Online-Forum für Betriebswirtschaft, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht der Versorgungs- und kommunalen Unternehmen
Titel: Das vergaberechtliche Konzernprivileg für Sektorenauftraggeber
Autor: Dr. Andreas Graef, RA Dr. LL.M. Roland Haberstroh
Datum: 01.12.2011
Gesetz: GWB
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: EU-Recht, Gesellschaftsrecht, Handelsrecht, Vergaberecht, Verwaltungsrecht
Dokumentennummer: 11001258 ebenso Versorgungswirtschaft 12/2011, Seite 309

Das vergaberechtliche Konzernprivileg für Sektorenauftraggeber

Abstract

Die Rechtsanwälte Dr. Andreas Graef, MBA und Dr. Roland Haberstroh, LL.M., stellen in ihrem Beitrag Das vergaberechtliche Konzernprivileg für Sektorenauftraggeber vor. Das Konzernprivileg für Sektorenauftraggeber ist eine der wenigen, in der Praxis allerdings häufig übersehenen Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts und führt neben dem Modell der In-House-Vergabe zu einem Verzicht auf ein förmliches Vergabeverfahren. Durch die Rechtsprechung der Vergabenachprüfungsinstanzen hat das Konzernprivileg bislang nur wenige Konturen erfahren. In ihrem Beitrag erläutern die Autoren anhand von Übersichten anschaulich vier verschiedene Fallgruppen des Konzernprivilegs, das Auftragsverhältnisse zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern begünstigt, die gesellschaftsrechtlich eng miteinander verflochten sind. Daher liegt ein besonderer Schwerpunkt des Beitrags auf einer Bestimmung der inhaltlichen Reichweite des Begriffs des verbundenen Unternehmens. Die beiden Varianten des § 100 Abs. 2 lit. o) GWB verlangen ferner vom Auftraggeber eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Trinkwasser- oder Energieversorgung oder des Verkehrs.


Leseprobe

- von Rechtsanwälte Dr. Andreas Graef, MBA und Dr. Roland Haberstroh, LL.M., Bird & Bird, Düsseldorf -

1. Einleitung

Die Durchführung europaweiter Vergabeverfahren ist ein zeitaufwändiges und regelmäßig mit erheblichen Kosten verbundenes Unterfangen. Öffentliche Auftraggeber versuchen daher nicht selten, Beschaffungsvorgänge im internen Bereich vergaberechtsfrei zu organisieren. Hierfür steht ihnen im Einzelfall das Modell der In-House-Vergabe zur Verfügung. Eine dem Vergaberecht entzogene In-House-Vergabe wird generell von der Rechtsprechung und Literatur unter engen Voraussetzungen für zulässig erachtet, wenn der öffentliche Auftraggeber über den Auftragnehmer eine Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt (sog. Kontrollkriterium) und wenn der Auftragnehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentliche Auftraggeber verrichtet, der seine Anteile innehat (sog. Wesentlichkeitskriterium).1 § 100 Abs. 2 lit. o) und p) GWB normiert in Ergänzung zum Freistellungskonzept der In-House-Vergabe für öffentliche Auftraggeber im Sektorenbereich ein Konzernprivileg.

Das in seinen Einzelheiten überaus undurchsichtige Konzernprivileg entzieht Bau-, Dienst- und Lieferaufträge im Konzern in folgenden Grundkonstellationen2 dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts:

  • Auftragserteilung durch einen Sektorenauftraggeber an ein mit ihm verbundenes Unternehmen (vgl. § 100 Abs. 2 lit. o) aa) GWB);
  • Auftragserteilung durch ein von mehreren Sektorenauftraggebern gebildetes Gemeinschaftsunternehmen an ein mit seinen Anteilseigner verbundenes Unternehmen (vgl. § 100 Abs. 2 lit. o) bb) GWB);
  • Auftragserteilung durch ein von mehreren Sektorenauftraggebern gebildetes und im Sektorenbereich tätiges Gemeinschaftsunternehmen an einen seiner Anteilseigner (vgl. § 100 Abs. 2 lit. p) aa) GWB) und
  • Auftragserteilung durch einen Sektorenauftraggeber an ein von mehreren Sektorenauftraggebern gebildetes und im Sektorenbereich tätiges Gemeinschaftsunternehmen (vgl. § 100 Abs. 2 lit. p) bb) GWB).

Der vorliegende Beitrag erläutert die vier zuvor abrißartig vorgestellten Fallgruppen des Konzernprivilegs in seinen Einzelheiten. Ein besonderer Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf einer Bestimmung der inhaltlichen Reichweite des Begriffs des verbundenen Unternehmens. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf mögliche Einsatzformen des Konzernprivilegs für Sektorenauftraggeber in der Praxis ab.

1 Grundlegend EuGH, Urt. v. 18.11.1999 - C-107/98 (Teckal), vkw-online.eu DokNr. 11001074; BGH, Beschl. v. 03.07.2008 - I ZR 145/05, vkw-online.eu DokNr. 11001075 ; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.03.2011 - VII-Verg 48/10; OLG Hamburg, Beschl. v. 14.12.2010 - 1 Verg 5/10, vkw-online.eu DokNr. 11001055 und Besprechung Graef, Versorgungswirtschaft 2011, S. 239, DokNr. 11001187; OLG Naumburg, Beschl. v. 29.04.2010 - 1 Verg 2/10, vkw-online.eu DokNr. 11001076.

2 Die weiteren Einzelheiten werden in den Abschnitten 3. und 4. dieses Beitrags ausführlich erläutert.

Dieser kostenpflichtige Artikel ist nur für registrierte Nutzer online verfügbar.
Sie haben die Möglichkeit, das Angebot ohne weitere Verpflichtungen kennen zu lernen.
weitere Infos | zum Login (für das Online Angebot registrierte Abonnenten)

Autoren:

Fachartikel:

Erweiterte Suche