Noch einmal: Ermäßigter Umsatzsteuersatz beim Legen von Wasserhausanschlüssen durch Dritte
Abstract
Aus steuerlicher und zivilrechtlicher Sicht besprechen Dipl.-Bw.(FH)/Dipl.-Vw./Dipl.-Hdl. Martin Kronawitter und Rechtsanwalt Michael Brändle das BGH-Urteil vom 18.4.2012 – VIII ZR 253/11 - Noch einmal: Ermäßigter Umsatzsteuersatz beim Legen von Wasserhausanschlüssen durch Dritte.
Mit vorliegendem Urteil ist der BGH nicht dem Argument gefolgt, dass das Legen des Hauswasseranschlusses und ähnliche Leistungen nur dann dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, wenn sie vom Wasserversorgungsunternehmen selbst erbracht werden. Denn - so die Gegenmeinung - bei Handwerksbetrieben oder anderen Dritten, die das Legen des Hausanschlusses unmittelbar an den Grundstückeigentümer, d. h. ohne Beauftragung durch den Wasserversorger, erbringen, könne die Leistung nicht mehr der „Lieferung von Wasser“ zugerechnet werden, da diese Unternehmer selbst nicht Lieferant des Wassers sind. Stattdessen gilt nach Ansicht des EuGH und des BGH das Legen eines Hausanschlusses umsatzsteuerrechtlich an sich als Lieferung von Wasser, weil diese Tätigkeit für die Lieferung von Wasser unentbehrlich ist, so dass der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden ist.
Aus zivilrechtlicher Sicht wird dargelegt, unter welchen Umständen ein Wasserkunde vom Wasserversorger eine „Berichtigung“ einer Rechnung für die Erstellung oder Veränderung eines Wasserhausanschlusses verlangen kann, sofern dort der volle Umsatzsteuersatz angewandt wurde. Die aktuelle Entscheidung des BGH lässt nicht die Schlussfolgerung zu, dass Wasserversorger nunmehr verpflichtet wären, in allen Kundengruppen und für beliebig lange zurückliegende Zeiträume eine Rechnungsberichtigung vorzunehmen. Vielmehr stellt der Beitrag darauf ab, im Einzelfall zu prüfen, ob eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Wasserversorgung vorlag, wie die Preisvereinbarung mit dem Wasserkunden genau aussah und ob eine Verpflichtung zu Rechnungserstellung besteht. Schließlich wäre zu prüfen, ob bezüglich des Bereicherungsanspruchs des Kunden, die Einrede der Verjährung erfolgreich erhoben werden kann.
Leseprobe
- Anmerkungen zum BGH-Urteil vom 18.4.2012 - VIII ZR 253/11 - aus steuerlicher und zivilrechtlicher Sicht -1
Erneut hatte sich die höchstrichterliche Rechtsprechung mit dem anzuwendenden Umsatzsteuersatz beim Legen von Hauswasseranschlüssen zu beschäftigen. Diesmal war der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Thematik befasst, nachdem die Klägerin, eine Wohnungsgenossenschaft, deren Wasser- und Abwasserversorgung in den Aufgabenbereich des Zweckverbandes L. fällt, von der Beklagten die Berichtigung von Rechnungen sowie die Rückzahlung von Umsatzsteuerbeträgen verlangt. Der Zweckverband ist seinerseits Gründungsgesellschafter der Beklagten, die namens und im Auftrag ihrer Gesellschafter u.a. den Betrieb der wasserwirtschaftlichen Anlagen zur Trinkwasserversorgung führt.
Die Beklagte erneuerte in den Jahren 1999 und 2000 die Wasserhausanschlüsse und berechnete der Klägerin hierfür 16 % Umsatzsteuer. Im Jahr 2009 begehrte die Beklagte für Arbeiten zur Reduzierung von Wasseranschlüssen und Wasserzählergrößen verschiedener Wohnhäuser der Klägerin die Umsatzsteuer in Höhe von 19 %. Demgegenüber war die Klägerin der Auffassung, dass jeweils nur ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von 7 % hätte berechnet werden dürfen und forderte die Differenz zurück.
Amtsgericht und Landgericht hatten die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der BGH hat im Urteil vom 18.4.2012 (VIII ZR 253/11) die Revision zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der den Satz von 7 % übersteigenden Umsatzsteuerbeträge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Zwar kann sich der Bereicherungsschuldner in Höhe der an das Finanzamt abgeführten Umsatzsteuer auf den Wegfall der Bereicherung i.S. des § 818 Abs. 3 BGB berufen (BGH vom 8.5.2008, IX ZR 229/06, NJW-RR 2008, 1369; BGH vom 25.3.1976, VII ZR 32/75, BGHZ 66, 150, 157; BGH vom 30.9.1970, VIII ZR 221/68, NJW 1970, 2059), allerdings ist die Beklagte aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht (BGH vom 11.12.1974, VIII ZR 186/73, NJW 1975, 310) angehalten, die Rechnungen gemäß § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1, 7 UStG zu berichtigen, sodass sie die gezahlten Umsatzsteuerbeträge gemäß Art. 37 Abs. 2 AO vom Finanzamt erstattet verlangen kann (zur Vorgehensweise vgl. BayLfSt vom 25.6.2009, S 7221. 1. 1-1/16 St34, juris; sowie Himmelstoß, KommunalPraxis Bayern 2009, 286, 288 ff.). Damit besteht die Bereicherung der Beklagten, mithin die Pflicht zur Rückzahlung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer fort.
Anmerkung aus steuerrechtlicher Sicht
Wie in dieser Zeitschrift bereits mehrfach ausgeführt wurde (Versorgungswirtschaft 2009, 10, 61, 120, 181), ist auf Wasserhausanschlussleistungen der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden. Dies gilt jedenfalls solange, als das Legen eines Hausanschlusses nicht durch eine entsprechende gesetzliche Regelung von der grundsätzlichen Steuerermäßigung für die „Lieferungen von Wasser“ ausgeschlossen ist (BFHE 222, 176, 183). Indes hat der Verfasser - in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Schreiben des BMF vom 7.4.2009 (IV B 8 - S 7100/07/10024, Versorgungswirtschaft 2009, 120) und des BayLfSt vom 25.6.2009 (S 7221.1.1-1/16 St34) - argumentiert, dass das Legen des Hauswasseranschlusses und ähnliche Leistungen nur dann dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, wenn sie vom Wasserversorgungsunternehmen selbst erbracht werden. Bei Handwerksbetrieben oder anderen Dritten, die das Legen des Hausanschlusses unmittelbar an den Grundstückeigentümer, d.h. ohne Beauftragung durch den Wasserversorger, erbringen, könne die Leistung nicht mehr der „Lieferung von Wasser“ zugerechnet werden, da diese Unternehmer selbst nicht Lieferant des Wassers sind. ….
Anmerkung aus zivilrechtlicher Sicht
Der privatrechtlich liefernde Wasserversorger als Bereicherungsschuldner kann sich in Höhe der an das Finanzamt abgeführten Umsatzsteuer grundsätzlich auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Dies gilt nicht, wenn der Wasserversorger die Rechnungen berichtigen und beim Finanzamt Erstattung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer erlangen kann. Es bleibt offen, ob dies auch dann gilt, wenn der Wasserkunde keinen Anspruch auf eine Rechnung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG hat.
(Orientierungssatz der Redaktion)
Leider können nicht alle entscheidenden zivilrechtlichen Parameter aus der hier zu besprechenden Entscheidung entnommen werden und leider ist die Begründung im zivilrechtlichen Teil recht knapp. Gleichwohl soll nachstehend - unter Auswertung auch anderer Entscheidungen des BGH - dargelegt werden, unter welchen Umständen ein Wasserkunde vom Wasserversorger zivilrechtlich eine „Berichtigung“ einer Rechnung für die Erstellung oder Veränderung eines Wasserhausanschlusses verlangen kann, sofern dort der volle Umsatzsteuersatz angewandt wurde, obwohl dies, wie oben im Beitrag von Kronawitter dargelegt, umsatzsteuerlich nicht korrekt war und ist. Vorab sei davor gewarnt, die Rechtsprechung des BGH und diese Anmerkung umstandslos auf den Fall der öffentlich-rechtlichen Wasserversorgung zu übertragen, da dort möglicherweise andere Kriterien gelten.2 Gegenstand der hier ausgewerteten Rechtsprechung ist ausschließlich die privatrechtlich organisierte Wasserversorgung.
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