Preisanpassung für Erdgaslieferungen an Normsondervertragskunden: Die Rechtsprechung des BGH und sein Urteil (VIII ZR 246/08) vom 14.07.2010
Abstract
Rechtanwalt Dr. Achim-R. Börner gibt ausgehend vom Urteil des BGH vom 14.07.2010 (VIII ZR 246/08) einen Überblick über die mittlerweile zahlreichen Entscheidungen des BGH zur Preisanpassung in Normsonderverträgen für Erdgaslieferungen. Mit einbezogen in die kritische Besprechung sind die neuesten Entscheidungen des BGH vom Februar diesen Jahres mit dem Vorlagebeschluss an den EuGH zur Vereinbarkeit von Preisanpassungsklauseln mit der Verbraucherschutzrichtlinie und der Erdgasbinnenmarktrichtlinie.
Leseprobe
- von Rechtsanwalt Dr. Achim-R. Börner, Köln -
Das neue Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) schafft weitere Rechtssicherheit zur Preisanpassung für Erdgaslieferungen an Sondervertragskunden, aber Zweifel bleiben.
1. Preisanpassungsklauseln andernorts
Der BGH hatte bereits eine differenzierte neuere Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln in anderen Wirtschaftszweigen erarbeitet:
- Reiseverträge
- Flüssiggaslieferungsverträge
- Pay-TV-Verträge
- Kreditverträge
Bei den Entgelten für die Elektrizitätsdurchleitung hatte der BGH - nach Ablehnung der weiteren Maßgeblichkeit der Verbändevereinbarung - Gelegenheit, die Rechtsprechung zum einseitigen Recht der Leistungsbestimmung nach § 315 BGB, hier der Preisbestimmung nach § 317 BGB, zu präzisieren. Für Preisanpassungen ist ein solches Bestimmungsrecht nach § 317 BGB der sog. Leistungsvorbehalt nach § 1 II lit. a PreisklauselG.
Der BGH hat die dort erarbeitete Anschauung, es komme auf die Kosten an, offenbar auf die Vollversorgungspreise der Gaswirtschaft extrapoliert, obwohl er aufgrund des Wettbewerbs bei den Stromlieferpreisen bereits eine abweichende Erkenntnis gewonnen hatte.
a) Tarifkunden
Für Tarifkunden hat der BGH den Grund gelegt mit seinen Urteilen vom 13.06.2007 und 19.11.2008, indem er das gesetzliche Recht des Versorgers nach § 4 I, II AVBGasV zur Bestimmung der Preisänderung nach § 315 BGB anerkannt und dazu entschieden hat:
Die einseitige Preisbestimmung nach § 4 I AVBGasV unterliegt der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Sie erfolgt nicht, soweit eine Einigung über die Preisbestimmung erfolgt ist; der einseitig bestimmte Tarif wird zum vereinbarten, wenn der Kunde die erhöhte Jahresrechnung unbeanstandet hinnimmt, indem er weiterhin Gas bezieht, ohne die Tariferhöhung in angemessener Zeit als unbillig zu beanstanden.
Die Billigkeitskontrolle erstreckt sich nicht auf die Berechtigung der (entstandenen) Kosten des Einkaufs von der vorgelagerten Lieferstufe. Hat der Versorger die Tariferhöhung auf eine Bezugskostensteigerung gestützt, so sind nicht notwendigerweise die absolute Höhe der Bezugspreise anzugeben und die Bezugsverträge offen zu legen und kommt es nicht darauf an, ob die Kostensteigerungen durch Ersparnisse in anderen Unternehmensbereichen aufgefangen werden konnten.
Diese Rechtslage kann sich aufgrund des Vorlagebeschlusses des BGH vom 09.02.2011 ändern; da der Vorlagefall Sonderkundenverträge betrifft, mehr dazu sogleich….