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Titel: Widerrufsrecht bei Energie- und Wasserlieferungsverträgen
Datum: 01.10.2011
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: Energie(wirtschafts)recht, EU-Recht, Wasserrecht, Zivilrecht
Dokumentennummer: 11001222 ebenso Versorgungswirtschaft 10/2011, Seite 260

Widerrufsrecht bei Energie- und Wasserlieferungsverträgen

Abstract

Rechtsanwalt Michael Brändle weist auf die seit 4.8.2011 geltenden Änderungen des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen hin, im Besonderen auf das Widerrufsrecht bei Energie- und Wasserlieferungsverträgen. Bis zum 4.11.2011 gilt eine Übergangsfrist. Anschaulich legt der Autor nach rechtlichen Gesichtspunkten dar, dass im Ergebnis bei der leitungsgebundenen Lieferung von Strom, Gas und Wasser das Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 Alt. 3 BGB und Artikel 6 Abs. 3 Aufzählungsstrich 3 Alt. 3 Fernabsatzrichtlinie ausgeschlossen ist, mithin kein gesetzliches Widerrufsrecht besteht. Dennoch rät der Autor, weil eine endgültige Klärung durch den EUGH in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, den Unternehmen den sichersten Weg eines vertraglich verankerten Widerrufsrechts. Zudem ist die Formulierung von Anlage 1 zum EGBGB exakt einzuhalten. Wesentlich ist im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung, dass gem. § 360 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB die neue Muster-Widerrufsbelehrung Gesetzesrang erhalten hat und die Gerichte nicht mehr prüfen dürfen, ob die Formulierung den gesetzlichen Anforderungen genügt oder nicht. Exemplarisch angeführt ist für Energie- und Wasserlieferungsverträgen im Fernabsatz eine Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 1 zu Artikel 246 § 2 Absatz 3 Satz 1 EGBGB unter Berücksichtigung der in dieser Anlage 1 geregelten Gestaltungshinweise.


Leseprobe</2>

- von RA Michael Brändle, Freiburg -

Mit dem „Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge“ vom 27.7.20111 wurden die Regelungen zum Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und im Einführungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuch geändert2. Neu geregelt wurde insbesondere, unter welchen Voraussetzungen eine Verpflichtung des Verbrauchers zum Wertersatz besteht, wenn eine im Fernabsatz3 bezogene Ware nicht oder nur teilweise herausgegeben werden kann. Das Gesetz wurde am 3.8.2011 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat nach Artikel 4 am Tag nach seiner Verkündung, somit am 4.8.2011 in Kraft. Eine Übergangsregelung existiert insoweit, als dass nach Artikel 229 § 27 EGBGB bis einschließlich 4.11.2011 die Belehrungspflichten auch dann erfüllt sind, wenn die Muster gemäß den Anlagen 1 und 2 zum EGBGB in der bisher geltenden Fassung verwandt werden. Dies soll „Unternehmen, die im Vertrauen auf die Rechtslage Kataloge gestaltet und Belehrungen gedruckt haben, für eine Übergangszeit deren weitere Verwendung … ermöglichen“.4

Anlass für die Gesetzesänderung war das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9.9.2009 in der Rechtssache C-489/075. Der Europäische Gerichtshof hatte in diesem Vorabentscheidungsersuchen auf Vorlage des Amtsgerichts Lahr entschieden, dass die Bestimmungen des Artikels 6 Absatz 1 Satz 2 der Fernabsatzrichtlinie6 einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Verkäufer vom Verbraucher für die Nutzung einer Ware, die im Fernabsatz gekauft wird, bei fristgerechtem Widerruf generell Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangen kann. Dies sei nur zulässig, wenn der Verbraucher die Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts - wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung - unvereinbare Art und Weise benutzt habe7. Jedoch dürften die Zielrichtung der Fernabsatzrichtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und Effektivität des Widerrufsrechts durch eine solche Regelung nicht beeinträchtigt werden.

1 BGBl I 2011, 1600 (Nr. 41 vom 03.08.2011).

2 Dokumentation des Gesetzgebungsverfahren siehe: dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/321/32191.html .

3 Dieser Beitrag beschäftigt sich, soweit nicht anders vermerkt, ausschließlich mit dem Fernabsatz. Für den elektronischen Geschäftsverkehr (Vertragsabschluss im Internet) und bei Haustürgeschäften gelten teilweise andere Regeln.

4 So die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/5097, S. 19.

5 curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl .

6 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L 144 vom 4.6.1997, S. 19, eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do .

7 Insoweit über die Schlussanträge der Generalanwältin hinausgehend, curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl

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