Umsetzungsfragen beim Wechsel des Grundversorgers
Abstract
Zum 1.7.2012 steht nach der letzten Feststellung zum 1.7.2009 wieder eine turnusmäßige Feststellung der Grundversorger des Netzgebietes durch den Netzbetreiber an.
Rechtsanwalt Christoph Germer setzt sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt mit den „Umsetzungsfragen beim Wechsel des Grundversorgers“ für alle Beteiligten auseinander: Netzbetreiber, Versorgungsunternehmer, Kunden und mittelbar auch Gemeinden, etwa bei Konzessionsabgaben im Bereich der Gasversorgung. Im Vergleich zu der letzten turnusmäßigen Feststellung ist mit einer größeren Anzahl von Grundversorgerwechseln zu rechnen. Derzeit wird eine Vielzahl von Konzessionsverträgen neu abgeschlossen, es kommt in vielen Fällen zum Wechsel des Netzbetriebs und des Eigentums am Netz. Netzgebiete können sich dadurch ändern.
Im Rahmen der Feststellung durch den Netzbetreiber, wer Grundversorger in dem Netzgebiet ist, sind u.a. die räumlichen Grenzen eines Netzgebietes und der relevante Kundenkreis zu berücksichtigen. Bei einem Wechsel des Grundversorgers müssen die rechtlichen und tatsächlichen Fragen beachtet werden, um deren Beantwortung sich alle Beteiligten rechtzeitig vor dem 1. Juli 2012 kümmern sollten.
Leseprobe
Rechtsanwalt Christoph Germer*
Zum 01. Juli 2012 müssen Netzbetreiber turnusmäßig eine Feststellung dazu treffen, welches Energieversorgungsunternehmen die meisten Haushaltskunden in den jeweiligen Netzgebieten der allgemeinen Versorgung beliefert und somit Grundversorger gemäß § 36 EnWG ist. Derzeit wird eine Vielzahl von Konzessionsverträgen neu abgeschlossen, es kommt in vielen Fällen zum Wechsel des Netzbetriebs und des Eigentums am Netz. Diese Entwicklungen können Einfluss auf die Frage haben, welches Energieversorgungsunternehmen in welchem Netzgebiet Grundversorger ist. Der Wechsel des Grundversorgers wirft tatsächliche und rechtliche Fragen auf, um deren Beantwortung sich alle Beteiligten rechtzeitig vor dem 01. Juli 2012 kümmern sollten.
1. Feststellung des Grundversorgers
Grundversorger ist gemäß § 36 Abs. 2 S. 1 EnWG jeweils das Energieversorgungsunternehmen, das die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung beliefert. Der Grundversorger hat gemäß § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG allgemeine Bedingungen und allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben, im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Wer das ist, ermitteln gem. § 36 Abs. 2 EnWG die Betreiber von Energieversorgungsnetzen gem. § 18 Abs. 1 EnWG.
1.1 Netzgebiet der allgemeinen Versorgung
Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Grundversorgungspflicht auf ein "Netzgebiet der allgemeinen Versorgung" bezogen. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Definition des Begriffs "Netzgebiet". In § 3 Nr. 17 EnWG sind die "Energieversorgungsnetze der allgemeinen Versorgung" definiert. Dies sind Energieversorgungsnetze, die der Verteilung von Energie an Dritte dienen und von ihrer Dimensionierung nicht von vorherein auf die Versorgung bestimmter, schon bei der Netzerrichtung feststehender oder bestimmbarer Letztverbraucher angelegt sind, sondern grundsätzlich für die Versorgung jedes Letztverbrauchers offenstehen. Daraus folgt zunächst, dass eine Grundversorgung in den Netzgebieten nicht stattfindet, die nicht der allgemeinen Versorgung i.S.d. § 3 Nr. 17 EnWG dienen1. In Netzen, die diese Funktion nicht erfüllen, gibt es keinen Grundversorger und folglich auch keinen Anspruch der dort etwa ansässigen Haushaltskunden auf Belieferung im Rahmen einer Grundversorgung2.
Für die räumliche Abgrenzung des "Netzgebiets der Allgemeinen Versorgung" ist mit dieser Feststellung allerdings noch nichts gewonnen. Einigkeit besteht, dass es in einem "Netzgebiet der allgemeinen Versorgung" lediglich einen Grundversorger geben kann3 und dass der Begriff des "Netzgebiets" eine räumliche Beschränkung beinhaltet. Wie diese räumliche Einschränkung im Einzelnen auszusehen hat, ist umstritten.
* Rechtsanwälte Gersemann & Kollegen, Freiburg i. Br. | Berlin
1 so auch Hempel, Recht der Energie- und Wasserversorgung, § 36 Rn. 203
2 zum möglichen Verstoß dieser Rechtsfolge gegen europarechtliche Vorgaben: Hempel, a.a.O., Rn. 69, m.w.N.
3 de Wyl in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 13 Rn. 34