsseldorfer Büro der Sozietät aus Energiewirtschaftsunternehmen in allen Fragen des Arbeitsrechts.
1 Kritisch Baur/Hampel, RdE 2011, 385 ff.
2 Scholtka/Baumbach, NJW 2008, 1128, 1130; Trümner/Lerch, Anreizregulierung als Methode zur Ausgestaltung der Entgeltregulierung, 2009, S. 22 m. w. N.
3 BNetzA, (Fn. 5) S. 5.
4 BNetzA, (Fn. 5) S. 5.
5 BNetzA, (Fn. 5) S. 6.
6 BNetzA, (Fn. 5) S. 6.
7 Kaluza, Arbeitsrechtliche Aspekte der Entflechtung in der deutschen Energiewirtschaft, 2012, S. 69 ff.; vgl. ferner Trümner/Weinbrenner, (Fn. 4), S. 10 f.; Walk/Wiese, RdE 2012, 234 ff.
8 Vgl. hierzu ausführlich Mückl, VersW 2012, 283 ff.
9 Trümner/Weinbrenner, Rechtmäßigkeit der Anreizregulierung (ARegV) unter besonderer Berücksichtigung der Kosten aus betrieblichen und tarifvertraglichen Vereinbarungen zu Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen gem. § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV, 2010, S. 8.
10 BNetzA, Leitfaden für Stromverteilernetzbetreiber „Große Netzgesellschaft“, 2011, S. 5.